Das Etwas, auf dem ich gelandet war, entpuppte sich als alter Sack auf einem Pferd. Durch die Wucht meines Aufpralls wurde der Typ vom Pferd geschleudert. Das Pferd galloppierte panisch über den nächsten Hügel und verschwand.
Ich rollte mich von dem alten Mann herunten und rappelte mich auf. Wie durch ein Wunder schien ich mir nichts gebrochen zu haben. Vielleicht hatte ich ein paar blaue Flecken abgekriegt, mehr aber definitiv nicht. Mein Blick viel auf den Opa, der sich jetzt auch aufrichtete. Er trug einen grauen, ranzig aussehenden Mantel. Seinen komischen Hut, den er beim Sturz vom Pferd verloren hatte, setzte er jetzt wieder auf. Der Kerl sah aus, als wäre er geradewegs aus einem Märchenbuch gehopst.
"Sorry! Das tut mir echt leid, dass ich Sie so erschlagen hab... alles okay bei Ihnen?", fragte ich nach. Der Mann sah mit einem komischen Blick zu mir herunter. "Mir geht es gut, falls du danach fragen wolltest.", antwortete er. Der Mann sah mich ziemlich komisch an. "Wie kommt es, dass du vom Himmel gefallen bist, Kind?", fragte er dann.
Unter normalen Umständen hätte ich sofort protestiert und mich darüber aufgeregt, als Kind bezeichnet zu werden. Da aber alles hier gerade sehr weit von normalen Umständen entfernt war, ließ ich das bleiben. Noch dazu hatte der Weihnachtsmann in grau vor mir die Frage so gestellt, als würden ihm täglich 17-Jährige auf den Kopf fallen. Der Typ wurde mir immer suspekter.
"Das... äääh... kann ich irgendwie auch nicht so ganz erklären...", stammelte ich, "Ich bin in einen Gulli gefallen und dann... dann bin ich auf Ihnen gelandet.", damit war mein armseliger Erklärungsversuch beendet. Wenn der Kerl mich jetzt nicht für verrückt hielt, dann war er selbst verrückt. "Aha.", war sein einziger Kommentar dazu.
Was zur Hölle ging hier ab? Lag ich gerade mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung in der Kanalisation, ertrank langsam in Exkrementen und träumte irgendwelchen Scheiß? Hatte ich eine Psychose? Oder war beides gleichzeitig der Fall?
Ich war noch nie in meinem Leben so verwirrt gewesen. Im Moment fiel mir nichts besseres ein, also fragte ich den Mann einfach: "Können Sie mir sagen, wo ich hier bin?" Er schien zu überlegen, ob er mir antworten sollte. "Kurz vor Froschmoorstetten.", sagte er schließlich. "Bitte wo?", fragte ich noch ein mal.
Frosch-was? Davon hatte ich noch nie gehört. Es hätte mich nicht gewundert, wenn dieses Froschmoor-irgendwas ein Arsch-der-Welt-Dorf in Niederbayern gewesen wäre. Aber wie zur Hölle sollte ich nach Niederbayern kommen? Der Gedanke der Gehirnerschütterung erschien mir immer logischer.
"Im Auenland junge Dame. Kurz vor Froschmoorstetten.", wiederholte der Mann ruhig. Auenland? Lag das nicht in Thüringen? Ich war noch nie in meinem ganzen Leben so verwirrt gewesen wie ich es jetzt in diesem Moment war. "Auenland? Wo genau ist das?", fragte ich weiter. Das erste mal in meinem Leben ärgerte ich mich darüber, in Geographie nicht aufgepasst zu haben.
Aus unerfindlichen Gründen schien der Mann nicht im geringsten genervt zu sein. Er war noch immer die Ruhe selbst. "Neben Minhiriath.", erklärte er. Davon hatte ich ebenfalls noch nie gehört. "Es tut mir wirklich leid Sir, aber von Minirat hab ich auch noch nie gehört...", ich schaut peinlich berührt auf den Boden. Ich kam mir wirklich dumm vor.
"Das ist doch kein Problem. Wir alle vergessen manchmal, wo wir sind.", der Mann sah mich mit einem leicht mitleidigen Blick an, "Wir sind hier in Mittelerde, im Auenland.", erklärte er ein weiteres mal.
Mir fiel die Kinnlade runter. Hatte der Kerl gerade allen Ernstes Mittelerde gesagt? MITTELERDE?! Mittelerde, sowie in ein Haufen Zwerge tritt einem Drachen in den Arsch? Jetzt war ich mir sicher, dass ich es hier mit einer ausgewachsenen Psychose zu tun hatte. Mittelerde... das war doch nicht möglich! Ich musste mir den Kopf wirklich hart angeschlagen haben.
"Geht es dir gut? Du siehst etwas blass aus.", jetzt sah der Mann ein wenig besorgt aus. Wohl zurecht, denn mir wurde tatsächlich etwas schwindlig. "Es geht schon... ich muss mich nur mal kurz hinsetzen.", damit ließ ich mich ins Gras fallen.
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Wie ich in einen Gulli fiel und in Mittelerde landete
FanfictionFreitag Nachmittag, die Schule ist aus und natürlich will Hildegard sofort nach Hause. Mit ihren Gedanken ist sie schon in ihrem neuen Buch... so kommt es auch, dass sie einen offenen Gullideckel übersieht und geradewegs hineinstolpert. Aber anstatt...