Kapitel 1

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♠Neo♠

Mit meiner Tasche in der Hand drehe ich mich einmal im Kreis und sehe mich um.

Beeindruckt pfeife ich durch die Zähne.

"Wow, da haben Mum und Dad aber nicht zu viel versprochen. Alleine schon das Foyer ist imposant. Ich bin gespannt wie der Rest aussieht."

Vor ein paar Jahren feierten Mum und Dad ihren Hochzeitstag hier im Resort und gönnten sich für ein paar Wochen eine Auszeit.

Als sie wieder zuhause waren, schwärmten sie mir immer wieder von dem Resort vor. Leider konnte ich mir das mit meinem mickrigen Gehalt, welches ich als Aushilfslehrer bekam, bisher nicht leisten. Doch seit letztem Jahr arbeite ich Vollzeit in einer Junior High School und unterrichte Musik, Englisch und Spanisch. So konnte ich etwas Geld sparen und tadaaa, endlich ein wenig Urlaub im Resort machen.

Mein Blick wandert zur Rezeption. Schwungvoll drehe ich mich um und laufe darauf zu. Sie scheint nicht besetzt zu sein, also haue ich mit Elan auf die Tischglocke, die dort steht. Fast im selben Augenblick, als sie ihren Job tut und laut erklingt, ertönt ein dumpfer Schlag.

"Autsch. Verdammt."

Vor mir taucht ein Mann auf, der mich mit einem schmerzverzerrtem Gesicht unleidig ansieht.

"Hoppla, lo siento, ich dachte die Rezeption sei nicht besetzt. Bitte lassen sie mich das wieder gut machen", entschuldige ich mich umgehend bei ihm, packe ihn an den Schultern, ziehe ihn ein wenig über den Tresen der Rezeption und puste über die Stelle, die er sich wohl angehauen hat. Dann lasse ich ihn wieder los und lächle ihn an. Doch irgendwie bin ich nicht so überzeugt von meiner Tat und drehe mich um. Ich hab doch....ahhja da....

"Ein Moment ich bin sofort wieder da", rufe ich dem Rezeptionsmann zu und renne zum Café.

"Entschuldigung?", rufe ich nach hinten und ein total süßer Typ kommt nach vorne.

"Hallo, ich bin Lu, was kann ich für sie tun?", begrüßt er mich freundlich.

"Hätten sie vielleicht bitte eine Tüte mit Eiswürfel? Draußen hat sich jemand den Kopf angehauen, nicht dass es eine Beule gibt", erkläre ich meine Bitte sofort und lächle den Barista offen an.

"Ohje, klar, ein Moment bitte."

Er eilt nach hinten und kommt keine Minute später wieder mit einem altmodisch blauen Eisbeutel zurück und streckt ihn mir entgegen.

"Hier bitte, der tut's sicher auch, den haben wir immer für Notfälle da."

Ich bedanke mich und verlasse schnurstracks das Café.

Schon von weitem sehe ich wie der Rezeptionsmann sich schmerzvoll den Kopf reibt.

"Oh man, es tut mir wirklich leid", beteuere ich noch einmal und gebe ihm den Eisbeutel.

"Danke", entgegnet er mir freundlich aber ein wenig wehleidig.

"Wieder besser?", frage ich ihn, nachdem wir ein paar Minuten da stehen und darauf warten, dass der Beutel seine Wirkung tut.

Der Mann nickt und sieht mich eindringlich an.

"Ehm. Also. Was kann ich für sie tun?"

Oh weh. Ich scheine ihn vollkommen aus dem Konzept gebracht zu haben. Hihi. Ja diese Wirkung habe ich oft auf andere.

"Ich bin Neo Sanchez und habe ein Zimmer reserviert", sage ich und dieser Mann, Paul, steht auf seinem goldenen Namensschild, welches ich jetzt erst gesehen habe, klickt auf seiner Maus herum, während er mit der anderen Hand immer noch den Eisbeutel gegen seine schmerzende Stelle hält. Dann hebt er seinen Kopf und sieht mich etwas perplex an.

"Also, Sanchez sagen sie?", fragt er und ich kann seine Skepsis aus seinem Ton heraus hören.

"Ach, ja. Soll ich meinen Ausweis zeigen? Ein Moment bitte. Haha, das Problem haben viele Leute, ich seh einfach nicht aus wie ein Mexikaner oder Spanier. Die hellen Haare und meine grünen stechenden Augen, sowie meine Sommersprossen passen absolut nicht zu meinem braunen Teint und meinem Namen, aber wissen sie was? Dadurch bin ich noch einzigartiger als andere. Mein Dad ist Spanier, meine Mum Schwedin und in meiner Familie ist alles kunterbunt durch gewürfelt. Mexikaner, Engländer, Amerikaner und ich glaube zu wissen, irgend ein Urururgroßvater kam aus Afrika", plappere ich darauf los, während ich nach meinem Ausweis fische, den ich dann Paul in die Hand drücke.

Während ich darauf warte, bis er sich selbst davon überzeugt hat, dass ich auch ich bin, summe ich mein Lieblingslied vor mich hin und beobachte ihn.

Er ist größer als ich und auch schlanker. In seinem Anzug, dem Hemd und den grauen Schläfen ist er sehr attraktiv. Er hat schöne, weich aussehende, schlanke Finger und volle Lippen. Sein Jacket ist offen und der Bauchansatz der sich unter seinem Hemd abzeichnet macht ihn wahnsinnig sexy. Ich steh auf sowas. Ob er vergeben ist? An seinem Finger finde ich keinen Ring und auch keine Sonnenstreifen davon.

Diesen Mann würde ich nur zu gerne näher kennenlernen.

"Entschuldigen sie, was können sie mir an Aktivitäten empfehlen, solange ich hier Urlaub mache?", frage ich ihn und er hebt seinen Kopf, während er in eines der Fächer greift und eine Schlüsselkarte daraus hervorholt.

Er schiebt sie mir hin und lächelt mich professionell an. Ein Lächeln, welches nur für Gäste bestimmt ist und seine Augen nicht erreicht. Ich will das ändern. Ich will, dass er mich anlächelt und seine Augen dabei leuchten.

Ich glaube, ich habe eine Aufgabe für mich gefunden.

"Es kommt darauf an, was sie gerne unternehmen. Gehen sie gerne schwimmen? Dann haben wir hier ein wunderschönes Spaßbad, mit Therme, Sauna und Schwimmbahnen. Spielen sie gerne Tennis oder Golf? Dann kann ich ihnen unseren Golf und den Tennisplatz empfehlen."

"Mhm okay und was von dem allem hier machen sie gerne?", versuche ich ihn etwas aus der Reserve zu locken.

"Oh. Ich denke, das ist hier nicht von Interesse"; antwortet er mir und sein Ausdruck wird noch etwas 'professioneller', wenn ihr wisst was ich meine. Stattdessen greift er nach einem Flyer und reicht ihn mir. "Wenn sie eine Empfehlung von mir wollen, dann laden sie sich diese App herunter und nutzen sie die private Führung durch das Resort. Ich bin sicher, sie werden fündig. Und wenn sie etwas Spezifisches suchen, dann sprechen sie mich gerne wieder an. Was wir nicht anbieten ist mit großer Wahrscheinlichkeit in Windington zu finden oder in einer der angrenzenden Städte."

Schade eigentlich. Ich hätte gerne etwas persönliches aus ihm herausgekitzelt.

Aber lieber großer Paul, so schnell gebe ich nicht auf.

"Na dann danke ich ihnen für ihre Tips und begebe mich mal auf mein Zimmer. Ich wünsche ihnen noch eine gute Besserung. Den Eisbeutel bekommt das Café wieder zurück. Wir sehen uns", flöte ich, nehme meine Reisetasche und mache mich auf den Weg in mein Zimmer. 

Resort de la Pheya 14 - NeoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt