𝓣𝓮𝓲𝓵 𝟗

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"Was genau tun Sie da?" Fragte ich, nachdem ich mir das alles eine Weile angesehen hatte.

"Nicht überdimensionieren. Ich bin viel zu voreingenommen an die Sache dran gegangen. Ich war zu verwundert darüber, dass sich y nicht verdoppelt wenn sich x verdoppelt." Sie zog provisorisch eine Tabelle mit zwei Zeilen. Ganz oben links schrieb sie ein x hinein und öffnete dahinter eine Klammer. Sie schrieb Prozentanteil des Gifts im Blut hinein und schloss die Klammer wieder. Darunter fügte sie y (Milliliter Gegengift) hinzu. In das erste Feld rechts neben dem X schrieb sie 1% hinein. Darunter ließ sie eine Lücke und schrieb rechts davon weiter: 2%, 3%, 4%, und so weiter. Bei zehn hörte sie auf. Unter die zwei Prozent schrieb sie 97ml unter die 4% 144ml. "Ich bin von Anfang an davon ausgegangen, dass das hier proportional sein muss, aber genau das ist es nicht. Zieht man von beiden 50 Milliliter ab, so kommt man auf 47 und 94. 47 ist die Hälfte von 94. 2% ist die Hälfte von 4. Es ist so einfach, nicht proportional, sondern linear." Am Ende der Tabelle schrieb sie 0%=50ml. Langsam begann ich zu verstehen. "Für 1% benötigt man 73,5 Milliliter. Also 23,5 für 1% und 50 halt generell. Ganz einfach! Y gleich fünfzig plus x mal 23,5." Das schrieb sie ebenfalls auf. Ich brachte ein paar Sekunden, um zu realisieren, was das bedeutete und wie genau es funktionierte.

"Bemerkenswert, Adams. Damit hätte ich nicht gerechnet." Schnell rechnete ich aus, wie viel Gegengift ich und sie brauchen würden. Kam zu dem Schluss, dass sie 214,5 Milliliter benötigen würde und ich 261,5. Sie lächelte mich stolz an.

"Aber was passiert mit den 50 Milliliter auf 0%? Wofür und schadet das?", warf ich ein. Sie zuckte mit den Schulter.

"Das können wir morgen herausfinden. Ich geh jetzt erstmal schlafen, gute Nacht, Sir." Und schon stand sie auf.

"Die wünsche ich Ihnen auch." Dann drehte sie sich um und wollte gehen.

"Adams?", rief ich sie zurück. Tatsächlich blieb sie stehen und drehte sich zu mir um.

"Sie können stolz auf sich sein." Ich schenkte ihr eines meiner seltenen Lächeln. Sie lächelte verlegen zurück und ging dann endgültig.

Die nächsten Wochen hatten wir weitergearbeitet, aber nichts herausgefunden. Trotzdem wollten wir nicht aufgeben. Es war Freitag und wir hatten uns für nachmittags verabredet. Ich war wieder im Labor. Erst als es schon recht spät war, fiel mir auf, dass Admas nicht gekommen war. Hatte sie es vergessen? Eigentlich so gut wie unmöglich. Wir hatten uns jeden Tag getroffen. Ich machte mir keine großen Gedanken darum. Vielleicht hatte sie einfach viel zu tun.

Aber auch am Samstag und Sonntag kam sie nicht. So langsam machte es mich dann doch stutzig. Ich entschied mich aber, nicht nach ihr zu suchen, sondern sie morgen nach unserer Stunde Zaubertränke darauf anzusprechen. So machte ich es auch. Als die Stunde vorbei war, hielt ich Adams auf. Wir warteten schweigend, bis alle verschwunden waren, dann wand ich mich ihr zu. Erst jetzt fiel mir auf, wie müde und mitgenommen sie aussah. Ihre Augen waren gerötet, als hätte sie die ganzen letzten Tage geheult. Sie sah abwesend zu Boden.

"Wo waren Sie die letzten Tage über?" Sie reagierte erst sehr spät, sah auf und sah direkt wieder weg. "Geht's Ihnen nicht gut?", fragte ich dann besorgt. Irgendwie sah sie wirklich nicht gut aus und mich wollte das Gefühl nicht loslassen, dass sie über etwas reden wollte, es sich aber nicht traute. Sie schüttelte langsam den Kopf.

"Kann ich Ihnen helfen?"

"Kann ich heute Abend mit Ihnen sprechen, alleine?", fragte sie nach einer langen Pause in der sie regelrecht darum gekämpft hatte, diese Frage zustande zu bringen.

"Ja, ist zwanzig Uhr okay?" Sie nickte. Damit verließ sie mein Klassenzimmer.

Ich hatte mir den ganzen Tag über Gedanken um sie gemacht. Zwar würde ich in wenigen Minuten erfahren, was sie bedrückte, dennoch machte ich mir Sorgen. Warum wusste ich selbst nicht so genau. Pünktlich und kurz vor acht klopfte es leise. Ich öffnete einer schüchtern zu Boden blickenden Adams.

"Kommen Sie rein", forderte ich sie auf. Erst nach ein paar Sekunden folgte sie meinen Worten und trat ein. Ich blieb unschlüssig was ich tun sollte stehen und wartete auf ein Zeichen von ihr.

"Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich... war beschäftigt." Sie sah mich wieder an. Ich winkte ab.

"Worüber wollten Sie denn mit mir reden?", hackte ich etwas ungeduldig nach. Wieder brauchte sie Zeit, um zu antworten:

"Das letztens zwischen uns." Ich schluckte. Darüber wollte ich eigentlich nicht mehr sprechen. Es war ein Fehler gewesen. Außerdem wollte ich sie endlich aus meinen Gedanken und vor allem Träumen verbannen.

"Ich-" Sie brach ab, sah auf ihre zitternden Finger. Was hatte sie denn? So langsam wurde ich stutzig. Adams bekam ihre Finger auch nicht wieder beruhigt. So griff ich danach und hielt sie fest, sodass sie keine Chance hatten zu zittern. Endlich sah sie mich an.

"Beruhigen Sie sich", sagte ich leise. Sie nickte hektisch und atmete ein paar Mal tief durch.

"Ich bin schwanger", presste sie dann knapp hervor. Mir stockte der Atem. Ich wusste nicht, was ich sagen geschweige denn denken sollte. Diese Information schien halb bei mir angekommen zu sein, halb nicht. Einerseits verstand ich jetzt ihr Verhalten, andererseits war ich komplett mit dem Rest überfordert. Mir schwindelte etwas. "Sagen Sie was, bitte!", flehte Adams den Tränen nahe.

"Mh", machte ich nur, zu mehr war ich nicht fähig. Dann fügte ich: "Was nun?", hinzu. Ich war mehr als nur überfordert. Ich spürte wie ihre Finger an meinen wieder eifriger zitterten und wie ihr ganzer Körper anfing zu beben. Dann knickte sie ein und brach heulend zusammen. Sofort fing ich sie auf und hob sie hoch, um sie daraufhin in mein Bett legen zu können. Sie rollte sich weinend zusammen.

"Es macht alles kaputt!", schluchzte Adams. Ja, irgendwie schon. Mehr konnte ich grade nicht davon halten, dafür war ich zu überfordert. Mein Kopf produzierte jede Menge unnötigen Kram. Überfordert rieb ich mir die Augen und hielt sie danach geschlossen. Fast unmerklich nickte ich.

"Es ist... kompliziert", stammelte ich mehr zu mir selbst als zu ihr. Sie hörte es trotzdem und sah zu mir, wie ich vor dem Bett hockte, mir die Augen rieb und nicht mehr weiter wusste.

"Ja", schluchzte Adams wieder. Ich stand kurz entschloss auf und setzte mich neben sie aufs Bett. Ich legte meine Hand auf ihre Schulter und lenkte ihr Aufmerksamkeit auf mich. Sie sah auf. Ich sah sie einfach nur an und schon richtete sie sich auf und fiel mir um den Hals. Sich an meinem Umhang ausheulend hielt ich sie in meinen Armen fest.

Also, sie war schwanger, von mir. Das heißt, in weniger als einem Dreiviertel Jahr würden wir Eltern werden. Das kann ja was werden. Ich war bereits neununddreißig, außerdem hatte ich das nicht gewollt, eine Familie. Mehr konnte ich nicht denken. Immer wieder ging ich ein und das selbe durch, versuchte mich zu konzentrieren oder irgendwie eine Art Lösung zu finden, aber vergebens.

Der etwas andere 𝓛𝓲𝓮𝓫𝓮𝓼𝓽𝓻𝓪𝓷𝓴Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt