Kapitel 1

240 11 2
                                    

Ich stöhne genervt auf, als sich meine Mutter neben mich auf die Bettkannte setzt und ein fröhliches "Guten Morgen!" ruft.

»Mom, ich möchte noch schlafen!«, murre ich und öffne verschlafen meine Augen.

»Du musst aber aufstehen, das Flugzeug wartet nicht ewig. Zieh dich an und bring deinen Koffer mit runter. Mark ist schon da.«, sagt meine Mutter immer noch fröhlich.

Mark ist der neue Freund meiner Mutter und ich kann und werde ihn bestimmt... halt wartet, ich werde ihn nie ausstehen können.
»Mir egal«, entgegne ich trotzig. »Soll er doch  wegziehen; immerhin ist es sein neuer Job und nicht meiner«, entgegne ich pampig und verziehe mein Gesicht genervt.

»Schatz, rede nicht so von ihm. Er ist sehr nett und in LA wird es dir gut gefallen. Außerdem hat er dir doch auch extra ein neues Handy gekauft und er sparrt sogar für deine Collegegebühren. Er bemüht sich so sehr«, sagt Mom.

»Mom, bitte! Wie lange kennt ihr euch jetzt? Fünf Monate? Dieser Umzug ist doch total verfrüht! Und wenn du nicht so voreilig und völlig Gedankenlos seinen Vorschlägen zugestimmt hättest, würdest du mir zustimmen. Was ist, wenn es mit eurer Beziehung nicht klappt und ihr euch in ein paar Wochen trennt? Dann stehst du nicht nur wieder ohne Mann da, sondern auch ohne Haus, Geld und fließend Wasser.«

Ich weiß wie hart diese Worte sich anhören - nicht nur, weil Dad Mom verlassen hatte sondern auch weil ich somit einen Teil dieser Wunde wieder aufreiße und schmerzhaft darin herumstreche.

Und auch das Handy hatte Mark mir nur gekauft um seine Beziehung zu Mom zu verbessern und sich bei mir als neuer, alsbaldiger Stiefvater vorzustellen.
Der ist doch sowieso nur hinter Mom's Geld her! Sie besitzt eine ziemlich bekannte Kanzlei und verdient auch nicht schlecht.
Und eigentlich könnte ich mir auch selbst ein Handy kaufen bei dem Taschengeld das ich bekomme, aber soll er ruhig das Geld bezahlen.

»Komm Schatz, steh auf«, meint sie nur, als hätte sie meine Worte überhört. Diese neue Verliebtheit; in einer frischen Beziehung zu sein, das ließ sie anders über die Dinge urteilen, als es ihr gesunder Menschenverstand eigentlich tun sollte. Denn wie oft passiert es schon, dass man einem mehr oder weniger völlig Fremden bis ans andere Ende des Landes folgt?

»Aber Mom! Wie kannst du nur so leichtfertig damit umgehen? Wenn es sein muss, kann ich auch allein hierbleiben. Ich bin 17; fast erwachsen und bereit auf die Welt losgelassen zu werden«, sage ich verzweifelt und ziehe dabei eine bittende Schnute. Manchmal muss ich meiner Mutter eben verdeutlichen, dass ich schon fast 18 bin und nicht 8.

»Keine Widerrede, das haben wir jetzt schon tausende Male besprochen! Und jetzt beeil dich!«

Ich beobachte meine Mom wie sie aus dem Raum geht und vergrabe dann meinen Kopf unterm Kissen. Tief in mir drin, wusste ich, dass es keinen Zweck hat mit ihr zu reden und trotzdem musste ich die Gelegenheit - in der ich mal mit ihr allein war - beim Schopf packen und sie ein letztes Mal bitten, den Flug zu canceln.

Schon wieder muss ich meine Freunde verlassen und schon wieder muss ich auf eine neue Schule wo es von Freaks bestimmt nur so wimmelt.

Ich habe keinerlei Alternative um hier zu bleiben. Mein Dad ist, als ich zwölf war, einfach abgehauen ohne ein Wort zu sagen.
Das einzige was er da gelassen hat war ein Zettel auf dem stand: Ich bin weg. Sorry, babe!
Toller Abschied!

Meine Mutter hat Tagelang in der Küche gesessen und sich die Augen ausgeheult und das Einzige, was ich machen konnte um sie zu trösten, war ihr meine Hand zu reichen.
Und deswegen bin ich auch so Hart zu Mark; ich will nicht das er meine Mutter verletzt, denn wenn er das tun sollte werde ich ihn mit eigenen Händen von einer Klippe stoßen oder noch schlimmeres tun.

Die einzige aus meiner Familie, die mir noch geblieben ist, ist Mom und ich möchte einfach nicht das ihr weh getan wird.

Ich atme noch einmal tief ein und lasse einen langen Seufzer los, bis ich mich dann endlich aufrappel und aus dem Bett schwinge. Naja, irgendetwas Gutes hat der Tag doch irgendwie: ich verpasse einen ganzen Tag Schule! Kein Lehrer der einen immer vor der ganzen Klasse demütigt und ein Zeug erklärt, was die meisten sowieso nicht verstehen!

Ich laufe zu meinem Schrank und fische mit halb offenen Augen die letzten übrig gebliebenen Klamotten aus dem hölzernen alten Kasten und schließe die Türen dann wieder.

Ich laufe mit den Sachen unterm Arm weiter in mein Badezimmer und verschließe die Tür hinter mir.

Ich lasse lustlos meine Klamotten aufs Klo fallen und ziehe meinen Pyjama aus. Danach stecke ich mir die Haare hoch und gehe in die Dusche.

Das Wasser drehe ich eiskalt und mit einem Schlag bin ich hellwach. Ich strecke mich genüsslich und seife mich mit Shampoo ein, das wundervoll nach Mango riecht. Wie sehr ich diesen Duft doch liebe.

Wir würden ungefähr 7 Stunden im Flugzeug sitzen, hoffentlich muss ich nicht wieder neben so einem dicken Mann sitzen, dessen widerlicher Geruch mich jedesmal wenn er den Arm hob zum Luft schnappen zwang. Ungefähr so wie beim letzten mal, als ich mit einem Flugzeug geflogen bin.

Aber am schlimmsten war dieser kleine Junge der andauernd gegen meinen Sitz getreten hat und mir ausversehen Kaugummi in die Haare geschmiert hat; am Ende hat es mir gereicht und ich hab mich umgedreht und dem Jungen erzählt, das wenn er nicht sofort aufhöre an meinen Sitz zu treten, ihn am nächsten Tag Monster holen und verschleppen würden. Daraufhin hat er sich zu seiner Mutter gedreht und los geheult.

Fünfjährige sind ja so leichtgläubig!

Ich bleibe noch eine Weile unter der Dusche, bis ich irgendwann an fange mit den Zähnen zu klappern und so steige ich aus. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut und ein Schwall noch kälterer Luft umhüllt mich.

Ich greife nach einem Handtuch was auf einem Regal liegt und trockne mich ab, bis meine leicht gebräunte Haut ganz rot wird.  Ich ziehe mir Unterwäsche, eine schwarze Hotpan und ein weißes T-shirt an, das die Aufschrift trägt: Dein Weg ist gut, meiner ist besser!

Als ich mich fertig angezogen habe, löse ich den Knoten aus meinem hellbraunen Haar und kämme es gründlich durch. Ich schaue mich prüfend im Spiegel an und bin im großen und ganzen mit meinem Aussehen zufrieden.

Make-up lasse ich weg, so wie immer. Ich habe noch nie etwas von diesem Zeug gehalten. Und ich kann erst recht nicht verstehen, wie sich jemand Tonnen davon ins Gesicht klatschen kann, natürlich ist es doch viel schöner.
Ich gehe wieder aus dem Bad und in mein Zimmer. Dort schnappe ich mir mein Handy, lasse es in meine Hosentasche gleiten und nehme meinen Koffer.

In meine andere freie Hand nehme ich eine Handtasche in der sich ein paar meiner Lieblingsbücher befinden, eine Flasche Wasser und etwas Geld.

Dann gehe ich widerwillig nach unten zu meiner Mom und Mark und stelle mich gegen das Bedürfnis wieder nach oben in mein Zimmer zu rennen, mich ans Bett zu ketten und einfach hier zu bleiben.

Hoffentlich hat Mom recht und dieser Umzug ist kein Fehler.

Dangerous Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt