Kapitel 1.6

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Ich schlug meine Augen auf und sofort prasselten die Erinnerungen auf mich nieder. Damiens Hände auf meiner nackten Haut, seine Lippen auf meinen, sein Duft in meiner Nase.
Stöhnend drehte ich mich auf die Seite.
Was zum Teufel hatte ich mir nur dabei gedacht mit ihm zu schlafen?!
Gott, wieso musste er auch so unwiderstehlich sein!
Ich schälte mich aus meinem Bett und zog mir meinen Kimono über.
Ich musste dringend duschen gehen.
Der Bunker verfügte über ausreichend Duschen, für die Anzahl der unterzubringenden Personen.
Die wir allerdings längst überschritten hatten. Duschen war ein Privileg. Und es würde bald zu einem Problem werden.
Warmes Wasser war schon jetzt knapp.
Gut, das wir genug Nerds unter uns hatten, die sich bereits Alternativen, wie befeuerbare Kessel, einfallen ließen.
Ich, mit meinen 20 Jahren, würde davon noch profitieren.
Bene war ebenfalls erst 22, aber einige von uns würden dieses Jahr bereits 25 werden.
25.
Das Alter, vor dem sich jeder von uns fürchtete.
Mich eingeschlossen.
Ich schüttelte die dunklen Gedanken ab und klaubte frische Kleidung und Duschzeug zusammen, ehe ich einen schnellen Blick auf die Uhr warf.
Es war Sonntag.
Der einzige Tag in dieser Hölle, der nicht schon um fünf Uhr morgens begann.
Was nicht hieß, das er keinen Pflichten mit sich brachte.
Um zehn Uhr versammelten sich alle in der großen Halle, um den einzelnen Trupps zuzuhören. Sie sprachen darüber, was es neues gab, worauf wir achten mussten, welches Lebensmittel diese Woche knapp war und nächste Woche knapp sein würde.
Quasi ein Wochenrückblick mit Prognose.
Auch gedachten wir derer, die wir verloren hatten.
Heute würden wir Karl ehren.
Der Gedanke an ihn machte mich traurig.
Es war gerade acht Uhr, als ich mich auf den Weg durch den engen Flur in Richtung der Duschräume machte.
Der Flur führte an den Quartieren der anderen vorbei. Die meisten Gefährten waren bereits wach.
Kein Wunder, wenn die innere Uhr sich auf fünf Uhr früh eingestellt hatte.
Ich betrat die Duschräume und öffnete die Tür zu einer der Kabinen.
Außer mir war niemand hier.
So war es mir am liebsten.
Ich legte meine Sachen ab und ging rüber zu dem Radio, das auf dem Boden stand.
Ich schaltete es ein.
Sofort schallte Billy Idol durch den Raum und echote von den Wänden wieder.
Es gab nur einen Sender. Und der befand sich hier im Bunker.
Fred führte ihn.
Mit Leidenschaft.
Die meisten von uns nutzen ihre Handys nicht mehr.
Wir hatten ohnehin weder Netz noch Internet.
Ab und an kramte ich meines hervor um mir die Bilder aus vergangenen Tagen anzusehen, aber das machte mich jedes Mal so unendlich traurig, das ich es immer seltener tat.
Musik hörten wir schon noch ab und zu über das Handy.
Doch ich bevorzugte Freds Sender. Er spielte gute Musik und ich wurden einigermaßen auf dem laufenden gehalten, was so im Bunker und in der Welt außerhalb passierte.
"Hallo meine lieben Gefährten und Bunkerländer!",ertönte Freds Stimme aus dem Radio und ich schmunzelte, während ich das Wasser der Dusche aufzudrehte.
"Glaubt es oder glaubt es nicht, aber ich habe gerade Benedikt dabei beobachtet, wie er sich gleich zwei Energydrinks hinter die Binse gekippt hat! Muss wohl eine schlaflose Nacht für ihn gewesen sein! Ob wir wohl heute erfahren werden, was ihn wach gehalten hat?!"
Ich stellte mich unter die Dusche und ließ das warme Wasser meine Sinne erfrischen.
Fred war mutiger als er aussah.
Er war ein schlacksiger Typ mit zerzausten Haaren und wachen Augen.
Er war einer derjenigen, die noch dieses Jahr die 25 erreichten und ich war mir sicher, das ich ihn sehr vermissen würde.
Niemand anderes würde es sich trauen, im Radio so über Bene zu reden.
"Gerüchten zufolge, sollen Bene und Tida etwas miteinander haben! Mich wundert es nicht! Bei den beiden hat es doch von Anfang an geknistert, oder was meint ihr? Vielleicht hat sie ihn ja letzte Nacht vom kostbaren Schlaf abgehalten!"
Ich verdrehte genervt die Augen.
Das hätte sich sonst auch niemand getraut!
Es machte also bereits die Runde.
Und ich war nicht scharf darauf, den Walk of Shame zu absolvieren.
Ich wollte nichts von Bene, außer Sex.
Ich mochte ihn, aber nur gerade so viel, das ich es genoss, mit ihm zu vögeln.
Davon abgesehen gab er mir nicht viel.
Wie er darüber dachte, wusste ich nicht, doch begeistert würde er nicht sein, wenn er erfuhr, was Fred da vom Stapel gelassen hatte.
Ich schäumte mir die Haare ein, als sich die Tür zum Duschraum öffnete.
Da meine Kabinentür geschlossen war, konnte ich nicht sehen, wer es war.
"Echt? Die und Bene? Also wenn du mich fragst, hat er besseres verdient. Die Schlampe lässt doch jeden ran!"
Kimberly.
Elendes Miststück.
"Naja, wenigstens nutzt sie das bisschen Zeit, das wir haben! Und du bist sowieso nur neidisch, weil du Bene schon anschmachtest, seit er uns in der alten Tankstelle gefunden hat!",erwiderte Vera und ich schmunzelte.
Vera konnte ich gut leiden.
Sie ließ sich von niemandem den Mund oder die Meinung verbieten, auch nicht von der ehemaligen Ballkönigin Kimberley, die es bis heute nicht verkraftet hatte, das sie nicht mehr die Nummer eins war, weil die Welt auf Cheerleading schiss.
"Quatsch, tu ich gar nicht! Und wenn er die gevögelt hat, verzichte ich dankend darauf, die Nächste zu sein!"
"Meine Güte Kimberly, du hast es aber dringend Mal nötig! Dein Rumgebitche ist ja kaum zu ertragen! Lass dich doch bitte Mal wieder so richtig rannehmen, ja? Dann bist du vielleicht weniger ätzend!"
Ich konnte mir ein Lachen gerade noch so verkneifen und stellte das Wasser ab.
Ich trocknete mich ab und schlüpfte in meine Kleidung, während vor der Kabine eisiges Schweigen herrschte.
Ich öffnete die Tür und stellte mich ohne ein Wort neben Kimberly vor eines der Waschbecken und warf ihr durch den Spiegel ein Lächeln zu.
Sie erstarrte und presste die Lippen aufeinander.
"Hey",sagte Vera unbekümmert.
"Hey",erwiderte ich ebenso gelassen.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Ich putzte mir in aller Ruhe die Zähne, kümmerte mich um meine Haare und mein Make Up und klaubte dann meine Sachen zusammen.
"Hey, Kim",sagte ich über meine Schulter hinweg, während ich bereits in der Tür stand.
"Vera hat Recht, ein bisschen Bene täte dir ganz gut. Tu dir keinen Zwang an, ich teile gerne. Und keine Sorge, den Pilz bin ich gerade los geworden!"
Ich zwinkerte ihr zu und genoss dabei den fassungslosen Ausdruck auf ihrem Gesicht, während Vera mir anerkennend zunickte.

Ich reihte mich in die Menge ein, die sich in der großen Halle versammelt hatte.
Vera tauchte neben mir auf und lehnte sich ein Stück zu mir rüber.
"Du weißt, das sie jetzt jeden erzählen wird, das du einen Pilz hattest, weil du wild durch die Gegend vögelst?!", fragte sie mich ernst, konnte sich ein Lächeln jedoch nicht verkneifen.
Ich schlug mir theatralisch die Hand vor den Mund.
"Oh nein! Kann ich Kimberly etwa nicht vertrauen?! So ein Mist! Hätte ich doch bloß meine Klappe gehalten!"
Vera kicherte.
"Find ich gut, wie du die Dinge regelst",sagte sie anerkennend und ich zuckte mit den Schultern.
"Das Leben ist schon ernst genug."
Vera presste die Lippen aufeinander und nickte, als Peter, der Anführer des Wachtrupps, die Menge anhielt, still zu sein.
Er hatte nicht viel zu berichten. Was gut war! Keine Neuigkeiten vom Wachtrupp hieß, das wir ein sicheres Versteck hatten. Zumindest für Jetzt.
Nach Peter folgte Ivan, der Chefkoch, wenn man so wollte.
Er hatte weniger gute Nachrichten.
Die Nahrungsmittel wurden knapp und es wurde immer schwieriger, welche zu beschaffen.
Hier schaltete sich Fred ein, der nicht nur das Bunkerradio betrieb, sondern auch der Herr der Nerds war.
Er schlug vor, anzubauen, um eigenes Obst und Gemüse ernten zu können.
Doch dafür benötigen wir erst einmal Saatgut.
Und die Beschaffung wollten sich Bene und der Plünderertrupp kümmern.
Als er das Wort ergriff ging ein leises Raunen durch die Menge, einige deuteten sogar unverholen auf mich.
Auch wenn ich es gut verbarg, fühlte ich mich dennoch unwohl.
"Nachdem Karl uns nun verfrüht genommen wurde, fehlt uns ein Gefährte im Trupp! Wer schließt sich uns an?",wollte er wissen, doch die Menge schwieg.
Alle hatten Angst davor, den Schutz des Bunkers zu verlassen.
Vereinzelt meldeten sich ein paar der jüngeren, die Bene allesamt abwinkte.
"Wenn sich niemand freiwillig bereit erklärt, wähle ich!",sagte er ruhig aber mit Nachdruck.
Doch es führte nicht zu dem gewünschten Ergebnis.
Eher im Gegenteil.
Es löste Unruhe aus.
Bene zog die Augenbrauen hoch und verschränkte die Arme im Rücken.
Er holte tief Luft und stieß sie hörbar aus.
"Gut, ich werde wählen und sage Demjenigen heute im Laufe des Tages Bescheid!",sagt er und verschwand dann in der Menge.
Ich runzelte die Stirn.
Bene war ein Arsch, aber jemanden zu zwingen, sich den Gefahren der Außenwelt zu stellen, sah ihm nicht ähnlich.
Da steckte mehr dahinter.
Ich bahnte mir einen Weg durch die aufgeregten Gefährten und wollte ihm folgen.
Doch ich verlor ihn aus den Augen.

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