Chapter 6.2

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,,Messer?", fragt er erstaunt. ,,Ach das. Das muss ich hier letztens liegen gelassen haben. Einfach hier unten vergessen. Es gehört nach oben in die Küche. Ich habe es wohl ausversehen nach dem letzten Mal kochen mitgenommen. Wieso?" ,,Ach nur so",wispere ich und schaue zu Boden. ,,Okay, wenn wir dann jetzt fertig sind?!" ,,Äh ja." Wir gehen hoch und nehmen noch ein paar Brote und ähnliche Kleinigkeiten mit. Mit erfrischenden Gedanken muss ich erstmal tief durchatmen. Bis eben konnte ich den Traum erfolgreich verdrängen, aber im Keller hat alles ausgesetzt. Ich konnte einfach nicht mehr. Jetzt bestätigt es sich, dass es ein total absurder Traum ohne Wirklichkeit gewesen ist. - Ein Glück! Jedenfalls kann ich jetzt den restlichen Nachmittag ohne Hintergedanken genießen. Vom Haus führen hinten zwei Wege in den Wald. Letztes Mal sind wir dem linken Weg gefolgt. Diesmal benutzen wir den rechten. Wir gehen den Pfad entlang und sind schließlich da. Der See ist überraschend sauber und rein. Man kann sogar durch das Wasser auf den Boden blicken. ,,Oh wie schön! Warum hatten wir nochmal den anderen Weg genommen?" Ich sehe mich um, drehe und winde mich begeistert zu allen Seiten, damit ich auch alles hier sehen kann. ,,Weil wir da zur Wiese wollten, nicht hier zum See!", ruft er lächelnd, während wir uns ein paar Meter vom See entfernt ausbreiten und er beide Decken aufeinander schlägt. Darauf der Picknickkorb und die verschließbaren Plastikbecher für die Cola. Die Zeit vergeht schnell und wir reden und reden und lachen viel. Irgendwann sind wir auch fertig mit dem Essen und ich frage spaßeshalber, ob man hier noch was anderes machen könnte, als essen und herumzusitzen. Auf einmal zieht er sein Shirt aus und sagt: ,,Okay, komm mit!" Ohje, sein Oberkörper. Oh mein Gott.
Er nimmt schnell meine Hand und zieht mich mit. Ich habe keinen Plan was das werden soll. ,,Was hast du vor?", schreie ich während er immer noch rennt. Geradeaus auf den See zu. Jedoch antwortet er nicht, sondern rennt weiter. Plötzlich springt er, und zwar mitten in den See - mit mir im Schlepptau. Ich kann mich so schnell nicht zurück halten und falle mit ihm ins warme Wasser. Nun waren wir beide nass. Ich pruste los. Da mein Shirt rosa ist, wird es geradezu durchsichtig, aber das ist mir egal, denn ich kann es ja sowieso nicht ändern. Er muss auch immer noch total laut und aus vollem Halse lachen... Ich wusste ja, dass Tyler ein sehr spontaner Mensch ist, aber das habe ich nun wirklich nicht erwartet. Meine ganze Kleidung ist durchnässt. Seine Hose auch, aber man sieht nichts. Aber das was ich sehe, ist kaum zu fassen. Vor mir steht Tyler Bendson, ein braun - gebrannter Oberkörper mit einem ausgeprägten Sixpack. Außerdem sind seine Arme wirklich so breit, wie sie vorher schon aussahen. Wirkich unglaublich. Ich habe so jemanden noch nie so nah vor mir gehabt, deswegen bin ich auch so beeindruckt. Insgesamt hat er einen sehr beeindruckend durchtrainierten Körper.
Und das soll alles vom Fussball kommen?
Ich starre ihn immer noch an, bis er mich ins Wasser stößt. Ich tauche kurz unter und schnappe dann nach Luft, als ich wieder an die Oberfläche komme. Ein Glück ist dieser See nicht allzu tief. Die Wasserschlacht beginnt. Ganz klassisch mit nass spritzen und weg stoßen, dabei müssen wir nur noch mehr lachen. Und irgendwann falle ich nur noch von dem vielen Lachen um.

Doch ich lande nicht im Wasser, sondern in Tylers Händen. Er hält mich ernsthaft in der Luft. So stellt er mich wieder aufrecht hin, ich sehe ihm tief in die Augen und frage mich insgeheim wie er mich so offensichtlich leicht halten kann. Und ich bin nicht dick, aber auch nicht untergewichtig, ich wiege auch was. Aber für ihn scheint das rein gar kein Problem zu sein. Als wenn ich so schwer wie eine Feder sein würde, hält er mich in seinen starken Armen.
,,Danke", sage ich leise und bin völlig verblüfft über diese, für mich, besondere Situation.
Wie schnell er gehandelt hat, um mich aufzufangen.
Auf einmal packt er mich an den Hüften und blickt mir ebenfalls in die Augen. Direkter Augenkontakt ist das beste. Er zieht mich an sich, streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nimmt mein Gesicht in seine großen Hände und nähert sich mir. Die Augen immer noch auf mich gerichtet.
Nun lächelt er und schließt langsam die Lücke zwischen uns. Ich schließe die Augen und schon berühren sich unsere Lippen und wir verschmelzen zu einem. Seine Lippen schmecken süßlich und sind außerordentlich weich. Einen so innigen Kuss hätte ich mir nie erträumen können. Dieser wunderschöne, erste Kuss soll und will nicht beendet werden.
Als er nun doch von uns beiden beendet wird und wir und erneut in die Augen blicken, weiche ich zuerst seinem Blick aus und bin sprachlos, aber dann sehe ich ihn wieder an und sehe pure Liebe in seinen Augen widerspiegeln.
Er lässt mein Gesicht los und wartet auf eine Antwort von mir. Aber ich kann nicht mehr sagen als: ,,Wow..." Ich bin aufgewühlt, muss meine Gefühle sortieren, obwohl ich genau weiß, dass ich mich jetzt offiziell in ihn verliebt habe. Aber woher weiß ich, dass er mich auch liebt? Das beweist der Kuss ja nicht unbedingt.
Jetzt warte ich auf eine Antwort.
,,Wow?", wiederholt er mich und lächelt. ,,Also... findest du das gut? Das zwischen uns beiden?" Er grinst und ist offenbar genauso glücklich über das Geschehen wie ich. ,,Das zwischen uns beiden?" Ich grinse zurück und imitiere jetzt ihn. ,,Ja, das alles hier. Die Atmosphäre... der Kuss und dieses hörbare Knistern, du hörst es doch auch, oder?" Ich kichert bei diesem doch so unwitzigem Witz, aber er behält recht. Es knistert zwischen uns, aber laut meinem Gefühl ist das schon länger so, nur nach diesem wundervollem Kuss verstärkter. ,,Mhm, ja. Ich höre das auch!", stimme ich zu und lache, wobei ich jetzt fühle, dass er es ernst zu meinen scheint und ich nicht glaube, dass er mich einfach so aus Langeweile geküsst hat.
,,Willst du das denn? Also das mit uns?" Er spricht meine Gedanken aus. Ich nicke, übereifrig zu zeigen, dass ich das alles sehr wohl möchte und schon lange auf diesen einen Moment gewartet habe.
,,Ich habe schon lange auf diesen besonderen Moment gewartet, Jess. Wusste nur nie richtig, wann es an der Zeit war, dir zu offenbaren, dass ich mich in dich verknallt habe. Aber ich schätze, das wusstest du?" Ich hatte es gehofft. Hatte immer gehofft, dass er meine Gefühle erwidern wird und nun bin ich mir sicher, dass es so ist. Schon allein, weil er mir jetzt seine Gefühle für mich gestanden hat. Das erfordert viel Mut meiner Meinung nach. Also gebe ich mich geschlagen und fange auch an, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. ,,Weißt du Tyler, als du mich das erste mal richtig angesprochen hast, vor einer Woche auf meiner Veranda, hätte ich nie damit gerechnet, dass wir zusammen soweit kommen und jetzt-" Ich kann meinen Satz nicht beenden, da will er es tun. ,,Und jetzt haben wir uns geküsst? Wolltest du das damit sagen?" Ich bin das erste mal nach längerer Zeit mal wieder nervös, aber wer wäre es in dieser Situation nicht?
Wir stehen da, nah aneinander und reden weiter. Offenbaren uns unsere Gefühle und ich kann unmöglich sagen, wie glücklich ich in diesem Moment bin. In diesem Moment der Stille, in diesem Moment, wo alles ans Licht kommt und ich mich ab nun nicht mehr verstecken muss.
,,Ja wollte ich, aber...", ich zögere, weiß nicht wie ich es ausdrücken soll, dass ich mir unsicher bin, wie es mit einer Beziehung aussieht.
Er liest scheinbar in meinen Augen und legt meinen Kopf an seine Brust während er sagt: ,,Mach dir keine Sorgen, das wird alles noch. Wenn wir erstmal richtig in der Routine sind, wird alles normal. Und du brauchst nicht ganz so aufgeregt zu sein, Jess." Ich schaue ihn verwundert an. ,,Was? Dachtest du etwa ich hätte nie gemerkt, wie du in meiner Gegenwart warst?" Er lacht und legt meinen Kopf wieder an seinen Platz. ,,Auch wenn uns unsere Gefühle gesteuert haben mögen, habe ich sehr wohl gemerkt wie aufgebracht du immer warst, wenn ich dir näher gekommen bin. Und glaub mir, mir ging es nicht anders, doch ich glaube, wir Jungs können das besser verbergen, was sie für ein Mädchen empfinden. Auch wenn es mir bei dir echt schwer gefallen ist. Jess, beruhig dich jetzt erstmal und ich weiß ja jetzt Bescheid und ich weiß, dass du es ernst meinst, so wie ich." Und als er das sagt kann ich nicht anders, als mich von seiner warmen Brust zu erheben und meine Arme um ihn zu schlingen. Seine Hände finden meine Hüften erneut und diesmal ziehe ich ihn an mich und flüstere: ,,Ja, jetzt weißt du Bescheid und wir spielen mit offenen Karten, also lass uns das Spiel beginnen." Und mit dem Spiel meine ich keinesfalls irgendein abgedrehtes Brettspiel, wo es um Liebe geht, nein das war anders gemeint. Und ich meine es so, indem ich es darstelle, ich küsse ihn erneut.
Wieder bekomme ich einen so vollendeten Kuss, dass mich seine Wärme durchdringt und seine sprudelnde Energie auf mich übertritt. Er übertrifft sich selbst mit diesem perfekten zweiten Kuss, der nicht besser hätte sein können.
Und schließlich bin ich der glücklichste Mensch auf erden.

the neighborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt