𝓣𝓮𝓲𝓵 𝟒

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"Adams?", fragte ich. Nichts geschah. Sie rührte sich überhaupt nicht. "Wachen Sie auf!, forderte ich, zwar bestimmend aber nicht sehr laut. Ich hatte noch ein paar Schritte auf sie zugemacht und stand jetzt unmittelbar vor ihr. Sie reagierte wieder nicht. Kurz tippte ich ihr auf die Schulter. "Aufwachen."

Ein leises Grummeln drang an mein Ohr, dann eine schwache Bewegung. Und wieder nichts. "Hey, das Buch ist bei weitem nicht so bequem wie ein Bett", spottete ich immer noch recht leise. Eine weitere Bewegung und sie hob den Kopf und rieb sich die Augen. Als sie mich ansah, lief sie knallrot an.

"Tut mir leid, ich wollte warten bis Sie aufwachen. Ich wusste nicht wie lange... und da wollte ich weiter machen", stotterte sie vor sich hin.

"Und dann sind Sie eingeschlafen", beendete ich ihren Satz leicht sarkastisch. Sie nickte verschlafen.

"Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen besser?", fragte sie dann. Ich nickte knapp. Müde legte sie ihren Kopf zurück auf das Buch.

"Nicht. Nicht hier. Wollen Sie sich nicht lieber hinlegen?", hielt ich sie auf und wach. Wieder hob sie ihren Kopf und sah mich an.

"Schon..."

"Na also", murmelte ich und gab ihr eine Hand, um ihr aufzuhelfen. Für einen kurzen Augenblick indem wir uns berührten, konnte ich meine Gedanken nicht dran hindern, mir Dinge zu zeigen, die ich nicht sehen wollte. Schnell war es vorbei. Noch im Halbschlaf wankte sie auf dem Labor in Richtung Tür, um aus meiner Wohnung hinaus zu kommen.

"Ist es schon Sperrstunde?", fragte sie dann.

"Seit über vier Stunden", bestätigte ich. Sich erneut die Augen reibend zögerte sie. Fragend sah ich sie an.

"Ich will nicht unbedingt erwischt werden."

"Sie haben es doch auch sonst nicht so sehr mit Vorschriften", warf ich ihr vor.

"Stimmt auch mal wieder", gab sie sich geschlagen und wollte schon gehen, da folgte ich ihr fast automatisch.

"Ich komme ja schon mit." Kopf schüttelnd schloss ich meine Wohnungstür hinter uns, um sie in den Gemeinschaftsraum zu bringen. Der Weg war nicht weit und so trafen wir auch niemanden.

"Danke, Sir", verabschiedete sie sich vor dem Gemeinschaftsraum von mir. Ich senkte kurz den Kopf, was man als nicken deuten könnte.

"Gute Nacht."

"Gute Nacht", wiederholte sie und verschwand durch den geheimen Eingang. Alleine stand ich da. Verflucht, was tat ich eigentlich? Mit ihr, mit ihrem Trank, mit all dem hier? Was taten meine Gedanken immer wieder? Nein, die eigentlich Frage war: Warum? In Gedanken versunken ging ich zurück in meine Wohnung und legte mich schlafen, auch wenn ich die ganze Nacht über kein Auge zumachen konnte.

Der Unterricht am nächsten Tag war eine Qual für mich. Ich war müde und unkonzentriert wie schon seit Jahren nicht mehr. Es fiel mir schwer, die richtigen Namen für meine Schüler zu finden. Fast hätte ich zwei von Ihnen Adams genannt, obwohl die eine Brown und die andere Murphy hieß. Warum hatte ich nur noch dieses Mädchen im Kopf? Warum ausgerechnet eine junge Schülerin? Gut, sie war mittlerweile schon in der siebten Klasse, aber immer noch meine Schülerin! Immer wieder stellte ich mit die falschen Fragen, dabei war die eigentlich: Wie kam ich überhaupt auf solche Gedanken?

Am Abend sah ich Adams erneut in der großen Halle. Ich hatte am Nachmittag weiter gearbeitet und hatte neue Erkenntnisse erhalten. Am liebsten wollte ich sie sofort ansprechen, aber das sollte ich dann doch nicht tun. So wartete ich also, bis sie fertig gegessen hatte und aufstand. Ich folgte ihr, als sie die große Halle verließ. Kurz vor dem Gemeinschaftsraum fing ich sie ab.

"Miss Adams." Sie drehte sich zu mir um und sah mich verwundert an.

"Das ist das erste Mal, dass Sie mich mit Miss ansprechen", stellte sie beeindruckt fest.

"Kann sein", wischte ich ihren Einwand beiseite und fuhr fort: "Diesmal würde ich Ihnen gerne etwas zeigen." Sie nickte und grinste. Danach folgte sie mir ins Labor.

"In 100 Milliliter meines Blutes befinden sich etwa 9% Giftstoffe. Also 9 Milliliter", verkündete ich direkt. "Bei Ihnen konnte ich es auf Grund von Blutmangel noch nicht testen." Perplex stand sie da. Ihr Blick ruhte auf dem Trank, dann wanderte er langsam zu mir. Ohne sich von mir wegzuwenden, nahm sie sich eines der Messer und stach sich erneut in den Finger. Ich gab ihr eine Phiole und sie füllte ein paar Tropfen ab. Darauf gab sie sie mir. Ich gab ein paar Tropfen des Tranks hinzu, den ich extra für diese Zweck gebraut hatte.

"Und?", fragte sie neugierig.

"Das dauert etwa eine halbe Stunde", dämpfte ich ihre Begeisterung wieder. Kurz schwiegen wir, dann setzte sie sich auf den nächst gelegenen Stuhl.

"Dann warte ich eben." Wieder gut gelaunt sah sie mich an. Ich setzte mich ebenfalls.

"Darf ich Sie was fragen?", fragte Miss Adams dann nach ein paar Minuten der Stille. Ich nickte nur, sah aber zu ihr auf, um zu zeigen, dass ich ihr zuhörte und meine Aufmerksamkeit schenkte.

"Im Tagespropheten stand so einiges über sie nach der Schlacht um Hogwarts. Aber ich weiß nicht, ob man dem trauen kann."

"Und Ihre Frage ist jetzt was genau?" Halb belustigt halb abwertend hob ich eine Augenbraue.

"Na ja, was davon stimmt?", fragte sie schüchtern. Ich seufzte hörbar. Was sollte ich ihr denn jetzt antworten? Der Tagesprophet hatte berichtet, dass ich mich nur um Harry gekümmert hatte, weil ich seine Mutter liebte, dass ich von meinen Eltern misshandelt und missachtet wurde, dass ich mich dem dunklen Lord anschloss und als Doppelagent endete. Eigentlich stimmte es soweit, nur störte mich die Art wie diese vermaledeite Zeitung die Wahrheit zurechtgerückt und zugeschnitten hatte. So hörte sich alles ganz anders an und weckte einen ganz anderen Eindruck von mir. Unschlüssig sah ich sie an, dann wieder weg.

"Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten."

"Nein, schon gut, ich weiß nur nicht, wie ich es sagen soll. Grundsätzlich stimmt alles, es ist nur nicht ganz glücklich formuliert", antwortete ich dann.

"Das hatte ich mir fast gedacht." Fragend sah ich sie an. "Na ja, sonst würden Ihre ganzen Rettungsaktionen keinen Sinn ergeben. Andererseits denke ich nicht, dass Sie, nachdem Voldemort bei den Potters war, sofort nach Lily geschaut haben und-" Miss Adams brach ab, als sie mich ansah. "Es stimmt also doch", sagte sie eher zu sich selbst als zu mir. Ich nickte.

"Allerdings habe ich sie nie geküsst wie beschrieben. Auch als sie tot war, wollte ich mir ihr nicht aufdrängen." Ich behielt meine Fassung, auch wenn ich erwartete, dass meine Stimme jeder Zeit versagte, passierte es nicht.

"Tut mit leid..." Leise und es sichtlich bereuend mich darauf angesprochen zu haben, traute sie sich nicht, mir in die Augen zu sehen. Schweigend sah ich zu Boden. "Es tut mir leid", wiederholte sie.

"Das muss es nicht." Ein trauriges Lächeln spielte an meinen Gesichtszügen. Ich ließ es zu. Sie sah ja nicht einmal zu mir. Dann tat sie es doch. Ihr ausweichend stand ich auf und sah nach dem Trank.

Der etwas andere 𝓛𝓲𝓮𝓫𝓮𝓼𝓽𝓻𝓪𝓷𝓴Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt