Die Blase platzen lassen

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POV Rezo
Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Warum habe ich Ju geküsst? Es gibt nur einen Grund, warum man jemanden küsst, aber trifft das zu? Muss ja, sonst hätte ich es nicht getan. Es würde alles erklären, jede Veränderung meinerseits, aber stimmt es? Mein bester Freund hat mich auch nicht angeschrien oder mir erklärt, dass es für ihn nicht das Richtige wäre, bedeutet das, dass er auch so fühlt? Wieso habe ich die Kontrolle verloren? Ich habe in jeder Situation die Kontrolle, warum hatte ich sie da nicht? Hatte ich sie vielleicht sogar? Wollte ich es? Es hat sich verdammt nochmal richtig angefühlt aber oft ist es so, dass es schließlich genau das Gegenteil ist. Julien unterbricht meine Gedanken "Gibst du mir irgendwann noch die Schlüsselkarte?" Daran erinnert, dass wir vor unserem Zimmer stehen und er nach der Karte gefragt hatte, gebe ich ihm diese und murmel noch ein "Sorry" Er grinst mich daraufhin an. Morgen nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zurück und ich überlasse Ju wieder seiner Perfektion. Ausgelaugt lasse ich mich aufs Bett fallen und schließe meine Augen, wir müssen über das Geschehene reden. Den ganzen Tag über haben wir es ignoriert, sind nicht darauf eingegangen und haben einfach unsere gegenseitige Präsenz genossen, doch jetzt? Wenn wir wieder zurück fahren, sind wir wieder in der Realität - abseits dieses Zimmers, welches wie ein Traum wirkt. Viel zu surreal ist das alles hier. Ich spüre wie sich die Matratze neben mir absenkt und ich beobachtet werde. Ist das hier vielleicht wie Las Vegas? Was hier passiert, bleibt auch hier? "Was machen wir jetzt?" Unterbricht der Schwarzhaarige schließlich die Stille "Schlafen?" Ich weiß ganz genau, dass er die Frage anders meinte aber ich will die Blase einfach noch nicht platzen lassen. Ich will sie nur noch für diese Nacht genießen können "Du weißt genau, dass ich nicht das meinte" Fuck, wieso kann er es nicht einfach auf sich beruhen lassen? "Ich weiß..." Ich habe keine Antwort, vielleicht will ich sie auch gar nicht "Meintest du es ernst?" Ja! Ja, natürlich meinte ich es ernst! Wie denn auch nicht? Hast du jemals in den Spiegel geschaut? Doch anstatt einfach die Wahrheit auszusprechen, zucke ich nur mit den Schultern. Meine Augen lasse ich weiterhin geschlossen - vielleicht ist das ganze hier einfach nur ein Traum. Ich spüre wie sich sein Gewicht verändert und öffne doch meine Augen. Er sitzt mit dem Rücken zu mir an der Bettkante - wie kann ein Rücken so gut aussehen? Seine Hände fahren durch seine Haare, eine Geste, die von ihm immer durch Nervosität oder Unwissenheit ausgelöst wird. Kurzerhand setze ich mich neben ihn und sehe ihn von der Seite an. Seine dunklen, fast schwarzen Augen sind auf die Wand vor uns gerichtet und wieder einmal sieht er durch sie hindurch "Ju?" Nun sieht er mich an und ich kann innerhalb von Sekunden in seinen Augen die Unsicherheit erkennen, bereut er es? "Ju, ich..." Sollte ich einen Rückzieher machen? Lieber sagen, dass wir es vergessen sollten? Doch bevor ich den Satz neu aufrollen kann, unterbricht mich mein Gegenüber "Bevor du jetzt irgendwas sagst ich-" Kurz schließt er seine Augen "-ich habe es genossen. Ich weiß nicht, wie ich jetzt damit umgehen soll. Vielleicht war es auch einfach nur Stressabbau..., ich weiß es einfach nicht" Julien Bam kennt man als den glücklichen, aufgeweckten Halbasiaten, aber nicht als unsicher. Ich selbst habe ihn noch nie so um Hilfe flehend gesehen, war ich das? Habe ich ihm das angetan? "Ju... es tut mir leid, ich wollte dir das nicht antun..." Seine Augen weiten sich "Was!? Nein! Du hast mir gar nichts angetan, klar?" Nicht ganz überzeugt von seiner Aussage richte ich meinen Blick vor mir auf den Boden. Meinen eigentlichen Plan, ihm von den plötzlichen gefühlen zu erzählen, vergessen. Ein seufzen kommt von meinem besten Freund, kurz darauf legt er seine Hand auf mein Bein "Das einzige, was du mir angetan hast, ist, dass du mich durcheinander gebracht hast. Ich war einfach nicht darauf vorbereitet, dass es an mir nicht spurlos vorbei geht" Wieso bin ich immer so egoistisch? Ich habe ihn geküsst. Ich verhalte mich anders als sonst. Ich zerstöre unsere Freundschaft. Und wer ist der Ehrliche? Ju. Immer muss ich es versauen. Wieso kann ich nicht einfach die Wahrheit sagen? "Ju... tut mir leid, dass das Wochenende so verläuft" Mit seiner Hand hebt er mein Kinn an, damit ich ihn endlich ansehe - wenn auch gezwungen "Du musst dich für garnichts entschuldigen. Ich hatte lange nicht mehr so ein schönes und entspanntes Wochenende" Es ist schwer seinen dunklen Augen standzuhalten. Ich habe das Gefühl, dass sie direkt in meine Seele schauen - insgeheim wünsche ich es mir, dann wüsste er, was ich fühle. Seine andere Hand auf meinem Bein drückt mich kurz "Du musst keine Angst haben. Ich bin immer noch der Verrückte, der mit dir jeden Scheiß machen würde" Dankbar lächel ich ihn an, er selbst erwidert das Lächeln. Es hat noch nie so gut getan, ihn einfach lächeln zu sehen. Damit neuen Mut gefasst ergreife ich wieder das Wort "Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit komisch verhalten habe, aber ich konnte es auch nicht abstellen..." Aufmerksam hört er mir zu, womit in aller Welt habe ich das verdient? "Und das heute in der Bahn..." Warum fällt es so schwer, es auszusprechen? Ich habe es jetzt schon so oft gedacht, was ist der Unterschied? "Es... es hat sich irgendwie richtig angefühlt?" Auf einmal bin ich mir nicht mehr so sicher, hat es sich richtig angefühlt? Oder war es, wie Ju gesagt hat, nur Stressabbau? Nun sieht mich Julien fragend an, er muss gemerkt haben, dass ich mir unsicher bin. Um irgendwie der Situation zu entfliehen, stehe ich auf und verlasse den Raum.
Ich finde mich auf dem Balkon wieder. Die etwas kalte Abendluft kühlt meine erhitzte Haut ab. Wann ist mir so warm geworden? Doch lange kann ich die Ruhe nicht genießen, da Ju hinterher kommt "Die frische Luft tut gut" Stellt der Schwarzhaarige fest, ich nicke nur. Was soll ich sagen? Wie soll ich ihm etwas sagen, wenn ich mir selbst nicht im Klaren darüber bin? Er versucht mir zu helfen "Erzähl mir einfach deine Gedanken" Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob er vielleicht doch Gedanken lesen kann. Ich schließe meine Augen und atme tief ein, nur um kurz die Luft an zu halten und sie dann wieder aus zu atmen "Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Wie soll ich jemandem etwas erzählen, wenn ich es selbst nicht weiß?" Er sieht mich wissend von der Seite an und versucht mir zu helfen, meine Gedanken zu ordnen "Was weißt du denn nicht?" Wie soll ich das denn jetzt beantworten? Ich weiß es eben nicht! Verzweifelt vergrabe ich meine Hände in meinen Haaren. Mein Blick fällt in die Augen von Ju. Abwartend mustern sie mich, wie oft habe ich mich in ihnen verloren? Wie oft habe ich beim Podcast aufnehmen vergessen, ihm zuzuhören, weil ich ihn einfach nur angesehen habe? Und plötzlich habe ich eine Antwort auf seine Frage. Nicht wissend, ob es gut ist, diesen Gedanken zu äußern, umschlinge ich meinen Oberkörper und richte meinen Blick auf den Horizont vor uns "Ich weiß nicht, ob ich es vielleicht einfach verdrängen sollte" Ich spüre seinen fragenden Blick auf mir "Dass..." Wieder schließe ich kurz meine Augen und höre meinem Körper kurz zu. Meine Beine und Füße sind von dem Tag erschöpft und tun etwas weh, während mein Herz gerade daran arbeitet, aus meinem Brustkorb aus zu brechen. Natürlich ist auch in meinem Bauch keine Ruhe, denn dort scheinen tausende von Schmetterlingen zu hausen "...dass ich dich mehr mag, als ich sollte" Angst vor seiner Reaktion bleibt mein Blick starr auf die Ferne gerichtet. Aus dem Augenwinkel nehme ich ein Kopfschütteln von ihm wahr. Da ist es. Ich habe unsere Freundschaft zerstört. Wie konnte ich auch so dumm sein und es ihm sage? Einmal in meinem Leben hätte ich die Klappe halten sollen. Unerwartet umarmt mich Ju von hinten und legt seinen Kopf auf meiner Schulter ab, ich versuche die angesammelten Tränen zurückzuhalten. "Du denkst manchmal einfach zu viel." Ohne es verhindern zu können, fließt eine einzelne Träne aus meinem Augenwinkel. Vorsichtig wischt der Schwarzhaarige sie weg, danach löst er meine verkrampften Finger vom Geländer, wann hatte ich das getan? Erschöpft lehne ich mich an den Halbasiaten "Ich mag dich auch" flüstert er mir schließlich ins Ohr. Sofort explodiert mein Bauch, während mein Herz kurz aussetzt. Ich spüre wie er mich hauchzart am Hals küsst "Na los, wir sollten wieder rein" Sagt er und zieht mich hinter sich her, nur um dann selbst ins Bad zu gehen "Mach dich schon mal Bettfertig, ich komme gleich.''
Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, ziehe ich mich um und lasse mich ins Kissen sinken. Ich hatte lange nicht mehr so einen Tag, der so anstrengend war. Mental bin ich komplett matsche... trotzdem glücklich. Träume ich wirklich nicht? Um dies zu testen, kneife ich mich selbst in meinen Unterarm "Nein, du träumst nicht" kichert Ju, ertappt sehe ich zu ihm, wann kam er aus dem Bad? Schnell krabbelt er unter die Decke und legt sich wie schon gestern Abend in meine Arme mit seinem Kopf über meinem Herz. "Träume ich wirklich nicht?" Hake ich vorsichtshalber nochmal nach "Nein, tust du nicht" Er selbst scheint von diesem Gedanken belustigt zu sein "Was ist daran so lustig?" "Darüber lache ich nicht... nicht direkt" Jetzt bin ich verwirrt "Und über was lachst du dann?" Jetzt fängt er richtig an zu lachen, was hat er nur schon wieder "Geht's?" Er wischt sich ein paar Lachtränen weg "Wie lange gibt es unseren Ship schon?" Jetzt muss ich auch kichern "Keine Ahnung" "Die würden jetzt voll ausrasten, wenn die wüssten, was hier gerade passiert ist" Meine eigenen Gedanken wandern zum Skript von Akt 2 "Jetzt kann ich meine Rolle viel authentischer spielen" Äußere ich meinen Gedanken "Welche Rolle?" "Bei 'Songs aus der Bohne', ich hab da ja laut Skript was für dich übrig" Ju selbst fängt wieder an zu kichern "Wer hat das eigentlich geschrieben?" Jetzt wird der Schwarzhaarige etwas leiser "Wir brauchten einen plausiblen Grund, warum ich halbnackt im Van aufgewacht bin und das einzige was mir eingefallen ist, war Juzo" Gibt er etwas kleinlaut zu "Mir gefällt die Idee, dass ich dich ausgezogen habe" Auch wenn ich den auf mir liegenden nicht direkt ansehen kann, weiß ich, dass er gerade einer Tomate konkurrenz macht. Ich kann meine Sprüche echt nicht sein lassen "Nur traurig, dass wir dich killen" Ich zucke mit den Schultern "Vielleicht besser so, sonst wäre irgendwie vielleicht doch ne' Beziehung zwischen den Rollen entstanden und die Fans hätten was rein interpretiert" Er wendet etwas ein "Naja, falsch wäre die Interpretation ja nicht gewesen... Standpunkt jetzt" Daraufhin fangen wir an zu kichern. "Stimmt" gebe ich ihm recht. Der Kontrast von der jetzt lockeren Stimmung von der geraden noch angespannten fasziniert mich. Immer wieder fasziniert mich der Breakdancer. Wie schafft er das? Zufrieden schließe ich meine Augen. Meine linke Hand zeichnet automatisch undefinierbare Muster auf Juliens Rücken, während meine andere von ihm festgehalten wird. Als ob er so verhindern will, dass ich jetzt aufstehe und gehe. Ich würde ihn jetzt niemals alleine lassen, würde es jetzt niemals übers Herz bringen, ihn von mir zu schieben und aufzustehen. Es ist ungewohnt, ihn so nah an mir zu haben. Am Abend zuvor lagen wir zwar so ziemlich in derselben Position, aber da war es anders. Wir haben davor kein so intimes Gespräch gehabt, wir haben davor einfach rum gealbert und über belanglose Themen geredet, aber heute... heute ist es realer. Heute ist es bewusster. Heute sind wir nicht zufällig in dieser Position gelandet, heute hat sich Julien bewusst auf meine Brust gelegt. Bewusst, dass ich es genießen würde. Bewusst, dass ich genau das jetzt brauche. Bewusst, dass ich es liebe, ihn so im Arm halten zu können. Ihn so beschützen zu können, egal ob vor surrealen Sorgen oder seinen eigenen Gedanken. Und da wird mir klar, dass ich etwas richtig stellen muss "Ju?" Er scheint schon halb eingeschlafen zu sein "Ich war vorhin nicht ganz ehrlich zu dir, ich mag dich nicht... Ich liebe dich" Ich hätte niemals gedacht, dass es so erlösend ist, es auszusprechen "Ich weiß" Antwortet er nur darauf. Ich gebe ihm einen sanften Kuss auf sein rabenschwarzes Haar "Gute Nacht" flüster ihm zu "Gute Nacht... Ich liebe dich auch" Ein Lächeln taucht auf meinen Lippen auf und mit genau diesem Lächeln schlafe ich ein.

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Es ist offiziell! Ich gebe auf! Warum plane ich einen Plot und einzelne Kapitel, wenn ich am Ende eh was komplett anderes schreibe? Ursprünglich wollte ich die beiden (und euch) noch etwas zappeln lassen aber dieses Kapitel hat sich gestern einfach selbst geschrieben. Allgemein hab ich nicht das Gefühl, dass ich die Kontrolle habe - wie als wenn die Figuren selbst entscheiden und ich es nur aufschreibe xD
Ich laber schon wieder viel zu viel.
Ich hoffe wirklich, dass euch das Kapitel gefallen hat (ich selbst weiß noch nicht, ob ich es lieben oder hassen soll) und wünsche euch eine erfolgreiche Woche <3
DeguKing

Eine Auszeit nehmenWhere stories live. Discover now