Eine Mumie sorgt für ordentlich Aufruhr

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Percy wurde wach, weil Harry in seine Hütte gestürmt kam und aufgebracht mit den Armen ruderte.

„Mein Zauberstab! Percy, mein Zauberstab ist weg!"

Schlaftrunken richtete Percy sich auf. Er hatte von einer Warnung geträumt, irgendwer, der nicht war, wer er zu sein schien, und er war noch so durcheinander, dass es einen Moment dauerte, bis er verstand, was der verstrubbelte Junge vor ihm so genau wollte.

„Dein Zauberstab?", fragte Percy und schwang sich aus dem Bett, „Ist das deine Waffe? Was kann das?"

„Na, zaubern eben. Und er ist weg. Was mache ich denn jetzt?"

„Bestimmt hat ihn Jemand aus der Hermes-Hütte geklaut", meinte Percy gähnend, „die reißen sich alles unter den Nagel, was nicht Niet- und Nagelfest ist. Aber keine Sorge, mit der richtigen Einstellung lässt sich dein Zauberding ganz schnell finden."

Er zückte einen goldenen Kugelschreiber, und zusammen gingen sie hinüber zur Hermes-Hütte.

In der Tür blieb Percy stehen, drehte die Kappe von seinem Stift, der sich plötzlich in ein glänzendes Schwert verwandelte, und brüllte: „Wer auch immer Harrys Zauberstock geklaut hat gibt ihn gefälligst zurück, oder ich flute eure Hütte!"

Einige Kinder blinzelten ihm verschlafen entgegen. „Das ist unfair, ich will nicht nass werden", jammerte ein Mädchen.

Ein dunkelhaariger Junge trat vor und reichte Harry zerknirscht seinen Zauberstab. „Tut mir leid", murmelte er und sah zu Boden, doch Harry entging das schelmische Funkeln seiner Augen und der amüsierte Zug um seine Mundwinkel nicht.

Als sie aus der Hütte kamen, erlebte Harry den nächsten Schock:
Eine grün dampfende, halb zerfledderte, kettenbehangene Mumie stolperte auf sie zu und sah ihnen aus leeren Augenhöhlen voller Rauch entgegen. 

Harry hob seinen zurückeroberten Zauberstab. Auch, wenn er in den Ferien nicht zaubern durfte, würde er sich und seine neuen Freunde verteidigen, wenn es sein musste. 

Doch Percy beruhigte ihn. „Das ist das Orakel", sagte er, „Aber eigentlich sollte es oben in seiner Mansarde bleiben..."

Dann begann die Mumie zu sprechen.

"Ein Eindringling ist angekommen

Und wurde freundlich aufgenommen

Findet ihn und schmeißt ihn raus,

dann ist die Fanfiktion endlich aus."

Die Mumie verstummte, und Harry sah Percy fragen an. Die Campbewohner hatten einen Kreis um das Orakel gebildet und sahen sich nun ratlos um. Harry konnte sie flüstern hören: „Ein Eindringling?" „Wer?" „Keine Ahnung, glaubt ihr, es ist einer von uns?"

„Wir finden diesen Eindringling schon, keine Sorge", meinte Percy wild entschlossen zu Harry, und sofort hatte dieser wieder das Bild von Percy im Kopf, der grimmig sein Schwert zog. Dann murmelte Percy etwas wie: „Als Halbgott hat man auch nie seine Ruhe." Harry fand das ganz schön arrogant von Percy, sich einfach als Halbgott zu bezeichnen.

„Na gut, hast du Lust, Kanufahren zu gehen?", fragte Percy und deutete auf den See, den er Harry gestern gezeigt hatte.

„Wieso nicht?", meinte Harry, und so schnappten sie sich ein Kanu und ruderten zusammen mit Annabeth – Grover wollte lieber „festen Boden unter den Hufen" behalten – hinaus. Zuerst war es sehr schön und sie hatten Spaß, doch dann brachen Percy und Annabeth mitten auf dem See in irgendeinen blödsinnigen Streit aus, und dabei kenterte das Kanu. 

Harry konnte zwar schwimmen, doch er konnte mit den Armen rudern, wie er wollte – irgendwas zog ihn immer weiter unter Wasser. Panisch trat er danach, bis ihm bewusst wurde, dass es das Wasser selbst war, dass ihn im Griff hatte. 

Als Harry schon dachte, er würde jämmerlich ertrinken, tauchte Percy plötzlich in einer Luftblase neben ihm auf und zog ihn mit aller Kraft in Richtung Wasseroberfläche. Der Sog um Harry herum ließ nach, und als sie auftauchten, schnappte er keuchend nach Luft.

Harry hatte erst einmal genug vom See. 

Zurück am Ufer zogen Annabeth und Percy das Kanu an Land. Komischerweise war Percy gar nicht nass geworden, obwohl er doch auch ins Wasser gefallen war. 

Harry jedenfalls war klatschnass, und kalt war ihm auch. Bibbernd schlang er die Arme um seinen Oberkörper.

„Tut mir leid, Harry, ich habe keine Ahnung, was in meinen Dad gefahren ist", entschuldigte sich Percy. 

Ein scharfer Windstoß blies ihnen vom Meer aus entgegen.

„Es wirkt fast so, als wollte Poseidon Harry nicht im Camp haben", bemerkte Annabeth spitz.

„So ein Blödsinn", sagte Percy wütend und zog Harry mit sich, um ihm etwas Trockenes zum Anziehen zu leihen. Kurz darauf lief Harry ebenfalls in einem orangen Camp Half-Blood-T-Shirt rum. 

Gerade wollten sie Percys Hütte wieder verlassen, als ein Regenbogen in dem Muschelbrunnen auftauchte. War das schon seltsam genug, so schaute ihnen aus dem Regenbogen heraus eine lächelnde Frau entgegen. 

War das eine neue Art der magischen Kommunikation?

„Hi, Mum!", rief Percy erfreut und trat an den Brunnen. 

Die Frau, anscheinend seine Mutter, erzählte ihm ganz stolz, sie hätte eine neue Schule für Percy gefunden, auf die er nach den Sommerferien gehen könnte.

„Toll", sagte Percy mäßig begeistert. Er verabschiedete sich, und der Regenbogen erlosch. Percy drehte sich nicht sehr glücklich zu Harry um.

„Freust du dich auf das neue Schuljahr?", fragte er mit einer Grimasse, „Oder hast du vor, das ganze Jahr über im Camp zu bleiben?"

„Auf keinen Fall! Also, ich meine, hier ist es toll und alles, aber ich liebe meine Schule, auch, wenn es da manchmal gefährlich zugeht"

Percy nickte. „Das kenne ich."

„Letztes Schuljahr erst wurden viele Schüler versteinert", erzählte Harry beim Hinausgehen.

„Was? War Tante Em bei euch?"

Harry kannte keine Tante Em, aber Percy redete ja dauernd so wirres Zeug, also spielte Harry einfach mit. „Nein, das war der Basilisk, der unter dem Mädchenklo versteckt gehalten wurde!"

„Hm", machte Percy, „Klingt, als wäre er der kleine Bruder von Tante Em."

„Kleiner Bruder? Pff, du hättest das Ding sehen sollen! Der ist von Niemandem der kleine Bruder! Normalerweise tötet sein Blick sogar, und selbst Spinnen fliehen vor ihm."

„Dann wären dieses Viech und ich sicher beste Freunde – der Feind deines Feindes ist dein Freund", zitierte Annabeth, die vor Percys Hütte auf sie gewartet und die Unterhaltung aufgeschnappt hatte.

„Du hast Angst vor Spinnen? Dann wäre unsere Schule nichts für dich. Im Schulwald leben riesige Spinnen, die wollten meinen Freund Ron und mich fressen, als wir einen Spaziergang gemacht haben! Zum Glück konnten wir entkommen, aber es war knapp."

„Sag mal, was ist das für eine krasse Schule, auf die du da gehst? Ist die extra für Halbblute?", wollte Percy wissen.

„Nicht ganz, dein Blut spielt dort eigentlich keine Rolle. Außer für so blöde Leute, die denken, ihr Blut wäre mehr wert."

Ein Muschelhorn ertönte. 

Sie machten sich auf den Weg in den Speisepavillon, als immer mehr Camper stehen blieben und in den Himmel deuteten. 

Harry sah ebenfalls nach oben. 

Es war Hedwig, die ihn mit ihren scharfen Eulenaugen im Visier hatte und majestätisch über das Camp hinwegglitt, bevor sie elegant auf Harrys Schulter landete. 

An Annabeths Blick konnte er ablesen, dass er nun in Schwierigkeiten steckte, auch, wenn er nicht wusste, warum. Mal wieder. 

Harry Potter und das Camp voller HalbgötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt