𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟾 - 𝙳𝚒𝚎 𝙰𝚗𝚔𝚞𝚗𝚏𝚝 𝚒𝚗 𝚍𝚎𝚖 𝚐𝚘𝚕𝚍𝚎𝚗𝚎𝚗 𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚘𝚕

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Obgleich die kontrolliert überwachte Verabschiedung in meinem Heimatdistrikt unterkühlt und kurzgebunden gehalten wurde, scheint das Kapitol diese Herangehensweise bei unserer Ankunft am Bahnhof anders zu handhaben. Schon bevor der luxuriöse Schnellzug stehen bleibt, kann ich durch eines der großflächigen Seitenfenster beobachten, wie Massen an wohlhabenden Menschen an den Bahnsteigen warten und unseren Zug mit wedelnden Taschentüchern begrüßen.

Vermutlich wollte das Führungsregime die Distrikte für ihre Aufsässigkeit bestrafen. Die ehemaligen Sieger können sie in die Arena schicken und umbringen, aber ein unbestreitbarer Fakt ist, dass das Kapitol nicht ohne die Distrikte funktionieren könnte. Durch ihre Herrschaft hat das Kapitol seine Eigenständigkeit verloren und die Produktion von Lebensmitteln, Rohstoffen oder Luxusgüter auf die Distriktzonen verteilt. Um ihren Lebensstandard zu halten können sie nicht einfach alle Distrikte auslöschen, aber sie können sie einschüchtern und leiden lassen.

Doch die Bewohner des Kapitols werden in der schimmernden Illusion gelassen, dass alles in Ordnung sei. Deshalb können sie ihr Verhalten in den Hungerspielen nicht verändern, sie preisen dieses Spektakel als das große dritte Jubeljubiläum an, sparen keine Kosten und Mühen.

Jackson nutzt die Gelegenheit sobald der Schnellzug stehen bleibt sich mit strammen Schultern vor der Ausgangstür zu positionieren, um als ersten in den Mittelpunkt zu rücken und wohlmöglich Sponsoren für sich zu gewinnen. Er ist wie vermutlich die meisten Sieger wütend auf diese Hungerspiele, aber um sie zu gewinnen braucht er Sponsoren.

Ich zögere einen Moment und bleibe mit einem gewissen Abstand zu ihm stehen. Sollte ich ebenfalls um die Aufmerksamkeit und die Gunst dieser Menschen buhlen? Diese Frage habe ich mir gestellt, seitdem wir uns die Erntezeremonien angesehen haben. Ich werde mich nicht verstellen und ihnen etwas vorspielen, doch ebenso werde ich sie nicht schlecht behandeln. Manche werden wütend auf das ganze Kapitol sein, doch diese Menschen an den Bahnsteigen können nichts für die Entscheidungen und Taten ihres Präsidenten. Durch Reginald habe ich verstanden, dass das Leben der Menschen in den Distrikten ihnen nicht gleichgültig ist. Sie haben nur die Brutalität dahinter vergessen, dass Kapitol hat dafür gesorgt indem es die Spiele verherrlicht.

Rollo Grier stellt sich an die Seite von meinem männlichen Mittribut und trinkt einen starken Schluck aus dem kristallenen Whiskyglas in seiner Hand und drückt es einem der Friedenswächtern in die Hand. Sein Blick schwenkt zu mir und seine Augenbrauen runzeln sich wartend. Er möchte mich nicht drängen und meine eigenen Entscheidungen treffen, das macht ihm zu einem guten Mentor.

Nickend und nachgebend schlendere ich an seine Seite hinter Jackson, doch einen kleinen Spaß kann ich mir nicht verkneifen. Ich nähere mich einen Schritt an meinen männlichen Tribut, sodass mein leichter Atem seinen Nacken streift und die weißen Härchen sich aufstellen. Mit rauer und spielerischer Stimme flüstere ich schon fast: "Wenn ich in der Arena hinter dir stehe, ist es zu spät."

"Hatte schon ganz deine lockeren Bemerkungen wie bei unseren Abendessen in Distrikt zehn vergessen", erwidert er mit einem widerspiegelnden spielerischen Schnaufen und mit einem sanften Lächeln sehe ich herüber zu unserem Mentor. Sein Gesichtsausdruck ist sanft und herzlich, doch seine Mundwinkel zucken nach unten. In den letzten Wochen haben die Sieger unseres Distriktes eine Verbindung zueinander aufgebaut und wir haben einander kennengelernt. Auf eine Weise teilen wir alle das selbe Schicksal, weswegen es leicht war miteinander auszukommen.

Und nachdem wir angeheitert Geschichten über unser Aufwachsen in unserem Distrikt, die Liebesromanze von Tule und Phox oder Marktgemurmel ausgetauscht haben, ist es bestimmt ebenso belastend die zwei jüngsten Sieger zu ihrer Schlachtung ins Kapitol zu begleiten. Durch unser Alter und Schicksal gehen wir vermutlich mit einem ungewohnten Humor an dieses Jubeljubiläum heran, als unsere Freunde.

ɔıε тяıвυтε νσп ραпεм  - ɔεя ƨρσтттöʟρεʟ υпɔ ɔıε пαcнтıɢαʟʟWo Geschichten leben. Entdecke jetzt