Kapitel 15

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Mein Herz klopft und ich bin mega aufgeregt. Ich stehe mit Alice bei der Bushaltestelle und wir warten auf Thomas.
Thomas und ich haben beschlossen, nicht gleich jedem zu sagen, dass wir zusammen sind.
Ich laufe seit gestern mit einem Dauergrinsen durch die Gegend und Alice fragt sich sicher schon, ob ich komplett durchgeknallt bin.
"Wann kommt dein Freund denn?", will sie spöttisch wissen. Sie kann es einfach nicht lassen.
Ich verdrehe die Augen. "Er ist bestimmt gleich da!", meine ich nur. Und tatsächlich: Ein paar Sekunden später biegt er um die Ecke.
"Hi Mädels!", begrüßt er uns und berührt unauffällig meine Hand. Dort, wo mich seine Finger streifen, kribbelt es unter meiner Haut.

Wir steigen in den Bus und setzen uns in die letzte Reihe, die zum Glück noch frei ist. Ich sitze neben Thomas, unsere Knie berühren sich. Mein Herz klopft so laut, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass er es hört.
Als wir vor dem Gymnasium aussteigen, seufzt Alice laut. "Ich habe dieses Gebäude nicht vermisst!"
Schließlich müssen wir alle drei lachen.
Ich bin glücklich und unglaublich froh, dass ich mit ihr und Thomas im gleichen Jahrgang bin. Vielleicht kommen wir heuer sogar in eine Klasse. Schon komisch, dass mir die Beiden bis jetzt noch nie aufgefallen sind, obwohl Alice ja definitiv Wiedererkennungswert hat und Thomas natürlich auch.

"Gehen wir mal zu Frau Wipfler und holen unsere Stundenpläne ab und die Klasseneinteilungen. Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Unterrichtsbeginn.", meint mein Freund und wir stimmen ihm zu.
Im Foyer wimmelt es nur so vor Schülern. Da ich eigentlich keine Freundinnen außer Lissa hatte, brauche ich nach niemandem Ausschau zu halten. Mein Herz zieht sich zusammen bei dem Gedanken daran, Lissa nicht mehr in meiner Klasse zu haben, keine Hausaufgaben mehr gemeinsam zu machen und nicht mehr zusammen lachen zu können. Ich frage mich, wann dieser Schmerz nachlassen wird, wenn ich an sie denke. Wahrscheinlich nie.

Alice wird gleich von zwei Mädchen in Beschlag genommen, die unbedingt wissen wollen, was sie in den Ferien gemacht hat, und Thomas unterhält sich mit ein paar Jungs, die mir ziemlich unsympathisch sind, weil der ein oder andere schon mal ein gemeines Wort über mich fallen gelassen hat, obwohl sie mich ja gar nicht kennen.
Ich fühle mich irgendwie alleingelassen und mir wird erst jetzt klar, wie wenig ich bis jetzt eigentlich von meiner Welt mitbekommen habe. Mit ziemlicher Sicherheit bin ich auch Alice und Thomas schon mal begegnet. Aber ich hatte Lissa und alles andere hat mich nicht interessiert, aus Angst davor, noch schlimmer von einigen gemobbt zu werden.
Ich meine, was habe ich erwartet? Dass die Beiden keine Freunde außer der Amselhof-Clique haben? Ich bin so naiv und egoistisch.
Ich bin diejenige, die einfach so in ihr Leben geplatzt ist. Nachdenklich schleppe ich meine Sachen zu meinem Spind vom Vorjahr, nehme nur meinen Schulrucksack mit und mache mich auf den Weg zu Frau Wipfler.

Anneliese Wipfler ist eine strenge und launische Sekretärin mit kurzen grauen Haaren und einer riesigen Brille. Sie ist um die fünfzig und ich will jetzt nicht indiskret sein, aber sie ist so dick, dass sie nichts anderes anziehen kann als Röcke und selbstgestrickte Westen. Der Schreibtischsessel droht, unter ihrem Gewicht zusammenzubrechen. Heute scheint sie noch schlechter gelaunt zu sein als sonst.
Irgendwie verständlich am Schulanfang, wenn alle etwas von ihr brauchen.
Ich bemühe mich, möglichst freundlich zu lächeln. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und blitzenden Augen sieht sie mich an, als ich vor ihr stehen bleibe.

"Fräulein Winkler.", grummelt sie und ich versuche krampfhaft, mein freundliches Lächeln aufrechtzuerhalten. Unbeeindruckt klatscht sie den Stundenplan vor mir auf den Tisch. Ihre Wurstfinger lösen sich mit einem schmatzenden Geräusch von dem Papier und hinterlassen feuchte Abdrücke. Ich versuche, meinen Ekel zu verbergen.
"Ich nehme an, den Gebäudeplan benötigen Sie nicht mehr oder besitzen noch den vom Vorjahr. Sonst noch was?", schnauzt Frau Wipfler.
"Die Liste mit den Klasseneinteilungen bitte."
Auch dieser Zettel wird vor mir hingeklatscht.
Ich verabschiede mich schnell und mache mich auf den Weg in den Biologiesaal, wo meine erste Stunde stattfindet.

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