Holy Fire

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Warnung:
- Arson

Durch die halb heruntergelassene Jalousie hatte ich einen klaren Blick auf den immer weiter zunehmenden Mond. Die letzten Tage hatte ich ihn beobachtet und berechnet, wann er voll sein würde. Als ich begann, die Tage runterzuzählen, strahlte am Himmelszelt lediglich ein Schatten seiner selbst. Eine beinahe unscheinbare Sichel, die sich hinter den Wolken versteckte, nur ihre Armee, die Sterne, in den Krieg schickte. Mit einem breiten Lächeln betrachtete ich die fast runde Erscheinung dieser ehemaligen Sichel. Morgen, morgen war es endlich soweit. Die Flammen sollten ein Festmahl bekommen, einen Ort, an dem sonst nie das Feuer herrschte. Die Götter sollten zu spüren bekommen, wozu ihr Heiligtum in der Lage war. Ich wollte sie brennen sehen. Morgen, morgen sollte das Feuer lodern.

"Jisung? Ist alles in Ordnung? Du wirkst gerade, als würdest du nicht ganz anwesend sein." Nach einigem Blinzeln verschärften sich die Umrisse der Gestalten und Formen um mich herum. Mein Blick war auf ein Blatt Papier vor mir fokussiert, weshalb ich den Ursprung der Stimme erst suchen musste. Ich drehte mich nach hinten und fand mich direkt gegenüber meines besten Freundes wieder, oder zumindest der Person, die ich als besten Freund behandelte. Ich war nicht hier, um jemanden zu finden, der mich an diesem Ort hält. Hier war ich nur, weil ich in meinem eigentlichen Zuhause nicht mehr erwünscht war.

"Alles gut, ich bin wohl heute nicht ganz bei der Sache", scherzte ich beherzt, weil dem überhaupt nicht so war. Heute war ich fokussierter als jemals zuvor, denn heute war mein großer Tag. Heute würde ich Rache walten lassen. Ich wollte meine Feinde weinen sehen. Die Leute, die ich einst als meine Familie bezeichnete, die Leute, die mich verbannt haben wegen eines dummen Fehlers. Nein, es war gar kein Fehler. Hätte ich den Wald damals nicht in Flammen aufgehen lassen, wäre ich nicht die Person geworden, die ich gerade war. Sie hatten mir vorgeworfen, dass zu viele Menschen dabei gestorben seien, jedoch habe ich auf der Erde nie von diesem ach so verheerenden Feuer gehört. Ich saß nächtelang in Bibliotheken, recherchierte im Internet, wie die Menschen es nannten, und fragte sogar höhere Menschen nach dem Geschehen, aber es war wie ausgelöscht.

"Wir sehen uns dann." Ich antwortete nicht, gab mir nicht einmal die Mühe, irgendeine Reaktion zu zeigen. Ich wollte nicht hier sein und das zeigte ich auch offen. Niemand dieser Menschen hatte meine Anwesenheit verdient. Ich gehörte nicht hierher. Das war alles seine Schuld. Nur seine. Hätte er mich nicht in diesen Körper gesteckt und zu denen geschickt, die uns anbeten sollten, müsste er sich keine Sorgen machen. Hatte er mich vergessen? Oder lag er jede Nacht wach, besorgt, dass ich zurückkommen könnte? Wenn er nur wüsste...

Mit einem letzten Blick auf das Gebäude, in dem ich meine letzten Jahre verbracht hatte, drehte ich mich ein letztes Mal um und suchte meinen Weg durch die Menschenmasse, um nach Hause zu kommen und mich vorzubereiten. Das leere Feuerzeug in meiner Jackentasche klickte leise, als ich das Rad betätigte. Bald brauchte ich nicht einmal ein Feuerzeug, um Flammen lodern zu lassen. Dort hatte ich alles, was ich brauchte, um ein ganzes Reich auszulöschen. Ein verbittertes Schnaufen entkam mir, als ich an den Mann dachte, dem ich das alles zu verdanken hatte. Der, der mir mein Leben gegeben hatte und es nur kurz darauf wieder nahm. Und das nur, weil er es konnte.

"Wie kannst du es wagen, deinem Vater zu widersprechen? Wir haben genug Zeugen, die bestätigen können, dass du die Quelle des Brandes warst. Warum warst du auf der Erde? Warum warst du in einem Wald? Warum hast du den Funken fliegen lassen?" Stille zerriss die anderen Geräusche des Tempels, als sich unsere Blicke trafen. Mit Tränen in den Augen setzte ich zum Reden an, aber er fiel mir sofort ins Wort. "Ich kann diese Lügen nicht mehr ausstehen. Ich dachte, ich könnte dir vertrauen, aber sobald ich wegschaue, ruinierst du das Reich, das wir uns aufgebaut haben." Schuldbewusst ließ ich den Kopf hängen. Aus dem Augenwinkel erkannte ich einen sommersprossigen Jungen, der sich hinter einer der hohen weißen Säulen versteckte. Entschuldige mich, Emeras, ich wollte das nicht. Es tut mir leid. "Ich hoffe, du weißt, dass ich dich bestrafen muss." Stumm nickte ich. "Du wirst nie wieder diesen Tempel betreten, er ist heiliger Boden. Ich werde dich zu den Menschen schicken, auf dass du nie wieder deine Fähigkeit einsetzen kannst."

Baby Gays' Darktober [2022]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt