Kapitel 2

346 71 37
                                    

♠Paul♠

Etwas perplex schaue ich dem jungen Mann hinterher und schüttle dabei den Kopf. Ein netter Kerl. Aber ziemlich quirlig.

Dass er mir den Eisbeutel im Café geholt hat war jedoch wirklich nett, oder? Apropos Eisbeutel. Da ich jetzt eh eine Pause habe, bringe ich ihn doch gleich wieder zurück. So arg tut mein Kopf gar nicht mehr weh. Ist ja nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert. Irgendwann werde ich diese blöde Glocke wegschmeißen und gegen etwas ersetzen, was mich nicht jedes Mal aufschrecken lässt, wenn man es benutzt um auf sich aufmerksam zu machen.

Ich stelle mein "Ich bin gleich wieder da"- Schild auf, melde mich im Büro für eine kurze Pause ab und schnappe mein Tablet mit Tastatur sowie den Eisbeutel und gehe ins Café.

"Hallo Paul, wie immer?", werde ich von Lu begrüßt. Ich nicke und setze mich an meinen Lieblingstisch. Von dort aus kann ich immer alles gut beobachten.

"Oh, hier und danke fürs Ausleihen."

Ich strecke Lu den Eisbeutel entgegen als er mir meinen Latte Macchiato und eine Waffel mit Erdbeeren und Sahne bringt.

"Ah, also hat der Gast ihn dir gegeben anstatt ihn mir zurück zu bringen?"

"Ehm, nein, er hatte ihn für mich besorgt. Ich habe mir den Kopf am Tresen angeschlagen, als ich in den unteren Schubladen nach etwas gesucht und mich vor der Klingel erschrocken habe."

"Oh, das tut mir leid, ich hoffe, es wird keine allzu große Beule."

Lu tastet meinen Kopf ab, was mir ein Zischen entlockt. Sofort zieht er seine Hand wieder zurück.

"Soll ich Lennox anrufen, damit er sich das mal ansieht? Groß ist die Beule nicht, aber sie scheint dir ganz schön weh zu tun."

So fürsorglich, der liebe Lu. Und natürlich denkt er zuerst an seinen Mann, statt an unseren Resortarzt. Zu niedlich.

"Nein danke Lu, das ist lieb gemeint, aber das wird schon wieder."

"Okay! Aber sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt", ruft er lachend über seine Schulter als er wieder zurück zur Theke läuft.

Lächelnd nehme ich den langen Löffel in die Hand und rühre den Milchschaum etwas unter die hellbraune Flüssigkeit, bevor ich das Glas in meine Finger nehme und einen Schluck daraus trinke.

Mhmmm das tut gut.

Mit der Gabel spieße ich eine Erdbeere auf, tunke sie in die Sahne und schiebe sie mir genüsslich in den Mund. Ich liebe Lu's Waffeln. Man kann wählen welche Soße man haben möchte, welche Früchte und Topping. Dazu hat man auch noch die Auswahl eines Specials, wie zum Beispiel Smarties oder irgendwelche Mini-Schokoriegel oder Kekse. Ich finde diese Idee einfach toll.

Nachdem ich meine Waffel gegessen habe, öffne ich das Tablet und lege es vor mich hin. Als ich die Daten von Herrn Sanchez herausgesucht habe sah ich, dass ich Emaileingang von Heya hatte und bin daher neugierig, auf welchen ganz besonderen Gast sie mich heute vorbereiten möchte. Da beide Chefinnen vorher eigene Hotels hatten, bringt jede von ihnen eine andere Gruppe von Stammgästen mit die es zu schätzen wissen, wenn man sie wie alte Freunde behandelt. Phedokas kenne ich und wenn sie Infos für mich hat, kommt sie meistens direkt zu mir gelaufen. Heya hingegen sendet oft einfach eine Mail. Wenn sie dafür persönlich kommt, ist es immer ein ganz spezieller Freund oder ein sehr schwieriger Kunde.

Ich öffne das Mailprogramm und stutze erstmal. Aus irgendeinem Grund landete eine für mich bestimmte Mail, bei ihr. Mit einer Entschuldigung hat sie diese an mich weitergeleitet. Ich öffne die Mail und ein Grinsen legt sich auf meine Lippen.

Die Mail ist von Nick. Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als ich beginne sie zu lesen.

Er erzählt, dass er jetzt auf Hawaii stationiert ist und es ihm dort gefällt. Dann erkundigt er sich nach meinem Wohlergehen und fragt, wie es seinem Bruder geht. Mit ihm hat er noch weniger Kontakt als mit mir.

Ich wuchs an der Ostküste auf. Brian und ich sind schon seit wir geboren wurden befreundet. Unsere Eltern waren nicht nur Nachbarn sondern auch beste Freunde und so blieb es nicht aus, dass wir uns auch anfreunden. Naja, nicht nur anfreunden. Wir wuchsen fast wie Brüder auf. Es gab keinen Tag, an dem wir uns nicht sahen. Als wir älter wurden, besuchten wir auch dieselben Schulen. Eine lange Zeit lang waren wir unzertrennlich.

Nick, ist zwei Jahre jünger als Brian und ich. Er war schon immer ein Rebell, aufmüpfig, frech und keck. Während ich eher ruhig und introvertiert bin. Doch seine Art gefiel mir, sogar so sehr, dass ich begann mich in ihn zu verlieben.

Als Nick 16 und ich 18 waren, wollten wir beide wissen wie es ist, mit einem anderen Mann rumzumachen und aus unserem ersten Kuss wurde unser erstes Mal.

Es war gut, Nick war sehr vorsichtig und sanft und ich hatte mich vorher schlau gemacht, was man tun muss, damit es schön wird.

Leider nicht gerade förderlich, wenn man verliebt ist, denn auch zwei Jahre später, wollte Nick nichts ernstes. Als er dann mit 18 zur Army ging, erklärte er mir, dass er die letzten zwei Jahre zwar schön fand, aber gleichgeschlechtlicher Sex ihm nicht das gibt was er sich erhofft hatte.

Brian hat von der ganzen Sache nie was mitbekommen und wenn doch, dann hatte er sich nie was anmerken lassen. Auf dem College waren es dann nur noch er und ich und der Kontakt zu Nick wurde weniger. Nur noch sporadisch schrieben wir uns Mails, bis irgendwann der Kontakt ganz abflachte.

Nachdem Brian und ich mit dem College durch waren, trennten sich auch unsere Wege, doch im Gegensatz zu Nick, behielten wir den Kontakt.

Ich blieb in der Stadt und machte eine Ausbildung zum Hotelfachmann, während Brian seitdem als Spielerberater durch die Weltgeschichte reist und Sportgrößen vertritt.

Nach meiner Ausbildung wurde die Stelle als Concierge frei. Erstmal wollte ich sie nur ausprobieren, denn immerhin wäre es eine Herabstufung meines Berufes, aber dann hat es mir so sehr gefallen, dass ich dabei blieb.

Anfangs war ich etwas skeptisch, als Phedoka mir den Job als Chef Concierge in ihrem neuen Resort in Windington anbot und mich fragte, ob ich mit ihr umziehen würde. Doch auch das stellte sich als die beste Entscheidung heraus, die ich hätte treffen können. Ich mag es hier. Sogar sehr.

Die Einzigen die ich vermisse sind Brian und Nick.

Darum habe ich vor ein paar Wochen einfach mal eine Mail an Nick geschrieben, auch wenn ich nicht mit einer Antwort rechnete. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass er zurück geschrieben hatte. In meiner letzten Mail habe ich ihm von meinem Job hier erzählt, weil er sich über meine Absenderadresse wunderte. Jeder Mitarbeiter des Resorts bekommt eine eigene Mailadresse und darf sie auch privat nutzen, ebenso wie das Internet. Eines der vielen Features hier. Jetzt antwortet er auf all meine Fragen zu seinem aktuellen Leben.

Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass meine Pause gleich vorbei ist. Also klappe ich das Tablet zu, schiebe es mir unter den Arm, stelle mein Glas auf den leeren Teller und bringe es zu Lu an die Theke.

"Danke dir Paul."

Lächelnd nimmt er es entgegen und verschwindet damit in die Küche, während ich das Café verlasse und zurück an die Rezeption gehe. Die Beule längst vergessen und mit den Gedanken bei den schönen Zeiten mit Nick.

Resort de la Pheya 14 - NeoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt