Kapitel 6

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Also ganz ehrlich, man kann mein Herz bestimmt bis nach Hause hören, als ich am nächsten Tag vor dem Haus Nummer 15 im Uferweg stehe. Lissas Mum war so nett und hat mich hergebracht. Meine Hand schwebt schon vor der Klingel, aber irgendwie traue ich mich dann doch nicht. Bin ich überhaupt passend angezogen? Kurze Shorts, rotes T-Shirt und dunkle Sneaker. Spielt es überhaupt eine Rolle? Keine Ahnung. Ich atme einmal tief durch und drücke auf die Klingel. Ungeduldig trete ich von einem Bein aufs andere. Ist er überhaupt schon zu Hause? Er hat doch geschrieben, er hat Fußballtraining, vielleicht kommt er erst. Da endlich öffnet eine rothaarige Frau um die Vierzig die Haustür. Sie hat die gleichen blauen Augen wie Jannik und ist ausgesprochen hübsch. Das muss seine Mutter sein. "Hallo.", sage ich und strecke ihr meine rechte Hand zum Gruß entgegen. Aber anstatt meine Hand zu schütteln, nimmt die Frau sie in ihre Hände und drückt sie. "Du musst Elisa sein! Jannik hat schon so viel von dir erzählt. Komm doch herein!", fordert sie mich auf. "Ich bin Elisabeth, Janniks Mum. Aber bitte sag Liz zu mir!" Ich folge ihr in ein helles Vorhaus. Es ist wunderschön eingerichtet. Mit Duftkerzen und stilvoller Deko. Genau mein Geschmack. Wenn es nach mir ginge, würde ich unsere ganze Villa mit Duftkerzen ausstatten, aber Dad ist strikt dagegen. "Jannik ist oben in seinem Zimmer. Die Treppe rauf und die zweite Tür links." Liz dreht sich zu mir um. "Möchtest du vorher noch etwas trinken?", will sie wissen. Ich lehne höflich ab und steige die Treppe hinauf.

Auch im Oberstock ist alles hell und freundlich. Ich drehe mich nach links und gehe auf die zweite Tür zu. Schon wieder zögere ich mit erhobener Hand. Ich atme zittrig ein und versuche, mich zu beruhigen. Es ist alles gut, Elisa. Du gehst jetzt da rein und versuchst, nicht allzu aufgeregt zu sein und alles andere ergibt sich! Ich will gerade anklopfen, als plötzlich die Tür aufgerissen wird und ich mit Jannik zusammenpralle. Meine Stirn knallt mit voller Wucht gegen seine Nase. "Ah!", ruft Jannik aus und stolpert rückwärts zurück ins Zimmer. In meinem Kopf pocht ein dumpfer Schmerz. "Oh Gott Jannik!", rufe ich entsetzt und laufe zu ihm hinüber. Er hat sich auf die Bettkante gesetzt. Eine dunkle Flüssigkeit tropft auf den Boden und ist auf seiner Nase verschmiert. Blut. Ich spüre, wie mir schwindlig wird und sich alles zu drehen beginnt. Ich fange an zu taumeln und muss mich an der Schreibtischkante abstützen, sonst falle ich um.
"Du kannst kein Blut sehen!", stellt Jannik plötzlich erschrocken fest.

Mir wird übel und ich stürme aus dem Zimmer. Mir fällt gerade noch rechtzeitig ein, dass ich, als ich heraufgekommen bin, an der ersten Tür im Flur die Aufschrift WC gesehen habe. Ich stürze hinein und erbreche mich in die Toilette. Schweißtropfen stehen auf meiner Stirn und ich stehe vorsichtig auf, um mir am Waschbecken den Mund auszuspülen und den ekligen Geschmack des Erbrochenen loszuwerden. Damit mir vom Geruch nicht gleich noch einmal übel werden kann, öffne ich das Fenster in dem winzigen Raum. In diesem Moment taucht Jannik auf, bleibt im Türrahmen stehen und presst sich ein Taschentuch an die Nase. "Wie geht es dir?", fragt er und es klingt lustig, mit dem Taschentuch vor der Nase.

"Geht schon wieder. Aber so habe ich mir meinen ersten Besuch bei dir definitiv nicht vorgestellt." Ich muss lachen. "Und wie geht's dir? Es tut mir so leid!" Ich beäuge sein Taschentuch kritisch. "Du kannst ja nichts dafür! Ich habe nur ein wenig Nasenbluten. Das bekomme ich immer schon bei der kleinsten Reizung, was vor allem beim Fußball ziemlich nervig ist. Tja, das war mal eine etwas andere Begrüßung!" Er grinst schon wieder, was mich etwas positiver stimmt. "Ich hole uns mal was zu trinken. Du kannst in der Zwischenzeit zurück ins Zimmer gehen.", sagt er und macht sich auf den Weg nach unten. Ich gehorche und setze mich auf die Kante seines riesigen Bettes. Das Blut am Boden hat Jannik aufgewischt und die Fenster stehen weit offen. Die leichte Brise tut gut. Ich sehe mich um. Die Wände sind weiß gestrichen. In der einen Ecke steht das Bett, in der anderen der Schreibtisch. Auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers befindet sich ein großer Kleiderschrank und daneben ein kleines Regal, auf dem ein paar Schulbücher liegen. Daneben stapelt sich etwas.

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