Prolog

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♠Heya♠

"Irgendwas stimmt mit dem blöden E-Mail-Server nicht", höre ich Dustin von seinem Büro fluchen und ich fürchte, das 'Irgendwas' ist schlimmer als mir lieb ist, denn Dustin flucht nicht. Nie. Bevor ich mich aufrappeln und zu ihm rüber gehen kann stürmt er auch schon durch die offene Durchgangstür unserer Büros und auf mich zu.

"Mein Postfach ist leer", schimpft er und ich denke - ist doch schön. Aber als ich was ähnliches äußere, schüttelt er nur aufgebracht mit dem Kopf, während er sich auf meinen Schoß schiebt und nach meiner Maus greift. "Das ist nicht witzig!" Ich nutze die Gelegenheit, meine Arme um seinen Bauch zu schlingen und meinen Kopf auf seinem Rücken abzulegen, während er mit schnellen Klicks mein E-Mail-Programm öffnet um zu sehen, ob ich dasselbe Problem habe. Doch statt ein leeres Postfach fängt mein Programm an, neue Mails anzukündigen und Zeilen über Zeilen neuer Eingänge in mein Postfach zu laden.

"Sie haben 1.357 ungelesene Mails", erfahre ich schließlich mit einem Pling und zucke zusammen, aber Dustin entspannt sich etwas auf meinem Schoß und das ist ansteckend. "Gottseidank, es scheint nur ein Umleitungsproblem zu geben. Aber mit etwas Glück ist nichts verloren gegangen." Ich genieße einfach eine Weile seine Wärme und Nähe und überlasse es ihm, unseren Computertechniker anzurufen und ihm von dem Problem zu erzählen. Ich schließe die Augen und ich fürchte, ich bin ein wenig eingenickt, denn plötzlich spüre ich, wie sich mein Schnuffelstück langsam aber unaufhaltsam aus meinem festen Griff befreit. "Heya, lass mich los. Ich muss zurück in mein Büro und das Mailprogramm zumachen, damit Zander sich darum kümmern kann."

Seufzend gebe ich ihn frei und erhalte für meine Dramatik einen sanften, warmen und leider viel zu kurzen Kuss. Bevor ich meine Arme erneut um ihn schlingen kann, springt er aus meiner Reichweite und zieht sich lachend in sein Büro zurück. Mit der Anweisung, meinen Computer nicht anzufassen, bis ich das Okay von Zander bekomme, mache ich mich auf den Weg zu Enrico, um mir eine gute Tasse Café und vielleicht eins der Pastetchen zu gönnen, die ich so lieben gelernt habe. Wisst ihr, was das Beste an denen ist? Die schmecken auch am nächsten Tag noch sau lecker, egal ob kalt oder in der Mikrowelle kurz aufgewärmt. Natürlich finde ich Phedoka dort, natürlich hat sie eine Tasse Pfefferminzschokolade vor sich und natürlich ist sie tief in ein Gespräch mit Enrico verstrickt. Ich setze mich einfach auf den Barhocker neben sie und warte, bis man mich bemerkt.

"Heya, das übliche?", fragt Enrico und besorgt es mir auf mein Nicken hin. Phe wiggelt schon wieder unruhig auf ihrem Stuhl herum. "Hast du mal überlegt, dass du größer wärst, wenn du dir deine Beine nicht andauernd so ablaufen würdest?", necke ich sie und sie lacht. "Kann ja nicht jeder so groß und faul sein wie du", schießt sie zurück und ich nicke nur. Was recht ist, muss recht bleiben. Wir necken uns noch eine Weile, bis unsere Handys plingen und uns mitteilen, dass das Problem mit den Mails behoben ist und wir weiterarbeiten können. "Hatten wir ein Problem mit den Mails?" Ich lache erneut auf und winke ab, als Phe mich neugierig anstarrt. Genüsslich beenden wir unser Zwischenfrühstück, bevor wir Enrico dankbar zu winken und uns dann in unterschiedliche Richtungen davon machen. Phe, um erneut durch das Resort zu streifen und ich, um in mein Büro zurückzukehren.

Zögerlich öffne ich mein E-Mail-Programm erneut, nachdem ich den Rechner auf Anweisung neu gestartet habe, und bin erleichtert, dass sich die Mails auf 250 reduziert haben. Die Neueste ist von Zander, der sich bei mir dafür entschuldigt, dass er zwar versucht hat, alles wieder in die richtigen Postfächer zu sortieren, aber nicht hundertprozentig erfolgreich war und ich daher bitte alle Mails genau prüfen und ggf. noch manuell an die entsprechenden Empfänger weiterleiten soll. Wie es aussieht sind tatsächlich alle Mails an geändert worden und die tatsächlichen Empfänger in unserem Hause gingen verloren. Ich danke Zander für die schnelle Lösung des Problems und bitte ihn, den Fehler zu finden und auszumerzen, bevor ich mich an die Arbeit mache, unnütze Werbung zu löschen, Mails, die eindeutig an mich adressiert sind, in einen Unterordner zu schieben und dann die restlichen Mails durchzusehen und entsprechend weiter zu leiten.

Wenn die Mail nur mit "Hallo Du" oder "Sehr geehrte Damen und Herren", anfängt, gibt das wenig Informationen für eine automatische Verteilung, deshalb scrolle ich immer erstmal nach unten. Vielleicht ist in der Grußformel ein Name vermerkt, den ich kenne und zuordnen kann. Oder die Mail ist eine Antwort auf eine andere Mail. Ich fühle mich wie ein Detektiv und bemühe mich echt, die Mails nur grob zu überfliegen und nicht genauer zu lesen, sobald ich erkenne, dass sie privater Natur sind. Es sind auch einige Mails an Gäste dabei, die man auf diesem Weg zu erreichen versucht, meist erfolglos, denn wenn jemand bei uns Urlaub macht und dafür absichtlich seine beruflichen und manchmal auch privaten Kontakte blockt, werden wir nicht dabei behilflich sein, ihren Willen auf diese Weise zu umgehen. Deshalb landet die eine oder andere Mail auch einfach zusammen mit der Werbung im Papierkorb, sofern Empfänger und Absender nicht auf der Liste für unseren E-Mail-Servce stehen, oder ein echter Notfall zu erkennen ist.

Doch dann bleibe ich an einer dieser "Hallo Du"-Mails hängen, weil sie die Antwort auf einen Brief ist, der mit "Mein lieber Freund," beginnt. Etwas, in meiner Seele vibriert. Phe nennt es immer meinen Liebes-Detektor. Ich weiß nicht, ob es sowas gibt, ich meine, frisch Verliebte oder glückliche Paare kann nun wirklich jeder erkennen. Aber es stimmt schon. Es sind die heimlich Verliebten, die unglücklich Verliebten, die unerwidert Verliebten, bei denen meine Seele anschlägt. Und das hier schreit nach letzterem Fall. Ich überfliege die Worte, ich weiß, ich sollte es nicht, aber ich kann nicht anders. Was soll ich sagen - ich bin eine Frau, da wird die Neugier bei der Geburt gleich mitgeliefert. Der Hallo-Du-Brief ist mit "Bis bald - Nick" unterschrieben und erzählt von seinem Leben auf Hawaii und dass er ganz glücklich damit ist, dort stationiert zu sein, auch wenn die langen Monate auf Einsätzen immer mehr ihren Reiz verlieren. Ein Soldat also.

Der vorherige Nachricht, bei der der Kopf der Mail mit allen Daten zu Empfänger, Absender, Datum, usw. leider gelöscht wurde, ist mit "Liebe Grüße - P" unterschrieben und geht zunächst auf eine frühere Mail von Nick ein, die aber nicht mehr im Anhang ist. P ist interessiert, aufmerksam, aufbauend, tröstend, freundlich und nur nebenbei erzählt er auch etwas über sich und so dauert es eine Weile, bis mir klar wird, wer P ist. Ich leite die Mail mit einer kleinen Entschuldigung, dass ich das zu sehen bekommen habe, weiter und schaue dann auf die Uhr. Ugh, schon Mittagszeit. Ich stecke meinen Kopf bei Dustin rein, lasse ihn aber in Ruhe als ich sehe, wie beschäftigt er ist. Dustin zu stören, wenn er an bestimmten Zahlen, Tabellen oder Listen arbeitet, ist keine gute Idee. Er hasst es und manchmal sorgt es dafür, dass er von neuem anfangen muss, was seinen Feierabend dann weiter nach hinten rausschiebt als nötig. Ich werde ihm einfach was mitbringen, wenn ich zurückkomme.

Bei Thomas sehe ich den kleinen Tisch neben der Küche schon gedeckt und kaum dass ich sitze kommt Phe wieder auf mich zu. "Liebste Freundin", spreche ich sie an und grinse. "Ich glaub es gibt da etwas, über das wir reden müssen. Es geht um P."

Resort de la Pheya 14 - NeoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt