Kapitel 24

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Gegen Ende des Balls wollte Lucifer mich nach oben in mein Zimmer begleiten. Ein wenig ängstlich, was noch kommen würde, blickte ich mich hektisch nach Hailey um, doch konnte sie nirgends finden. Lucifer packte mich am Arm und zog mich mit sich: "Deine kleine Freundin brauchst du gar nicht zu suchen, sie wird dir nicht helfen können!" Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich musste wohl oder übel mit ihm alleine auf mein Zimmer gehen. Dort angekommen positionierten sich die Wachen wieder vor der Tür und, da Lucifer vor mir herging zum Fenster, konnte ich ihn von hinten ein wenig mustern. Mir fiel sein Gang auf und seine ganze Haltung war irgendwie...anders. Das war irgendwie nicht der, den ich vorher kennengelernt hatte. Auch seine Schultern waren vorher ein wenig breiter und muskulöser gewesen, hatte ich den Eindruck... Aber vermutlich lag es nur daran, dass Psychopathen einfach mühelos zwei Persönlichkeiten verkörpern konnten...Da wirkte wahrscheinlich alles anders.
"Also", er drehte sich zu mir herum und ich blickte ihm wieder in die kalten Augen, "Ich denke, ich muss dir mal wieder etwas die Richtung weisen. Ich werde dich nun öfter mal besuchen kommen und meine nicht, wenn du die Bibliothek meidest, siehst du mich nicht, ich werde hierher genauso gut kommen können wie oben hin!" Ich schluckte. Das würde sehr anstrengend werden ihn wieder öfter zu sehen... Und schmerzhaft!
"Bis ich wiederkomme hoffe ich, dass du dich an die Regeln hältst und fleißger lernst als heute, verstanden?" Ich sah hinunter zu meiner Wölfin, die eben aus dem Bad kam, wo sie den ganzen Abend auf mich gewartet hatte. Ihr Fell sträubte sich und sie stellte sich knurrend an meine Seite. Ich war überrascht, denn sie hatte vorher eigentlich nicht so extrem auf ihn reagiert. Warum also jetzt? "Hast du mich verstanden?", er kam auf mich zu und packte mich am Hals, sodass ich ihn ansehen musste. Faith knurrte lauter, doch ich hielt sie mit einer Handbewegung zurück. "Ja", krächzte ich, als er fester zupackte. Dann ließ er mich los, ging an mir vorbei und verschwand mit seinen Bodyguards.
Mit zitternden Knien setzte ich mich aufs Bett und streichelte Faith. Der Abend war schrecklich gewesen. Die Sache mit dem Ring und dann das Begrabschen und der Kuss... Jetzt erst fiel mir auf, dass auch der sich irgendwie anders angefühlt hatte, aber vermutlich war das so, weil ich den ganzen Abend krampfhaft versucht hatte, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich gerne schreiend davonrennen wollte. Den ganzen Abend hatte er neben mir gesessen und mich provoziert, während er hin und wieder einen Drink hatte. Meine Kehle dagegen war den ganzen Abend staubtrocken geblieben. Frustriert darüber, was nur aus mir und meinem Leben geworden war, kramte ich aus einer Schreibtischschublade den Rum hervor, den ich dort versteckt gehalten hatte und würgte das bittere Zeug hinunter. Vielleicht würde ja so alles besser oder eher erträglicher werden...
Warum hatte ich daran nicht vor dem Ball gedacht?
Immer wieder tauchten Szenen vom heutigen Abend vor meinem inneren Auge auf. Der Tanz mit Lucifer war mehr schlecht als recht gewesen, da alles sehr gezwungen war und ich hatte den Eindruck, dass das nicht nur von meiner Seite her so gewesen war. Erneut trank ich einen Schluck und verzog leicht das Gesicht. Faith brummte.. Ihr gefiel es wohl nicht, dass ich trank, aber daran hindern tat sie mich nicht. Sie verstand es, da sie genau wusste, was ich fühlte.
Nach dem Tanz hatte Lucifer sich doch noch mit meinen Eltern unterhalten und hatte immer wieder siegessicher grinsend zu mir rübergeschaut, da er wusste, dass ich nur zu gern wissen wollte, worüber sie gesprochen hatten. Natürlich hat mir nachher keiner erzählt, worum das Gespräch sich gedreht hatte, aber dass es etwas mit mir zu tun hatte, daran hatte ich keinen Zweifel. Wieder nahm ich einen Schluck. Das Brennen in meiner Kehle beruhigte mich irgendwie. Als er von dem Gespräch wieder zurückgekommen war, hatte er sich ganz dicht neben mich gesetzt, sich zu mir gebeugt und mir ins Ohr gehaucht: "Deine Bestrafung wird mir viel Freude bereiten!" Danach hatte er mich den restlichen Abend ignoriert bis er mich hierher gebracht hatte.

Seufzend stand ich auf. Ich musste ein bisschen umhergehen, um einen freien Kopf zu bekommen. Ich wies Faith an, im Zimmer zu bleiben, was sie wenn auch nur widerwillig dann auch tat. Und ich nahm noch zwei große Schlucke von der Flasche, bevor ich sie achtlos auf den Boden stellte und hinausging. Durch den Alkohol hatte ich Mühe gerade durch den Flur zu gehen, ohne umzukippen mit den High Heels, doch irgendwie schaffte ich es um die nächste Ecke und die Treppe hinunter in den Flur darunter, wo ich plötzlich Geräusche hörte, denen ich eigentlich nicht nachgehen sollte, doch tat es natürlich doch. Mich an der Wand festhaltend taumelte ich zu den beiden Gestalten, bei denen ich durch das Dämmerlicht und den Alkoholeinfluss zuerst nicht ausmachen konnte, wo der eine anfing und der andere endete, doch als ich näher kam, lief es mir eiskalt den Rücken runter und ich erstarrte. Es war Lucifer und ein Mädchen, das ich noch nie gesehen hatte.
Er presste sie mit seinem Körper gegen die Wand und küsste sie so leidenschaftlich, wie er es vor nicht allzu langer Zeit bei mir gemacht hatte. Seine Hände waren überall an ihrem Körper und ihre Beine schlangen sich um seine Hüfte. Es wirkte so, als wäre sie alles, was er begehrte. In diesem Moment zerbrach etwas in mir. Ich konnte nicht weinen, nicht schreien, einfach nur dastehen und starren. Plötzlich würde mir übel und ich übergab mich auf die Fliesen. Das lenkte die Aufmerksamkeit der beiden auf mich. Lucifer sah mich spöttisch mit wissenden Blick an: "Skylar. Hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen!"
Ich wischte meinen Mund mit dem Handrücken ab, starrte mit leeren Augen zu ihnen, während die beiden lachten und sich wieder über einander hermachten, und konnte absolut nichts sagen.
Wie in Trance drehte ich mich wieder rum und taumelte zurück zu meinem Zimmer. Keine Ahnung, wie ich es wieder die Treppe hochgeschafft hatte, aber irgendwann war ich wieder in meinem Zimmer und ließ mich nur noch aufs Bett fallen. Ich nahm gar nicht richtig wahr, wie Faith sich zu mir legte.
Irgendwann schlief ich ein trotz der wiederholt auftretenden Übelkeit und den Schmerzen in der Magengegend.

Lucifer-verdammtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt