Kapitel 8

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Als ich nach einer halben Stunde langsam Kopfschmerzen vor lauter Grübeln bekomme, gebe ich auf und bombardiere Jannik wieder mit Fragen, um mich abzulenken. "Was ist eigentlich deine Lieblingsfarbe?"
"Grün."
"Deine Lieblingssüßigkeit?"
"Schoko."
"Haustiere?"
"Zwei Vogelspinnen."
Oh Gott, ich habe krasse Angst vor Spinnen und wenn ich daran denke, dass sie möglicherweise in Janniks Zimmer herumgekrabbelt sind... Iihh! Mein Freund lacht, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck sieht. "Das war nur Spaß! Meine Mum hat ein Pferd auf einem Hof in der Nähe stehen. Aber das zählt eigentlich nicht als Haustier. Hast du echt gedacht, wir haben Vogelspinnen zu Hause?!" Jetzt, wo ich genauer darüber nachdenke, fällt mir ein, dass Dad ja eigentlich nur Großtiere versorgt, während Mum sich auf die Kleintiere spezialisiert hat. Hätte Jannik Vogelspinnen, wäre Liz auf Mums Telefonliste gestanden und nicht auf der von Dad. Obwohl ich nicht glaube, dass Mum Spinnen verarztet.

"Naja, im ersten Moment schon.", gebe ich zu. "Aber deine Mum hat ein Pferd? Cool. Ich wollte schon immer mal reiten gehen, aber da Mum und Dad nie Zeit haben und wir jedes Mal so lange brauchen, bis wir irgendwo sind... Wir wohnen ja in der kompletten Einöde, wie du schon mitbekommen hast. Darf ich fragen, welche Rasse?" Ich bin ganz aufgeregt. Ein Pferd? Ich liebe Pferde! Wie wahrscheinlich so ziemlich jedes Mädchen auf dieser Welt. Außer Mia. Sie findet, dass Pferde stinken. Dieses Thema hat schon oft zu Streit zwischen uns beiden geführt.
"Sternchen ist eine Haflingerstute. Den Namen hatte sie schon, als Mum sie gekauft hat.", grinst Jannik. "Sie ist schon uralt, achtundzwanzig. Sie steht auf dem Amselhof und Mum fährt mindestens viermal die Woche zu ihr. Manchmal reitet sie noch, aber momentan nicht, weil Sternchen lahmt. Dein Vater war erst vor Kurzem bei ihr und hat sich ihr Bein angesehen.", erklärt er.

Davon hat Dad gar nichts erzählt. Aber wieso sollte er auch? Für ihn war Liz gleich wie alle anderen, deren Tiere er versorgt. Er konnte ja nicht wissen, dass ich mit ihrem Sohn zusammen bin. "Glaubst du, deine Mum könnte mich mal auf den Amselhof mitnehmen?", will ich wissen.
"Sie wird sich sicher freuen." Seine Augen verfinstern sich. Aber ich habe keine Zeit, ihn zu fragen, warum. Denn wir sind bereits zu Hause angekommen und mir wird übel. Die Fahrt ist viel zu schnell vergangen und ich habe noch immer keinen Plan, wie ich Jannik am besten meinen Eltern vorstelle. Er ist bereits ausgestiegen, um das Auto herumgelaufen und hält mir nun die Tür auf. Ich schlucke, schnalle mich ab und steige aus. Ich werfe Jannik noch einmal einen flehenden Blick zu, in der Hoffnung, dass er doch nachgibt und mir bis morgen Zeit lässt.

"Wir bringen das jetzt hinter uns, dann ist es vorbei. Es bringt so oder so nichts, wenn du es immer weiter hinauszögerst. Und außerdem wird es sicher nicht so schlimm. Du wirst sehen.", versucht er mich aufzuheitern. Ich gebe mich geschlagen und Jannik greift nach meiner linken Hand. Gemeinsam betreten wir die Villa. Es ist halb zehn und leider sind Mum und Dad schon zu Hause. Wenn sie nicht dagewesen wären, hätte ich wenigstens eine Ausrede gehabt, um das Kennenlernen trotzdem auf morgen zu verschieben. Ich atme tief durch und wir gehen in die Küche. Mum steht am Herd und dreht sich um, als wir hereinkommen. Dad sitzt am Esstisch und blickt von seinem Abendessen auf. Mia schläft hoffentlich schon, jedenfalls ist sie nicht hier. Ich räuspere mich verlegen und Jannik drückt beruhigend meine Hand. "Hi. Ähm... Mum, Dad... Ich würde euch gerne meinen Freund vorstellen."
Auf meinem Gesicht kann man sicher Spiegeleier braten, so wie es glüht. Mum fängt sich als Erste. "Oh, schön, dich kennenzulernen, äh...", stottert sie und blickt mich hilfesuchend an, weil sie ja nicht weiß, wie mein Freund heißt. "Jannik.", sagt dieser und schüttelt höflich Mums Hand. "Jannik Maurer. Es freut mich auch, Sie kennenzulernen, Frau Winkler!" So förmlich kenne ich ihn gar nicht. "Oh, Jannik. Sag einfach Du zu mir, ich bin Christina." Mum lächelt Jannik fröhlich an.

Dad erhebt sich etwas steif von seinem Stuhl und kommt auf uns zu. Mum wendet sich wieder dem Essen am Herd zu. "Hallo, ich bin Matthias. Darf ich dich jetzt mal ganz unhöflich fragen, ob du mit Elisabeth Maurer verwandt bist?", will Dad wissen. "Ja, sie ist meine Mutter.", antwortet Jannik. "Jetzt wo du es sagst... du siehst ihr wirklich sehr ähnlich. Wie geht es Sternchen?" Es war irgendwie klar, dass Dad sich sofort nach dem Pferd erkundigt, aber ich bin froh, dass nicht die ganze Aufmerksamkeit auf mir ruht und dass sie ein Thema gefunden haben, über das sie plaudern können. Besser als peinliches Schweigen.
"Sie lahmt noch immer ein bisschen, aber es wird langsam besser.", antwortet Jannik. "Gut, richte deiner Mutter bitte aus, dass ich morgen noch einmal vorbeischaue.", sagt Dad und mein Freund verspricht, es ihr auszurichten. Dad setzt sich wieder an den Tisch und isst weiter.

"Möchtet ihr auch etwas essen?", wendet sich Mum an uns. "Nein danke, ich nicht. Ich muss wieder nach Hause, es ist schon ziemlich spät.", entschuldigt sich Jannik. Dann drückt er nochmal meine Hand, flüstert mir ein Bis morgen zu und verabschiedet sich auch von meinen Eltern. Kaum fällt die Haustür ins Schloss, räuspert sich mein Vater und sieht mich an. Ich stehe noch immer mitten in der Küche, ohne mich zu bewegen. Bevor Dad etwas sagen kann, fährt Mum dazwischen. "Ich glaube, mit Jannik hast du wirklich einen guten Treffer gelandet." Dad stimmt ihr mit einem Brummen zu und ich gebe nur ein schüchternes Mmhh von mir. An Mum gewandt, sage ich dann: "Ich habe auch keinen Hunger mehr." Mit einem Gute Nacht verlasse ich eilig die Küche und schließe mich im Bad ein. Ich stelle mich vor den Spiegel, betrachte mein Spiegelbild und atme tief durch. Geschafft. Mum und Dad scheinen Jannik zu mögen. Glücklich steige ich in die Dusche.

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