Von der Bushaltestelle zu mir nach Hause und umgekehrt, waren es vielleicht fünf Minuten Fußweg, doch diese fünf Minuten und die Fehleinschätzung meiner Geschwindigkeit hatten schon häufiger dazu geführt, dass ich in der Früh den Bus, mit dem ich normalerweise fuhr, verpasste und letztlich auf den späteren warten musste. Doch dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, pünktlicher aus dem kleinen Haus am Ende der Straße zu gehen, um nicht dauernd die ersten zehn Minuten der ersten Stunde zu verpassen, mal ganz davon abgesehen, dass die Ausreden letztes Jahr irgendwann nicht mehr gezogen hatte.
Als ich endlich aus dem miefigen Bus steigen konnte, atmete ich erstmal tief ein. Es war angenehm nicht mehr den Geruch von dreckigem, abgeriffenen Gummi, Abgasen und Schweiß in der Nase haben zu müssen. Trotzdem beeilte ich mich nach Hause zu kommen.
Ich schloss die Haustür auf. "Muuum?" Keine Antwort. Sie war anscheinend gerade nicht zu Hause. Sowie ich sie kannte, hatte sie aber vermutlich trotzdem Essen für mich bereitgestellt. Meine Schulsachen schmiss ich erst mal an den Treppenabsatz der Treppe, die hoch zu meinem Zimmer führte. Da mich meine Mutter vermutlich gekillt hätte, wenn ich mit den Schuhen durch die Wohnung lief, zog ich diese noch kurz aus und ging dann in Richtung Küche.
Ich hatte richtig geraten: Ein Teller stand auf der Anrichte, ein Zettel lag daneben. "Ich treff mich noch mit Elwine in der Stadt. Bin gegen 17 Uhr wieder zu Hause."
Elwine war die beste Freundin meiner Mutter und, um ehrlich zu sein, war ich froh, dass sie nicht auf die Idee gekommen waren ihr wöchentliches Kaffeetrinken hier zu veranstalten. Das artete jedes Mal aus und am Ende saßen Elwine und meine Mutter um elf Uhr nachts noch gemeinsam auf der Terrasse und genossen statt ihres Kaffees ein Glas Rotwein. Dann wurden immer alte Geschichten ausgepackt -meistens irgendwelche peinlichen aus meiner Kindheit-, die vor allem ich nicht unbedingt hören wollte. Den alten Weibern war das aber egal. Hauptsache es unterhielt sie. Nicht, dass ich etwas gegen meine Mutter hätte, aber es war doch nervig abends noch von unten Gesprächsfetzen über alte Kamhellen nach oben geweht zu bekommen, weil mein Zimmerfenster direkt über unserer Terrasse lag.
Mit dem Teller, auf dem sich übrigens ziemlich geiles Asiafood von gestern befand, und meinen Schulsachen ging ich nach oben in mein Zimmer. Ich flaggte mich aufs Bett, schaltete meinen Fernseher ein und ließ mich berieseln, während ich aß. Zwischendurch blickte ich auf mein Handy, checkte, was es Neues gab, und bemerkte, dass Marie, ein ziemlich hübsches Mädchen aus der Jahrgangstufe unter mir, mir endlich zurückgeschrieben hatte. Die ganze Sommerferien über hatte ich bereits versucht mich an sie ranzumachen, hatte sie aufs Kino eingeladen, war mit ihr Eisessen gegangen und hatte ihr angeboten gemeinsam DVDs zu schauen. Trotzdem hatte sie keine Anstalten gemacht auch nur irgendwie mehr Interesse an mir zu zeigen. Für gewöhnlich klappten solche Vorhaben bei mir schneller, doch Marie war da anders. Sie war da ... zurückhaltender. Keine Ahnung warum. Knallen würde ich sie trotzdem, wenn sich mir die Gelegenheit bieten würde.
"Hi Andy! :) Heute Zeit? Könnte ja vorbeikommen ^-^"
YES!
"Klar. Kann dich gerne auch von der Haltestelle abholen, wenn du magst :) Weißt ja, wo ich wohn.", tippte ich zurück. Kurz darauf hatte sie mir bereits geantwortet. "Wäre lieb von dir :) So um drei?" Drei wäre perfekt, dann hatten wir noch zwei Stunden, ehe meine Mutter zurück kommen würde. Sie hatte zwar generell kein Problem mit Frauenbesuch, aber was sie störte, war meine Angewohnheiten nicht lange bei ein und der selben zu bleiben. Aber hey, ich war jung, ich wollte mein Leben auskosten und genießen. Immer wieder neue Sachen ausprobieren. Da gehörten auch verschiedene Mädchen dazu. Ich hatte die Hoffnung ja auch noch nicht aufgegeben, dass ich vielleicht unter all den One Night Stands eine für Länger fand, doch bist jetzt hatte es eben nicht sollen sein. Vielleicht auch, weil ich gar nicht so sehr daran interessiert war so jemanden zu finden. Und mit dem Rest konnte man immerhin angeben.
Punkt drei stand ich schließlich frisch geduscht und noch mal umgezogen an der Haltestelle in der Nähe meines Hauses und wartete. Ich blickte auf mein Handy: 15:01 Uhr. Der Bus bog um die Ecke und hielt wenig später. Zwei, drei Personen stiegen auf, doch Marie war nicht unter ihnen. Zumindest realisierte ich es im ersten Moment nicht, denn plötzlich stand sie vor mir: Ihre langen, blonden Haare hatte sie zu einem Zopf zusammen gebunden, ein luftiges Sommerkleidchen bedeckte ihren zierlichen Körper.
"Hi.", kam es etwas verlegen von ihr. "Hi.", antwortete ich, stand auf und umarmte sie kurz zur Begrüßung. "Wie geht's?" Sie zuckte leicht mit den Schultern. "Geht so.", meinte sie und sah dabei nicht ganz glücklich aus.. "Warum nur 'geht so'?", ließ ich fragend erklingen. "Erinnerst du dich an Elli?" Ich nickt, obwohl ich keine Ahnung hatte, wen sie meinte. Wir hatten uns bereits in Bewegung gesetzt, als sie wieder antwortete: "Sie ist ja meine beste Freundin, mit der ich letztes Jahr auch noch in einer Klasse war, aber sie ist ja leider sitzen geblieben und ohne sie ist es irgendwie etwas einsam." Ich nickte nur verständnisvoll und ließ Marie weiter erzählen. Wenn ich eins gelernt hatte aus meinen zahlreichen Eskapaden, dann war es, dass man Frauen am Besten einfach reden ließ. Ob man nun zuhörte oder nicht, war eigentlich irrelevant. Hauptsache man heuchelte Interesse.
Zuhause angekommen, sperrte ich die Haustür auf und ließ Marie den Vortritt. In den nicht einmal fünf Minunten Fußmarsch hatte sie es doch tatsächlich geschafft mir ihr halbes Leben zu erzählen, beginnend bei dem ersten Mal, dass ihre beste Freundin, deren Name mir bereits wieder entfallen war, und sie sich getroffen hatten. Was interessiert mich das? Trotzdem, ich blieb still, nickte ab und zu zustimmend und hörte weiter zu, auf dass es noch Früchte tragen möge.
Oben in meinem Zimmer setzten wir uns auf mein Bett. Marie hatte ihre Erzählung über besagte beste Freundin endlich beendet und war seltsam still geworden. "Willst du was zu trinken?", fragte ich also zuvorkommend. Sie schüttelte nur leicht den Kopf. "Alles in Ordnung?" Marie seufzte und brauchte eine Weile, um erneut ihren Mund aufzubekommen. "Andy, was... was ist das zwischen uns?" Ich hob etwas verwundert die Augenbrauen. Ehrlich gesagt hatte ich Marie nicht so eingeschätzt, dass sie tatsächlich so offen sein konnte.
"Was soll das zwischen uns denn sein?", hakte ich daher nach.
"Naja. Inwiefern bist du an mir interessiert... ist das da so eine freundschaftliche Basis oder .. mehr?"
Ich grinste etwas verschmitzt. War da jemand etwa verknallt? Marie wurde rot, als sie zu mir aufblickte und anstatt ihr zu antworten, hob ich eine Hand, streichelte sanft über ihre Wange und zog sie dabei leicht zu mir her. Sie hatte ihre Augen bereits geschlossen, als ich ihr näher kam. Meine Lippen berührten die ihren. Es war ein zärtlicher, aber kurzer Kuss.
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Endlich passiert auch hier mal wieder was :D
Sorry für's Vernachlässigen, aber das nächste Kapitel ist bereits fertig und muss nur noch einmal überarbeitet werden :3
Viel Spaß damit und ich freu mich auf eure Reaktionen ^-^
LG Heide :x
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Die Suche nach dem Bug
FanfictionStell dir vor, du hättest jahrelang kaum jemandem wirklich vertrauen können. Aufgewachsen in einem Heim, in Pflegefamilien vermittelt worden, in denen du dich nie so richtig zuhause gefühlt hast und dann noch einen schweren Unfall, seit welchem du d...