𝓣𝓮𝓲𝓵 𝟖

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"Ich würde gerne ausprobieren, wie viel Gegengift man für ein Prozent Gift benötigt."

"Kann ich Ihnen helfen?" Ich öffnete unbehaglich die Tür zu meinem Labor. Scheinbar genauso unbehaglich folgte sie mir. Ihr Blick huschte hinüber zum Tisch, dann wand sie sich davon ab und den Tränken zu.

Wir redeten kaum, aber in Zusammenarbeit funktionierten wir ganz gut. Stundenlang experimentierten wir und machten uns Notizen. Am Ende des Tages waren wir beide hundemüde, hatten aber noch nichts wirkliches herausgefunden. Kraftlos ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Meine Füße schmerzten und meine Augen brannten. Adams tat es mir gleich und schloss erschöpft die Augen.

"Kann ich morgen wiederkommen, Sir?", fragte sie.

"Ja", antwortete ich knapp und sah auf die Uhr. Es war ganz kurz vor Sperrstunde. Sie folgte meinem Blick und stand seufzend auf.

"Bis Morgen", damit verschwand sie.

"Bis Morgen", murmelte ich.

Am nächsten Morgen ging es mir nicht gut. Mein Kopf dröhnte und mir war schlecht. Nachwirkungen des Giftes, vermutete ich. Ich schleppte mich aus dem Bett und ging erstmal duschen. Meine Glieder schmerzten, obwohl ich kaum länger als zehn Minuten gestanden hatte. Die Narben brannten förmlich auf meiner Haut. Es dauerte nicht lange und schon klopfte Adams. Ich öffnete und ließ ihr den Vortritt ins Labor. Sofort sank ich auf einen Stuhl und stützte meinen Kopf in meine Hände mir dabei die Augen zuhaltend.

"Alles in Ordnung bei Ihnen?", hörte ich ihre Stimme ganz in der Nähe. Als ich aufsah, hatte sie sich vor mich hingehockt und betrachtete mich. Ich atmete hörbar aus. Dann schüttelte ich matt den Kopf. Abwesend fuhr ich über die Narbe an meinem Hals. Sie schien augenblicklich zu verstehen.

"Ruhen Sie sich aus, ich weiß, wie Sie sich fühlen. Ich mache in der Zwischenzeit schon mal weiter." Kurz sah sie mir in die Augen, dann stand sie wieder auf und fuhr fort zu experimentieren. Sie hatte recht. Ich schloss wieder die Augen. Sie würde schon nichts in die Luft jagen, da konnte ich ihr vertrauen. Es dauerte nicht lange und ich war eingenickt.

Ich hatte wohl fast den ganzen Tag verschlafen. Als ich wieder wach wurde, hatte Adams sich ebenfalls hingesetzt und lag erneut mit ihrem Kopf auf einem Buch. Ich stand etwas wacklig auf, wobei mir schwindelig wurde. In meinen Ohren hob ein monotones Summen an. Adams schlief nicht, sie hatte nur die Augen geschlossen und dachte nach. Als ich auf sie zu kam, öffnete sie sie wieder und setzte sich auf. Sie sah mitgenommen und müde aus.

"Und?", fragte ich sie.

"Nichts. Es ist alles viel zu kompliziert. Auf zwei Prozent Gift benötigt man genau 97 Milliliter Gegengift, aber auf vier Prozent ist es nicht das doppelte, sondern 144 Milliliter. Es ist verrückt", stöhnte sie und schlug das Buch, auf dem sie eben noch gelegen hatte, zu.

"Machen Sie eine Pause, morgen ist auch noch ein Tag." Sie sah genauso müde aus, wie ich mich fühlte. Adams nickte und stand ebenfalls auf. Ich brachte sie noch zur Tür, dann fiel ich, ohne mich vorher umgezogen zu haben, auf mein Bett und schlief auf der Stelle ein.

Es war Montag. Mir ging es wieder besser, aber Lust auf Schule hatte ich trotzdem nicht. Verrückt, früher hatte ich die Schule gehasst und jetzt war ich Lehrer, hatte mich also dazu entschieden, für den Rest meines Lebens zur Schule gehen zu müssen. Am Nachmittag setzte ich mich schon ohne Adams ins Labor und fing an, erneute Tests zu machen. Irgendwie passten die Ergebnis nicht zusammen. Es ergab kein richtiges Bild. Adams ließ nicht lange auf sich warten. Keine halbe Stunde später machten wir zusammen weiter.

"Ich gebe auf! Es ist unmöglich", stöhnte sie und rieb sich die Augen, nachdem wir stundenlang Tränke gebraut, Experimente durch geführt und überlegt hatten.

"Aber es muss einen Zusammenhang haben." Ich sah zum hundertsten Male auf unsere Notizen und versuchte mir daraus ein Bild zusammen zu fügen. Es schien unmöglich.

"Mal was anderes: Die Hausaufgaben, die Sie uns gestellt haben, hab ich nicht verstanden. Wäre es möglich, dass Sie mir das noch mal erklären?" Sie betonte das Noch mal, zurecht, ich hatte diese Aufgabe in der Stunde schon dreimal erklärt.

"Meinetwegen... Ihre Aufgabe ist es, einen Trank zu finden, der gleiche Folgen wie der Imperius-Fluch hat. Falls Sie einen finden, erklären Sie wie er funktioniert, falls nicht, erklären Sie, warum es das nicht gibt", erkläre ich kurz. So schwer war es doch gar nicht.

"Aber so einen Trank gibt es nicht. Wie sollte-," Ich fiel ihr ins Wort:

"Und warum?"

"Na weil es verboten ist, Forschungen in diese Richtung anzustellen. Der Fluch ist immerhin nicht unbegründet einer der Unverzeihlichen", antworte sie.

"Na also, Hausaufgabe erledigt. Wenn Sie das jetzt noch aufschreiben."

"Und dafür geben Sie uns zwei Wochen Zeit?", verwirrt nahm sie eine Feder vom Tisch, riss sich ein erneutes Blatt vom Notizblock ab und schrieb ihre Antwort auf.

"Sie sollen lernen, nicht zu überdimensioniert zu denken. Sie sollen lernen, Sachen logisch zu schlussfolgern und nicht alles immer und überall nachzulesen. Das spart nicht nur Zeit, ist meistens sogar effektiver."

"Nicht Ihr Ernst?", fragte sie unglaubwürdig.

"Nicht wirklich. Das spart nicht nur Ihnen Zeit, sondern auch mir. Für alle, die jetzt anfangen, die ganze Bibliothek auf den Kopf zu stellen, die lernen wenigstens was. Auch wenn es nicht das logische Denken ist."

"Ich werde nicht so ganz schlau aus Ihnen. Warum noch mal?"

"Adams, es geht darum, dass ich zu wenig Zeit habe und sie mir damit verschaffe. Gleichzeitig kann ich damit Schüler ärgern. Der Lerneffekt war zwar weniger beabsichtigt, aber durchaus vorhanden", fasste ich zusammen. Etwas überfordert sah sie mich an, dann schüttelte sie langsam grinsend den Kopf.

"Typisch..."

"Tse", machte ich nur und wand mich unseren Notizen wieder zu.

"Aber klar!" Rief Adams keine fünf Minuten später.

"Was?"

"Ich hab's!" Schnell kritzelte sie alles in kryptischen Zeichen auf.

Der etwas andere 𝓛𝓲𝓮𝓫𝓮𝓼𝓽𝓻𝓪𝓷𝓴Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt