Bisher gab es nicht einen Moment in meinem Leben, an dem ich mir vorstellen konnte, dass es etwas wie Schicksal geben könnte. Ich vertraue der Wissenschaft, den Fakten und doch steht mir ausgerechnet das Mädel aus dem Park gegenüber, als ich nichtsahnend die Tankstelle betrete. Das grüne Arbeitsshirt, dessen kleines Firmensymbol sich genau über ihrem Herzen befindet, schmeichelt ihrem Hautton und lässt ihre gebräunte Haut nochmals mehr strahlen. Ihre Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, als sie mich mustert, während ich die Filiale mit bedacht lässigen Schritten durchquere.
,,Kennen wir uns nicht?"
,,Wir haben uns gestern im Park gesehen."
,,Dann stimmt es also! Freut mich sehr, dass mein Auftritt keine bleibenden Schäden bei Ihnen hinterlassen hat."
,,Wie schon gesagt, das war keine große Sache. Ich war wohl einfach in Gedanken versunken. Ich bin übrigens Rojan."
Dieses Mal ist sie damit an der Reihe, die ausgestreckte Hand zu ergreifen, was sie innerhalb weniger Sekunden mit einem nochmals breiteren Lächeln tut. Ihr Händedruck zeugt davon, dass sie unter Männern aufgewachsen sein muss, denn Frauen neigen oftmals dazu, gar keinen Druck in solchen Gesten zu verwenden. Sie hingegen drückt kurz und kräftig zu, ohne mit der Wimper zu zucken.
,,Freut mich, Rojan."
,,Wie lautet denn dein Name, wenn ich danach fragen darf?"
,,Opal."
,,Das ist ein seltener Name."
,,Das stimmt wohl, aber ich hab mich daran gewöhnt. Du bist aber sicherlich nicht hier, um nett mit mir zu plaudern, oder? Der rote Audi ist von dir?"
Peinlich berührt kratze ich mich kurz am Nacken. Sie hat natürlich Recht, dass ich nicht ohne Grund in die Tankstelle gekommen bin. Ich muss neben der Tankfüllung allerdings noch Chemikalien kaufen, damit Roxans neustes Opfer, ein sehr gesprächiger Ex-Kunde, nicht mehr auffindbar sein wird. Doch in ihrer Gegenwart kann ich gar nicht an die Leiche denken, nicht an den Auftrag, nichtmal an die Nummer der Tanksäule, plötzlich zählt nur sie. Diese Erkenntnis zieht mir regelrecht den Boden unter den Füßen weg, während sie mich mit großen Augen anschaut, ehe ihr Blick wieder zu dem Wagen wandert.
,,Ist das wirklich ein A6?"
Ich nicke zur Bestätigung, noch immer innerlich damit am kämpfen, dass mir dieses Geschöpf bereits jetzt mein Gehirn gegen Watte getauscht hat.
,,Ich muss sagen, dieser Wagen ist ein Traum. Ich kenne solche Autos natürlich nur aus den Katalogen, oder dem Fernsehen, aber ich muss sagen, der sieht mega scharf aus. Ich wette, er fährt sich mindestens so gut und wie der Motor schnurren muss. Ich... Es tut mir leid, dass ich dich so volltexte. Das ist ja oberpeinlich, du willst sicherlich bald weiter, bitte entschuldige..."
,,Würdest du mit mir eine Runde drehen wollen?"
Ihre Hand sinkt auf den Thresen, während ihre Augen mich erstaunt anschauen.
,,Meinst du das ernst?"
,,Natürlich."
Danach ist sie innerhalb von Sekunden mit einem Satz halb über den Thresen gebeugt und hat ihre Arme um meinen Hals geschlungen. Mein Herz beginnt zu rasen, als ich ihre Geste vorsichtig erwidere.