Kapitel 9

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Ich war noch nie in meinem Leben so allein.

Ja, ich hatte viel durchzustehen. Und es gab Zeiten, in denen ich mich unglaublich einsam gefühlt hatte. Zeiten, in denen ich glaubte, niemand auf der Welt könnte auch nur annähernd meinen Schmerz verstehen.

Und doch war ich nie so einsam wie in diesem Augenblick.

Es war erst wenige Stunden her, dass ich aus Hogwarts geflohen war. Mein legendärer Sturz aus dem Fenster steckte mir immer noch in den Knochen. Doch schon jetzt konnte ich mich kaum erinnern, was tatsächlich geschehen war.  Die Ereignisse verschwammen in meinen Erinnerungen und ich konnte kaum unterscheiden, was Fantasie und was Realität gewesen war.

Fred hatte mich betrogen. Und ich war daraufhin explodiert und hätte ihn und Maïa beinahe getötet. So viel zur Realität.

Ich schluckte. Meine Augen brannten, als wollte ich in Tränen ausbrechen, doch ich hatte die letzten Stunden damit verbracht, bitterlich zu weinen. Ich war auisgetrocknet. Es waren keine Tränen mehr da, die ich hätte weinen können.

Wieso ich es geschafft hatte, Hogwarts zu verlassen, konnte ich mir nicht erklären. Disapparieren war vom Schulgelände aus unmöglich, aber ich war auch nicht disappariert. Es war nicht das übliche Gefühl der Achterbahn, bei dem einem leicht schlecht wurde.

Stattdessen hatte ich in mir eine Wärme gefühlt, als würden meine alles zerstörenden Flammen zur Abwechslung mal in mir brennen. Dieses wohlige Gefühl durchdrang meinen Körper und hüllte mich ein, wie eine flauschige Decke mitten im Winter vor einem Kaminfeuer.

Ich hatte nur weg gewollt. Und plötzlich war ich hier.

Wo genau "hier" war, konnte ich nicht sagen. Ich befand mich auf einem Feld. Es lag eine kleine Schneedecke darauf, doch das war nichts im Vergleich zu den Schneemassen, die wir in Hogwarts hatten. Der Himmel war steingrau und wolkenverhangen, ein eisiger Wind peitschte über die weite, offene Fläche.

Es wäre eigentlich klug, wenn ich mich in Bewegung setzte. Ich sollte zu den Häusern gehen, die am Rande des Feldes standen. Rauch stieg aus ihren Schornsteinen. Es war also sicherlich jemand zu Hause.

Ich könnte auch in die entgegengesetzte Richtung gehen. Dort schien es einen Wald zu geben, in der Ferne erkannte ich hohe Bäume und dichtes Gestrüpp. Ich wäre dort sicher windgeschützter als auf freiem Feld.

Doch ich bewegte mich nicht. Ich konnte nicht. Als wäre ich festgefroren, verharrte ich seit Stunden an ein und demselben Fleck. Es war eiskalt, doch irgendwie fühlte sich das gut an. Die Kälte ließ meine Gliedmaßen nach und nach taub werden. Und ich genoss es, nichts mehr zu fühlen. Denn dadurch konnte ich mir einbilden, dass auch der Sturm in meinem Inneren nach und nach einfror und taub wurde.

Ich wollte einfach nichts mehr fühlen. Weder die Wut, die all das hier erst ausgelöst hatte, noch die Scham und Schuld, dass ich beinahe getötet hätte. Ich hätte beinahe einen Menschen, den ich liebte, ermordert, einfach nur aus dem Grund, dass ich mich betrogen und verletzt fühlte.

Wieder wollte ich in Tränen ausbrechen, doch sie waren leer. Das war vielleicht auch gut, sie wären vermutlich gefroren, bevor sie meine Wange erreicht hätten.

Tief in mir wusste ich natürlich, dass ich sterben würde, wenn ich nicht bald etwas tat. Ich wusste, ich würde erfrieren. Aber das war mir egal. So würden meine Gefühle und die Stimmen in meinem Kopf wenigstens endlich verstummen.

Es war nicht so, dass ich tatsächlich sterben wollte. Aber ich würde auch nichts tun, um es zu verhindern.

Angelinas Sicht:

Das dunkle Mal - Eine Fred Weasley FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt