Lexa hat die Verbindung nicht Kommen sehen

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Lexa betritt den langen Saal, wo sie die Unterredung mit Skaikru erwartet. Sie hat mitbekommen, was vorgefallen ist, und nun ist ihr Handeln als Commander gefragt und für Lexa gilt es Stärke zu zeigen und ihr Volk an erste Stelle zu setzen. Es gilt die alten Traditionen zu bewahren, diese müssen in jedem Fall beachtet und eingehalten werden.

Lexa nimmt Clarke wahr, sobald sie den ersten Fußtritt über die Türschwelle setzt. Sie kann die Anwesenheit der Blonden spüren und es fühlt sich an, wie tausend kleine Atome die in ihrem eigenen Körper aufgeregt hüpfen und dabei verkünden ---da drüben Lexa, da drüben ist ein Teil von uns, lass uns hingehen!

Die blonde Frau ist aufgewacht. Natürlich ist sie das. Die Präsenz der Frau ist für Lexa so überwältigend. Lexa hat das nicht wissen können, dass es so sein wird. Sie konnte das nicht kommen sehen.

Die Blonde, welche so stark gegen ihre Krankheit gekämpft hat, steht dort drüben im Durchgang zusammen mit ihrer Mutter und es kostet Lexa in dieser Sekunde wirklich alles, nicht den Kopf zur Seite zu drehen und sie anzusehen. Es kostet sie alles, nicht zu ihr zu eilen und die Frau zu begrüßen und ihre Anwesenheit vollkommen in sich aufzusaugen. Stattdessen läuft Lexa den Saal an der Fensterseite entlang, eines ist geöffnet und sie ist froh, als ihr ein Windstoß von klarer Luft entgegenkommt. Hoffentlich sorgt die Kühle für etwas Vernunft. Lexa atmet vorsorglich etwas tiefer ein. Sie darf sich nicht ablenken lassen, selbst wenn ihr Herzschlag sich verdoppelt, bei der Aussicht, das sie Clarke nun womöglich gleich kennenlernen wird. Gleich werden sie sich begegnen und dieses Mal wird es nicht durch Fieberträume und Delirium beherrscht sein. Clarke wird dabei wach sein, die Augen weit geöffnet und sie werden sich erstmals bewusst ansehen. Ihre Blicke werden sich kreuzen und Lexa kommt nicht ohne hin sich zu fragen, welche Blautöne die Augen für sie bereit halten.

Dieses Blau – kann es wirklich sein? Niemals mehr gab es einen Menschen mit blauen Augen auf der Erde. Blaue Augen besitzen weniger Pigmente. Aber je mehr Pigmente in den Augen bedeutet mehr Schutz vor der Radioaktivität, deshalb wurde seit vielen vielen Jahren kein Baby mehr auf der Erde mit blauen Augen geboren. Lexas Augen sind grün, das ist schon eine Seltenheit, aber grüne Augen existieren, ganz im Gegensatz zu blauen. Lexa gibt es nur schwer zu, aber sie ist hin und weg. Niemals zuvor, hat sie ein Mensch so fasziniert. Von der ersten Sekunde an, als sie Clarke dort liegen und gegen ihre Krankheit kämpfen sah, hat sie nicht wegsehen können.

Lexa schüttelt ihre Gedanken fort. Sie hat den Saal als Commander betreten und hat damit eine Aufgabe zu erfüllen. Sie ist jetzt an der Tafel angekommen und dann plötzlich -- plötzlich bricht die Verbindung ab. Einfach so, stoppt das Vibrieren in ihrem Körper, das sie vernommen hat, sobald sie den Saal betreten hat. Ihr Körper kühlt minimal ab und Lexa lauscht tief in sich hinein, doch da ist nichts mehr. Die Verbindung scheint gebrochen.

Lexa kommt nicht dazu, so etwas wie, ja was Lexa, etwa Enttäuschung zu empfinden? Im selben Moment wird sie von ihren Leuten gegrüßt, die aufstehen und laut, „Heda," rufen.

Lexa nickt ihnen zu und dann taucht Abby auf, die zu ihren Platz zurückeilt. Sie ist alleine – ohne ihrer Tochter. Lexa versteht. Sie beißt sich auf die Innenseite ihrer Lippe, widersteht damit den Drang, zu dem kleinen Durchgang zu sehen. Lexa weiß auch so, dass die blonde Schönheit verschwunden ist.

Keine weitere Ablenkung mehr schalt Lexa sich, das hier ist wichtiger. Ein Wink mit dem Kopf zu Indra reicht und diese gibt eine kurze Zusammenfassung, was Lexa verpasst hat.

Lexa hört zu, doch als Indra bewusst in die Sprache der Skaikru wechselt und dann Beschuldigungen auf diese abfeuert, wird es Laut im Saal. Andere fallen mit ihr ein und Skaikru versucht, sich zu wehren, auch wenn sie anfangs versuchen, noch Ruhe zu bewahren. Irgendwann wird es Lexa zu bunt. Es reicht. Sie hebt die Hand und macht dem ein Ende.

„Quiet now."

Lexa spricht harsch und Indra gehorcht. Sie schluckt die restlichen Worte hinab und widerspricht ihr nicht. Sie mag zwar nicht wissen, wann genug ist, aber wenigstens hört sie darauf, wenn Lexa ihr signalisiert, wann der Zeitpunkt gekommen ist und ihr Einhalt gibt.

Es sind unruhigen Zeiten für Lexa als Commander. Die Koalition bröckelt, die Mountain men, eine ständige Gefahr, doch egal, was passiert, immer wieder schafft sie es, ihr Volk unter Kontrolle zu bekommen. So wird es auch dieses Mal sein. Die Regeln sind dabei das wichtigste. Sie sind unerlässlich und Skaikru muss akzeptieren und den Schuldigen ausliefern. Abby scheint das auch zu verstehen. Sie blieb bisher ruhig und Lexa spricht sie direkt an.

„Abby," sagt Lexa und legt die gefalteten Hände auf den Tisch. Die Braunhaarige erwidert ihren Blick. Irgendetwas an ihr ist anders. Sie wirkt weniger gehetzt als, Lexa sie zuletzt gesehen hat, weniger verzweifelt und da ist ein Funke in ihren Augen. Sie wirkt selbstsicher, als hätte sie neue Kraft in sich. Natürlich. Clarke -- ihr Kind ist aufgewacht. Abby muss deswegen überglücklich sein.

„Lexa," erwidert Abby, mehr nicht.

„Die Zeit ist gekommen, Abby. Unser Volk wartet auf eine Antwort. Wird es Krieg oder Frieden geben?"

„Frieden," antwortet Abby und Lexa atmet schon auf, doch Abby schluckt und spricht dann ruhig fort, „aber wir haben eine Bedingung durchzusetzen, wegen Finn."

Ein Raunen geht durch die Reihen. Wieder sind es ihre eigenen Leute, die ungehalten sind. Lexa weiß wie dünn dieses Band zwischen Skaikru und ihrem Volk ist, wie ablehnend und voll von Vorurteilen. Andere Völker, bedeutet immer Ärger und Krieg. Sie wurden in der Vergangenheit beraubt und überfallen, haben viele Schlachten geführt. Ihr Volk ist harsch und misstrauisch geworden und lange sind sie nicht mehr auf ein Volk gestoßen, das annähernd so zivilisiert scheint wie diese Skaikru. Und diese werden auch bald verstehen, dass ein Leben auf der Erde nur möglich ist, wenn sie sich ihren Grundsätzen anschließen. Damit hat ihr Volk überlebt.

„Es gibt keine Bedingungen. Die Sache ist nicht verhandelbar, das haben dir meine Leute bereits gesagt, ich werde nicht anders entscheiden, nur weil ihr heute in meinem Haus seid."

„Lexa, bitte. Wir wollen keinen Krieg. Wir erkennen an, dass Finn schuldig ist, aber wir möchten das Urteil selbst fällen -- von unseren Leuten. Der Junge muss eben so angehört werden und dann entscheiden wir. So etwas nennt man Rechtssprechung oder Justiz, dabei werden alle Aspekte angehört und dann ein Urteil gefällt. Das ist nur gerecht."

Lexa hat davon gehört. Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit. Schwachsinn. Lexa schnaubt. „Es gibt keine Gerechtigkeit Abby. Das ist eine veraltete Art zu denken." Lexa kann nicht glauben, dass diese Volk daran glaubt, vielleicht sind sie doch nicht so fortschrittlich wie sie denken. „Der eine wird reich geboren, der andere arm, der eine ist krank, der andere gesund, der Blitz trifft sein Haus aber deines wird verschont. Wo ist da die Gerechtigkeit? Ich sage es dir, weil es sie nicht gibt. Doch es gibt Fairness. Wir gehen fair miteinander um und halten Traditionen, die darauf beruhen. Wenn du ein Leben nimmst, wird deins genommen, das ist fair. Blut verlangt nach Blut, so einfach ist das."

Abby wird rot im Gesicht. Sie begreift. Sie ist schlau und sie weiß, das Lexa recht hat. Wo ist die Gerechtigkeit, dass einige ihrer Patienten sterben und andere nicht, wird sie sich fragen. Wo war die Gerechtigkeit, als ihre Tochter krank wurde. Ist es gerecht, wenn das eigene Kind sterben muss? Sicher nicht. Doch Lexa bot ihr einen fairen Deal an. „Was sagst du Abby, ich gebe dir etwas, du gibst mir etwas. Haben wir einen Deal?" Ja, Abby versteht den Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Fairness.

Abby bleibt still und so fährt Lexa zufrieden fort. „Es gibt keine weitere Verhandlung Abby. Finn ist schuldig. Wenn ihr ihn nicht bis heute um Mitternacht ausliefert, haben wir Krieg."

„Dann wirst du das meiner Tochter ins Gesicht sagen müssen," sagt Abby mit plötzlichem Feuer in der Stimme und steht auf.

„Was meinst du damit?" , fragt Lexa gerade hinaus.

„Finn und meine Tochter Clarke gehören zusammen, Lexa," antwortet Abby und da ist dieser Ton in ihrer Stimme. Lexa kapiert noch immer nicht.

Abby lächelt, aber es ist falsch. „Finn ist Clarkes Freund, die beiden sind ein Paar und Clarke wird nicht hinnehmen, wenn du die Liebe ihres Lebens tötest. Sie wird dich hassen bis ans Ende all ihrer Tage. Du wirst meiner Tochter erklären müssen, wie fair das ist." Abby nimmt das letzte Worte mit sich, dann dreht sie sich um und geht fort.

Lexa kann ihr nur nachstarren.

***

Clarke löst sich aus der Umarmung mit Raven. Ihre Freundin braucht eine Weile, bis sie davon überzeugt ist, dass es Clarke gut geht. Doch Clarke hat nicht viel Zeit und kommt zur Sache. „Wie geht es Finn? Ich muss mit ihm sprechen," drängt Clarke.

„Körperlich geht es ihm gut, aber er ist verunsichert und er hat Angst. Wir haben ihn versteckt, denn einige unserer eigenen Leute wollen ihn ausliefern," erklärt Raven aufgebracht.

Das beunruhigt auch Clarke. „Bring mich zu ihm," sagt sie und Raven packt sie augenblicklich am Arm.

Sie laufen durch den Wald, in eine Richtung, die bisher noch nicht als Freigeben gilt. Aber Clarke hat lange geschlafen und sie vertraut auf Raven, das diese weiß, was sie tut und das keine Gefahr droht. Sie huschen durch den dichten Wald und Äste knacken unter ihren Füßen und Spinnweben landen in ihrem Gesicht. Die Dunkelheit bricht in diesem Dickicht noch schneller herein und im Zwielicht werden Äste zu Schlangen und Baumstämme zu Monstern. „Es ist nicht mehr weit," sagt Raven, als sie Clarkes Beklemmung bemerkt.

Wenig später kommen sie vor einem alten Bunker zum Stehen. Raven öffnet diesen routiniert und dort unten finden sie Finn zusammengekauert auf den Boden.

„Finn," ruft Clarke und sein Kopf fährt so schnell auf und etwas Leben fährt in sein Gesicht.

„Clarke. Clarke du bist es wirklich?"

„Ich lass euch einen Moment allein," sagt Raven und dann fällt die Türe des Bunkers zu. Es wird noch dunkler, bis Clarke die weit abgebrannte Kerze bemerkt und Finns Augen haben im schwachen Lichtschein dunkle Schatten darunter und schimmern wässrig.

Finn ist in ihren Armen und weint.

„Clarke. Clarke," sagt er immer wieder und er macht sich klein in ihren Armen und er wirkt wie ein Häufchen Elend und Clarkes Herz öffnet sich weit für ihn.

Clarke streicht ihm beruhigend über den Rücken. Einen langen Moment bleiben sie so und Clarke bemerkt den vertrauten Geruch. Normalerweise ist es umgekehrt, denkt sie. Normalerweise ist es Clarke, die Trost in seinen starken Armen sucht. Meist sind es Dinge, die sie ärgern, dass sie die Note zwei anstatt einer Eins in Strategie erhalten hat. Als sie die Uhr ihres Vaters verlegt hat und zwei Tage untröstlich war, bis diese in der Bettritze wieder aufgetaucht ist. Wie weit weg das auf ein Mal liegt. Sie haben im Augenblick ganz andere Probleme.

Finn tastet sie ab, dann nimmt er ihr Gesicht in die Hände und küsst es überall.

„Ich dachte, ich sehe dich vielleicht nie wieder. Ich hab mich so um dich gesorgt."

Clarke nickt und sie lässt ihn sprechen, lässt ihn sagen, was er sagen muss. „Ich bin hier," sagt sie nur, „mir geht es gut."

„Dieser Grounder, er war über dir und ich dachte. Clarke ich dachte, er würde dir was antun. Ich wollte ihn nicht töten, aber ich konnte nicht mehr klar denken, bei dem Gedanken, das er dir hätte wehtun können. Er sah so unheimlich aus. Clarke, ich wollte das nicht. Ich hab es nur für dich getan. Ich hab dich beschützt, Clarke."

Finn weint, seine Augen sind riesig während er ihren Namen tausend Mal wiederholt und das Geschehene sich von der Seele spricht.

Clarke weint mit ihm. Sie weiß, wie sehr er sie liebt. Und sie weiß, welchen Beschützerinstinkt er hat und sie weiß um seine Eifersucht. Clarke fühlt sich schuldig. Nicht das sie etwas hätte tun können, sie kann nichts dafür, dass sie krank geworden ist, aber würde sie ihn auch nur so lieben, dann könnte sie vielleicht verstehen, was er getan hat.

„Finn, hör mir zu. Wir werden den Commander umstimmen. Der Rat ist gerade dort und Abby versucht, eine Lösung zu finden."

Finn nickt, aber es sieht nicht so aus, als würde er hören, was Clarke ihm sagt. Seine Augen sind blutunterlaufen, er sieht aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen.

„Ich liebe dich so sehr," sagt er und Clarke läuft eine Gänsehaut über den Rücken.

„Ich dachte, er tötet dich. Es war Notwehr Clarke. Ich hab es nur getan, um dich zu beschützen." Finn weint noch mehr, bis er erschöpft zusammenbricht.

Clarke fühlt sich schuldig. Sie kann nicht anders, dieses Gefühl ruht tief in ihr und dort war es immer schon. Sie hebt ihn auf und drück ihn an sich.

„Versuch zu schlafen," sagt Clarke, weil sie weiß, dass jetzt nichts anderes hilft.

Sie sitzen beide am Boden und Clarke drückt seinen Kopf an ihre Schulter. Sie streichelt ihn behutsam. Er beruhigt sich ein wenig, so wie er es immer tut, wenn Clarke nahe beim ihm ist.

Clarke vergisst Raum und Zeit. Die Kerze ist beinahe abgebrannt, dann öffnet sich die Türe.

Abby tritt ein.

Sie blickt kurz auf Finn und dann zu Clarke.

Clarke erkennt Kummer darin und dennoch bleibt sie voller Hoffnung.

„Hast du etwas beim Commander erreicht?"

„Es tut mir leid, Schatz. Wir müssen Finn bis Mitternacht ausliefern. Es ist nicht verhandelbar."

Clarke sieht in die Ferne. In ihrem Bauch rumort es, doch sie wird dies nicht akzeptieren. Dann trifft Clarke eine Entscheidung.

„Werden wir nicht. Ich werde selbst zum Commander gehen," entgegnet sie voller Entschlossenheit.

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Anmerkung:

Im nächsten Kapitel begegnen sie sich endlich richtig von Angesicht zu Angesicht. Versprochen!

Was denkt ihr, was dann passieren wird? :-))))

Ein Teil von ihrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt