Zufrieden überflog ich nochmals mein Skript, ehe ich es unter meiner Matratze verschwinden ließ.
Das war's mit Damien!
So einfach war das.
Ich hatte keine Lust darauf, das meine DR sich auch noch verkomplizierte.
Ich hatte in meiner CR schon genug zu kämpfen.
"Deine Ration, Tida!"
Ich sah auf.
Bene stand im Türrahmen und hielt einen Teller mit Ravioli in den Händen.
"Wow, wie lange hatte ich keine Ravioli mehr!",sagte ich sarkastisch und Bene knallte den Teller auf den Nachtschrank.
"Sei froh, das es überhaupt was gibt! Hast du eine Ahnung, was uns diese scheiß Ravioli gekostet haben?! Wir haben Karl verloren!"
Ich setze mich erschrocken auf.
"W-was?",stotterte ich und versuchte den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken.
"Er wurde erschossen. Das Lagerhaus war nicht so verlassen, wie wir angenommen hatten",erklärte Bene trocken, während er die Schneekugel, die auf dem Nachtschrank stand, in seinen Händen hin und her drehte.
"Oh Gott...",presste ich schockiert hervor, "Er war erst siebzehn",fügte ich murmelnd hinzu und spürte, wie mir die Tränen in die Augen schossen.
Ich kannte Karl nicht besonders gut.
Doch er war nicht der Erste, den wir verloren hatten und mit jedem Weiteren wuchs die Angst vor dem eigenen Tod.
Denn in spätestens fünf Jahren würden wir alle bereits tot sein.
Das war unabwendbar.
"Er wusste, worauf er sich einließ",sagte Bene schulterzuckend, und ich hob den Kopf, betrachtete ihn.
Ich wusste, warum er so gefühlskalt reagierte.
Bene hatte jeden einzelnen Tod miterlebt.
Er war der Anführer des Plünderertrupps und bei jeder Plünderung dabei.
Insgesamt waren es inzwischen fünf Gefährten, von denen wir Abschied nehmen mussten.
Und Bene hatte sie allesamt sterben sehen.
Seine Reaktion auf Karls Tod war eine reine Bewältigungsstrategie.
Vermutlich half es ihm, nicht den Verstand zu verlieren.
"Wie geht es dir?",fragte ich deshalb und Benes kühle, blaue Augen fixierten meine.
"Lass das",zischte er bedrohlich, knallte die Schneekugel zurück auf ihren Platz und beugte sich zu mir herunter.
"Bring mich lieber auf andere Gedanken",raunte er und spreizte meine Beine, eher er sich auf mich legte und mit seinen Lippen meinen Hals entlang fuhr.
Ich vergrub leise stöhnend meine Hände in seinen Haaren, während seine Lippen sich einen Weg zu meinen bahnten.
Ich schloss die Augen.
Nicht nur Bene hatte es nötig, auf andere Gedanken zu kommen.Ich erwachte ausgeschlafen in meinem Bett in meiner DR. Ich streckte mich und sah auf die Uhr.
10:52.
Zeit, aufzustehen.
Caleb und ich trafen uns am Wochenende immer in der Spielhalle.
Immer zur selben Uhrzeit.
Ich hoffte, das er nach dem gestrigen Streit kommen würde.
Ich wollte mich bei ihm entschuldigen.
Persönlich.
Ich hätte ihn auch anfunken können.
Denn wir besaßen jeder ein Walkie Talkie, über das wir abends miteinander sprachen, bevor wir schlafen gingen.
Gestern hatten wir nicht gesprochen.
Das kam nicht sehr oft vor und es fühlte sich falsch an."Mum?",rief ich und steckte den Kopf durch die Küchentür.
"Ja, Liebes?",antwortete sie und lächelte mich an.
Sie stand vor dem Spülbecken und wusch das Geschirr vom Frühstück ab.
Ich war spät dran, schnappte mir aber trotzdem ein Handtuch und begann abzutrocken.
"Kann ich das Auto nehmen?",fragte ich, während ich einen Teller an seinen Platz im Schrank stellte.
"Sicher. Fahr aber vorsichtig, hörst du!",sagte sie mahnend und warf mir einen vielsagenden Blick zu.
"Aber sicher, Mum. Mach ich doch immer",erwiderte ich zwinkernd.
Ich fuhr wie eine Wahnsinnige und meine Mutter wusste das.
Und das bereitete ihr verständlicherweise Sorgen.
Ich konnte ihr ja schlecht sagen, das ich nicht sterben konnte.
Nicht in dieser Welt.
Ich warf einen Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk, warf das Handtuch beiseite und drückte meiner Mutter einen Kuss auf die Wange.
"Ich muss los, Mum! Bis später!"
"Viel Spaß, Liebes!",rief sie mir nach und ich griff nach den Autoschlüsseln, die neben der Eingangstür in einer Schüssel lagen, und verließ das Haus.Zu meiner Erleichterung wartete Caleb bereits vor der Spielhalle, als ich auf den Parkplatz bog.
Ich parkte den Wagen meiner Mutter und stieg aus.
Ich ging hinüber zu Caleb und umarmte ihn fest.
"Es tut mir leid, Caleb",sagte ich und löste mich von ihm.
"Mir auch",erwiderte er verlegen.
"Lass uns so tun, als sei das nie passiert",fügte er hinzu und ich nickte dankbar.
"Lust auf eine Runde Pacman?",fragte ich und Caleb rieb sich die Hände.
"Ich fange an!",rief er und lief in die Spielhalle.
Ich folgte ihm lachend und blieb wie angewurzelt in der Tür stehen.
Das war absolut unmöglich.
"Hallo Tida",ertönte Damiens dunkle Stimme und ich konnte mich nicht rühren. Ich war wie erstarrt.
Mein Körper rang mit der Entscheidung, ob nun Flucht oder Angriff die beste Reaktion auf diese bedrohliche Situation war.
Ich ließ hörbar die Luft aus meinen Lungen entweichen.
"Du solltest nicht hier sein",flüsterte ich und Angst kroch in mir empor.
"Du auch nicht",erwiderte er ruhig.
"Das hier ist nicht deine Realität."
Er machte einen Schritt auf mich zu, ich wich zurück.
"Deine auch nicht."
Meine Atmung beschleunigte sich und Hitze stieg mir zu Kopf.
Irgendetwas lief hier schrecklich schief.
Ich hatte Damien aus dem Skript geschrieben.
Es war absolut unmöglich, das er gerade vor mir stand.
"Wir sollten reden",sagte er leise und ich nickte wie ferngesteuert.
Er deutete mit dem Kopf zur Tür und ich setzte mich mit zitternden Knien in Bewegung.
"Tida?! Wo willst du hin?",rief Caleb und ich drehte mich zu ihm um.
Ich hatte ihn völlig vergessen.
"Bin gleich zurück", krächzte ich und rang mir ein Lächeln ab.
"Sei vorsichtig",formte Caleb tonlos mit seinen Lippen und ich nickte.
Als ich mich wieder zum Gehen wandte, stand Damien bereits in der Tür und hielt sie mir auf.
Ich schob mich an ihm vorbei und für einen kurzen Moment drang sein Duft in meine Nase.
Eine Mischung aus Moschus, Leder und Zigaretten.
Was er in mir auslöste, verwirrte mich.
Denn ich sollte Angst vor ihm haben und mich nicht von ihm angezogen fühlen.
Das glich beinahe dem Stockholm-Syndrom, bei dem sich die Geisel in ihren Geiselnehmer verliebte.
Ich folgte Damien zum Parkplatz und er blieb vor einem alten Mercedes stehen.
Er schloss die Fahrertür auf und setze sich hinein.
Durch die Scheibe sah ich, wie er sich über den Beifahrersitz beugte und die Tür entriegelte.
Meine Atmung beschleunigte sich und mein Körper suggerierte mir, die Flucht anzutreten.
In meinem Kopf formten sich bereits die ersten Buchstaben meines Safewords, doch aus irgendeinem Grund stieg ich trotzdem in den Wagen.
Damien startete wortlos den Motor und wir fuhren ein paar Kilometer raus aus der Stadt, ehe er den Wagen auf einen Pfad, der in den Wald führte, lenkte.
Ich rutschte nervös auf meinem Sitz herum und biss mir meine Unterlippe blutig.
Der Geschmack von Eisen legte sich auf meine Zunge.
Der Wagen kam zum stehen und Damien stellte den Motor ab.
Er stieg aus und schloss die Tür hinter sich.
Mit den Händen in den Hosentaschen umrundete er den Wagen und blieb vor ihm stehen.
Ausdruckslos sah er mich an und wartete.
Mein Herz schlug so heftig, das es weh tat.
Mit zitternden Händen öffnete ich die Tür und stieg meinerseits aus dem Wagen.
Damien setzte sich in Bewegung und ich folgte ihm zögernd.
Wir liefen eine Weile schweigend den schmalen Pfad entlang.
Damien verließ den Pfad plötzlich und wir schlugen uns ein Stück durch das Unterholz.
Ich fragte mich, was zum Teufel mich dazu veranlasste, mit einem wildfremden Mann in den Wald zu gehen.
Doch aus irgendeinem Grund war ich mir sicher, das Damien mir nichts tun würde.
Wir bertraten eine Lichtung, auf der sich eine Gruppe Picknicktische befand.
Damien steuerte einen davon an und setzte sich.
Langsam ging ich zum ihm rüber und ließ mich ihm gegenüber auf die Bank fallen.
Einen Moment lang sahen wir uns schweigend an und ich kam nicht umhin, den bernsteinfarbenen Kranz um seine Iris zu bemerken.
Die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fielen, warfen einen Schein auf seine dunklen Locken.
Und schon wieder war da dieses absurde Gefühl der Anziehung. Ich schüttelte es ab und schloss für einen Moment die Augen.
Als ich sie wieder öffnete, faltete Damien seine beringten Hände.
"Wer bist du?",presste ich mit zitternder Stimme hervor und Damien legte nachdenklich den Kopf schief.
"Niemand",antwortete er knapp und ich runzelte die Stirn.
"Wieso verfolgst du mich?",versuchte ich es erneut und Damien lehnte sich lächelnd ein Stück nach vorn.
"Vielleicht stehe ich ja auf Rothaarige."
Mein Kiefer mahlte.
"Was soll das hier?!",fragte ich zornig.
"Ich dachte, wir machen rum",erwiderte Damien zwinkernd und zuckte mit den Schultern.
Ich schnalzte wütend mit der Zunge.
"Lass den Scheiß!",knurrte ich und Damien stützte sein Kinn auf seinen Händen ab.
"Tu nicht so, als hättest du nicht schon einen feuchten Traum von mir gehabt,"sagte er süffisant und ich schnaubte.
"Fick dich!"
Ich erhob mich und entfernte mich ein paar Schritte vom Picknicktisch.
"Wenn wir deswegen hier raus gefahren sind, dann gehe ich jetzt",knurrte ich, Damien lachte und erhob sich ebenfalls.
"Dann wirst du laufen müssen, Prinzessin",sagte er und ich ballte wütend meine Hände zu Fäusten.
Damien kam langsam auf mich zu und ich wich einen Schritt zurück.
Er blieb stehen und legte die Stirn in Falten.
"Wovor hast du Angst? Vor mir etwa?",fragte er und legte den Kopf schief.
"Dir passiert doch hier nichts. Du bist in deiner DR."
Mein Atem stockte und mein Kinnladen klappte herunter.
Damien verzog amüsiert das Gesicht und machte einen weiteren Schritt auf mich zu.
"Was ist denn? Ist eine solche Unterhaltung in deinem Skript ausgeschlossen?"
Ich schluckte schwer und begann nervös die Ringe an meinen Fingern zu drehen.
"Was sagst du da?",fragte ich kaum hörbar.
"Du hast es noch nicht begriffen, oder?",erwiderte Damien und ich zog fragend die Augenbrauen hoch.
Damien legte lächelnd den Kopf schief und verschränkte seine Arme in seinem Rücken.
Irritiert betrachtete ich ihn, dann viel es mir wie Schuppen von den Augen und mein Herz setzte einen Schlag aus.
"Du shiftest",presste ich mit bebenden Lippen hervor und Damien tippte sich mit dem Zeigefinger an die Nase.
"Ding, Ding, Ding",sagte er amüsiert und ich löste mich endlich aus meiner Starre.
Ich fuhr mir fassungslos durch die Haare während Damien mich gelassen beobachtete.
"Wieso bist du so ruhig?!",wollte ich wissen.
"Wieso drehst du so durch?",stellte Damien mir eine Gegenfrage.
"Du solltest nicht hier sein, verdammt nochmal!",rief ich aus und begann aufgeregt auf und ab zu laufen.
"Wieso nicht?"
Ich blieb stehen und starrte Damien an.
"Wieso nicht?! Weil das hier meine DR ist! Ich kontrolliere sie! Und dich habe ich aus dem Skript geschrieben! Es ist unmöglich, das du hier vor mir stehst!"
Damien lächelte und das verwirrte mich nur noch mehr.
"Ich habe dich für klüger gehalten. Immerhin bist du die Erste, die mich bemerkt hat."
"Beleidigst du mich jetzt auch noch?!",fuhr ich ihn an und überhörte dabei völlig, was Damien da gerade angedeutet hatte.
"Ok, das war's!",rief ich und hob die Hände, "Ich gehe!"
"Glaubst du an Paralleluniversen?",fragte Damien und ich hielt inne.
"Ich shifte",erwiderte ich, als sei das Erklärung genug.
"Das war nicht meine Frage."
"Ja, ich glaube an Paralleluniversen",erwiderte ich irritiert.
"Und wieso hälst du es dann für unmöglich, das ich hier vor dir stehe?"*Wordcount 1890
DU LIEST GERADE
A Shift to Infinity
Science Fiction*Pausiert!* ~ "Du solltest nicht hier sein",flüsterte ich und Angst kroch in mir empor. "Du auch nicht",erwiderte er ruhig. "Das hier ist nicht deine Realität." Er machte einen Schritt auf mich zu, ich wich zurück. "Deine auch nicht." ~ ...er existi...