Freitag. Endlich Freitag. Endlich die Erlösung ins Wochenende und das einzige, was diese Aufbruchsstimmung, dieses Gefühl von Freiheit noch trüben konnte, war der bevorstehende Schultag.
Mit einem leichten Seufzen drückte ich die Kippe an der Betonwand der Schule aus, die sich so oder so mal um einen neuen Anstrich hätte kümmern können, hing mir meine Tasche, die nur so übersät mit Patches und Buttons war, um und schloss mich dem Strom der Schüler, die in ihre Klassenzimmer eilten, an. Während die anderen sich selbst hetzen zu schienen, um möglichst pünktlich zum Unterricht zu kommen, ging der mir gerade gehörig am Arsch vorbei, auch wenn mich mir - streng genommen- doch eigentlich vorgenommen hatte, dieses Jahr, wo es doch immerhin um meinen Abschluss ging, mich etwas mehr anzustrengen, aber wie das so häufig war vor dem Wochenende hatte mich meine Motivation kurzfristig verlassen.
Es gongte und ein Blick auf mein Handy, das eigentlich auch hätte ausgeschalten sein müssen, wenn man es genau nahm (But who the fuck cares?!), verriet mir, dass ich sogar noch fünf Minuten hatte, bevor der Unterricht beginnen würde. Gechillt ging es also in den ersten Stock. Ein Blick beim Eintreten reichte, um zu begreifen, dass Frau Meyer eh noch nicht anwesend war und so wie er sie kannte, vermutlich noch ihre fünf bis zehn Minuten brauchen würde, bis sie auftauchte. Die Morgenstunden hatten für sie eher selten Gold im Mund - wenn man schon mal bei der Thematik der ersten beiden Schulstunden, also Deutsch, bleiben wollte.
"Moin Nico.", grüßte ich meinen Banknachbarn, der kurz nickte. "Benny war kurz da. Hat gemeint, du sollst in der Pause rüber schau'n.", kam es von diesem. "Jo, mach ich. Danke." Ich ließ mich entspannt auf dem Platz neben ihm nieder und blickte durch die Reihen. Auch unser Psycho war schon da, womit ich natürlich den seltsamen Kauz mit der fetten Narbe am Arm meinte. Ich wusste, dass ich an der Schule kein unbeschriebenes Blatt war (Es kursierten so einige Geschichten über mich), aber der Kerl topte alles, denn wer würde denn schon so selbstmordgefährdet sein, dass er dem berühmt berüchtigen Schulschläger eine gebrochene Nase verpasste. Klar, offiziell bestätig worden war das nie. Wie gesagt: Es waren eben Geschichten und wenn ich mir den Spargel so anschaute, bezweifelte ich doch, dass in ihm die Kraft ruhte so fest zuzuschlagen, aber man weiß ja nie. Psychopaten sah man schließlich auch nicht unbedingt an, dass sie Psychopaten waren.
Es gongte abermals, was so viel hieß wie: "Der Unterricht beginnt." Und ein wenig später verirrte sich dann auch unsere Lehrerin in unser Klassenzimmer mit einer "frohen Botschaft": "So, meine Lieben. Im Lehrplan steht, dass ma uns dieses Jahr ma wieder mit da Nazivergangenheit beschäftiga soilln. Dafür mach ma a Projektarbeit und weil ma in Deutsch san, mach ma des in Form eines Referats. Find's eich bittsche in Zweiergruppen ei... oder na.. das los ma aus. Dass ma ma a bissal durchmischa."
Wie diese Frau Deutschlehrerin noch dazu in Berlin werden konnte, war mir bis heute schleierhaft, trotzdem feierte ich sie für ihren Dialekt, der immer wieder dazu führte, dass die Streber der ersten Reihe sie blöd ansahen, weil sie zum Teil einfach nicht verstanden, was sie von ihnen wollte. Außerdem war sie einer der wenigen Lehrer, die es dem Schüler überließen sich anzustrengen oder eben auch nicht.
Knapp fünf Minuten später saß ich dem Narbentypen gegenüber, von dem ich noch nicht mal seinen Namen kannte, und feierte meine Lehrerin ein klitze kleines Bisschen weniger. "Jo, hi und so...", kam es von mir, um irgendeine Art Konversation aufzubauen. Mein Gegenüber nickte nur und so schwiegen wir, bis schließlich Frau Meyer an unseren Tisch kam: "So und ihr dürft's "Des siebte Kreiz" macha. Von Anna Seghers." Sie legte ein bereits recht abgegriffenes Exemplar des Buchs auf dessen Cover "Das siebte Kreuz." als Titel prangerte direkt vor mich auf den Tisch und verschwand zum nächsten Zweiergrüppche.
"Also ..ähm... ", begann ich erneut und versuchte irgendwie die Aufmerksamkeit meines Partners auf mich zu ziehen, der abwesend wirkend aus dem Fenster starrte, fast als wäre er total weggetreten, zu viel gekifft oder was auch immer. "Ich bin Andy.", stellte ich mich also vor und hoffte einfach auf eine Reaktion. "Flo.", kam es von dem Freak neben bzw. vor mir. Flo? Wie konnte jemand wie er so einen normalen Namen wie "Flo" tragen?!
"O-kay. Ich weiß nicht, wie's dir geht, aber ich hab ehrlich gesagt keinen großen Bock auf den Scheiß und würd's gern einfach nur das Nötigste machen. Is ja kein Kunstprojekt." Eine kurze Pause entstand, ehe ein "Dito" erklang und sich mein Gegenüber endlich mal dazu bequemte sich mir zuzuwenden. Einen Augenblick lang musterte er mich, wobei ich nicht darum herum kam eine Augenbraue nach oben zu ziehen. Der Kerl war freaky, obwohl ich mich selbst doch liebend gern zu den "Freaks", den "Außenseitern", den "bösen Jungs" zählte, toppte er das alles noch mal, bei der Art von Desinteresse, die er an den Tag legte. Er bemühte sich ja noch nicht einmal auch sich nur irgendwie sozial zu verhalten.
Ich blickte auf die Narbe, die obwohl sie schon ewig verheilt zu sein schien, immer noch leicht rötlich schimmerte. "Was hast'n da eigentlich gemacht?", meinte ich mit einem Blick auf das vernarbte Gewebe an seinem Arm und mir war klar, dass ich damit provozieren würde. Vermutlich hatte er die Story schon tausendmal irgendwelchen Leuten erzählt, die schafig danach gefragt hatten, war es leid sie immer und immer wiederholen zu müssen, vielleicht aber auch handelte es sich um eine delikatere Sache, die er etwa gar nicht erzählen wollte.
Flo blickte auf und ich bemerkte ein kleines Zucken an seinen Mundwinkeln. "War 'n Unfall."
"Mit'm Board?",hakte ich nach, auch wenn mir bewusst war, dass er so gar keinen Bock auf das Thema hatte. "Ne, BMX-Rad.", entgegnete mein Gegenüber. Ich hob meine Augenbraun. "BMX?" Er nickte. "Nice. Bin ich selbst lange Zeit gefahren, hat mich auch öfter übel hingefotzt, dann bin ich zum Skateboard gewechselt." Jetzt war es er, der mich leicht verwundert anschaute. "Du skatest?" Ich nickte. "Du fährst Longboard, nich?" Flo nickte. "Mit'm BMX konnte ich 'n paar Tricks, aber wie sich herausgestellt hat bin ich mit nem Brett unter den Füßen nicht sonderlich begabt, was Tricks angeht.", kam es von ihm und schon an seiner Stimmlage merkte man, dass er nicht ganz abgeneigt von unserem Gespräch war. "Übung macht den Meister und so.", gab ich zum besten. "Hab auch lange gebraucht bis ich überhaupt ma 'n Olli drauf hatte."
Ab diesem Zeitpunkt an schien das Eis langsam zu tauen. Die nächste Stunde unterhielten wir uns nur über Longboards und Skateboards -und was denn nun eigentlich besser war-, tauschten Erfahrungen über verschiedene Hersteller und Läden aus und als es dann gongte, war er in meinen Augen nicht mehr nur der stumme Freak. Er konnte sogar lächeln, wenn er nur wollte. Bei dem Thema Boards schien er sogar richtig aufzublühen. Allerdings nur bis zum Klingeln. In der Pause verschwand er in die hinterste Ecke des Schulhofs und ich ließ mich von Benny mitzerren, der mich immer noch versuchte zu überreden Nico in unser Band aufzunehmen.
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Jaja, ich weiß, dass Cookiebreed eigentlich weder raucht noch trinkt, trotzdem habe ich mich dazu entschieden, ihn das in der Story trotzdem machen zu lassen, um sozusagen seinen "draufgängerischen" Charakter noch etwas zu unterstreichen ;) Es sei hoffentlich mir verziehen ^-^ Außerdem hat Tora mir ihre Zustimmung dazu geben ;D
Rückmeldungen würden uns natürlich wie immer freuen und ansonsten einen traumhaften Tach noch :)
LG Heide :x
(und natürlich auch von Tora ^-^)
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Die Suche nach dem Bug
FanfictionStell dir vor, du hättest jahrelang kaum jemandem wirklich vertrauen können. Aufgewachsen in einem Heim, in Pflegefamilien vermittelt worden, in denen du dich nie so richtig zuhause gefühlt hast und dann noch einen schweren Unfall, seit welchem du d...