Kapitel 3

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»Schatz, wach auf, wir sind am Flughafen angekommen«, sagt meine Mom und rüttelt mich leicht an der Schulter wach.

»Ich weiß das wir da sind!«, entgegne ich nuschelnd, obwohl ich gerade erst wach geworden bin.

Meine Mutter weiß aber ganz genau das ich noch im Halbschlaf bin und steigt grinsend aus dem Auto.

»Wieso grinst du so blöd? Ich bin wirklich gerade erst aufgewa..." Shit. Jetzt hab ich mich verraten. Um das zu überspielen, sage ich schnell:»Ich meine... Ich war schon lange wach, ich hab nur die Augen zu gehabt.«

»Ja, natürlich, und geschnarcht hast du wohl auch während du wach warst«, sagt meine Mutter immer noch grinsend und setzt das Wort wach in Anführungszeichen.

"Genau so ist es!", sage ich schmollend.
Und erst jetzt merke ich das die Musik aus ist und ich aber immer noch die Kopfhörer im Ohr stecken habe. Ich will mein Handy anmachen, doch der Bildschirm bleibt schwarz.

Na ganz toll, der Akku ist leer!

Jetzt habe ich nichts mehr, um den Gesprächen meiner Mutter im Flugzeug auszuweichen.

Ich stopfe mein Handy mitsamt meiner Kopfhörer in die Tasche und nehme sie mit. Wir stehen in einem Parkhaus. Mark lädt gerade die Koffer aus dem Kofferraum. Ich schnappe mir sofort meinen und lade ihn selbst aus dem Kofferraum. Er braucht bloß nicht denken, dass ich dafür zu schwach währe!

Manchmal geht mir mein selbst ist die Frau Gehabe auch auf die Nerven. Aber so hat mich meine Mutter nun mal erzogen, seit mein Dad sie verlassen hat.

»Schatz, das ist sehr lieb von dir, das du Mark hilfst«, sagt Mom lächelnd.

Ich setzte das falscheste Lächeln auf, das ich parat habe. »Klar, schließlich sind wir ja eine Familie und da ist sowas selbstverständlich. Selbst wenn es so einem Typen zuliebe ist«, murmel ich sarkastisch, doch als meine Mutter mich streng ansieht, weiß ich, dass sie es gehört hat.

»Reiß dich zusammen Chloe! Noch einer von deinen Sprüchen und es wird Konsequenzen haben!« Meine Mutter schaut mich ärgerlich an, doch ich stolziere, ohne ein weiteres Wort zu entgegen, was für mich eigentlich ziemlich ungewöhnlich ist, zu einem Fahrstuhl.

Meine Mutter und Mark kommen mit den restlichen Koffern hinter mir her und lassen das Auto abgeschlossen stehen. Alle zusammen, ich im Fahrstuhl zwischen Koffern und Handtaschen eingequetscht, fahren wir ins Erdgeschoss.

»Was passiert jetzt mit unserem Auto?«, frage ich genervt, um diese furchtbare Stille zu unterbrechen. Ich hasse es, wenn ich mit jemanden zusammen bin und dann so eine peinliche Stille wie jetzt entsteht.

»Das Auto wird verkauft. Für das Geld was wir bekommen kaufen wir uns in LA ein neues«, meint Mom.

»Aha«, sage ich teilnahmslos und widme mich stattdessen meinen Fingernägeln. Der schwarze Lack, den ich vor zwei Wochen aufgetragen habe, ist schon fast komplett wieder weg, nur noch ein paar kleine Überreste sind übrig.  Ich bin einfach zu Faul um das Zeug wieder ab zu machen. Schon den Nagellack drauf zu machen hat mich einige Motivation meiner Freundin Karli gekostet.

Wir wollten zu einer Party gehen und sie hatte mich überschwänglich dazu überredet, das der Nagellack unglaublich gut zu meinem Kleid passen würde. Natürlich wollte ich keine ewig lang andauernde Diskussion mit ihr führen, also hab ich ihn mir drauf machen lassen. Ich vermisse sie jetzt schon richtig. Es tut mir leid, das ich sie nicht nochmal vor meinem Umzug gesehen habe.

Ich werde von meinen Gedanken hoch gerissen, als ein Ping ertönt und der Fahrstuhl mit einem Ruck öffnet und die Tür aufspringt.
Davor stehen schon einige andere, die den Fahrstuhl benutzen wollen und sich schon versuchen rein zu drängeln. Genervt ziehe ich meinen Koffer und meine Tasche hinter mir her aus dem Fahrstuhl und stoße dabei gegen einige andere die sich weiterhin in den Fahrstuhl drängen.

Können die nicht einmal warten bis ich den Fahrstuhl verlassen habe!

Als ich dann endlich aus diesem Wirr von Menschen, Koffern und Taschen draußen bin, halte ich Ausschau nach Mom. Sie steht mit Mark im Arm neben dem Fahrstuhl und winkt mich zu ihr rüber.
Ich gehe zu ihr und sie sagt gleich eilig:»Kommt, wir haben nur noch eine Dreiviertelstunde um ins Flugzeug zu kommen.«

Wir treten aus dem Parkhaus aus und stehen nun im Freien. Die Sonne scheint in vollen Zügen und eine angenehme Wärme breitet sich um uns herum aus. In einer Stunde würde ich schon längst im Flugzeug nach LA sitzen. Ich hätte nie gedacht, dass es soweit kommen würde! Ich war immer davon ausgegangen, dass ich Mom so bearbeiten konnte, dass sie mich zumindest hier zurücklässt und mich in unserem Apartment wohnen lassen würde. Das Geld hätte sie immerhin.  

Die letzten Jahre war sie so mit ihrer Kanzlei beschäftigt gewesen. Da kam es schon öfter vor, dass ich mehrere Wochen allein war; zwar mit einer Nanny an meiner Seite, aber immerhin. Im vorletzten Highschool Jahr die Schule zu wechseln ist der Horror!

Vielleicht schaffe ich es, das wir unseren Flug verpassen...

Oder ich zerreiße einfach mein Ticket.

Ich werde aus meinen teuflischen Gedanken gerissen, als Mom und Mark über die Straße gehen, und ich noch mit meinem Koffer wie angewurzelt da stehe. Ich beeile mich sie einzuholen und schon stehen wir drei in dem großen gläsernen Flughafen. Wir laufen zum Gepäckschalter und stellen uns dort in einer Schlange nacheinander hinter die anderen Menschen, die vor uns da waren. Unruhig schaue ich auf eine Uhr an der weißen Beton Wand und verfolge jeden Schritt des Sekundenzeigers.

Es fühlt sich wie eine halbe Ewigkeit an bis wir endlich an der Reihe sind, obwohl ich ganz genau weiß, das es nicht länger als eine Viertelstunde gedauert haben muss. Die Frau hinter dem Tresen begrüßt uns freundlich mit einem spanischen Akzent und wir geben ihr unsere Koffer. Als wir dann endlich fertig sind fahren wir mit einer Rolltreppe in den zweiten Stock und gehen dort zur Kontrolle. Wieder müssen wir uns hinter eine Schlange von Menschen stellen, doch diesmal geht es schnell vorüber.

Jetzt bin ich an der Reihe und lege mein Handgepäck in einen kleinen Korb, der durch eine Art Tunnel fährt. Ich mache meine Silberkette ab, meine Armbänder und meinen Ring. Dann gehe ich durch den Bogen, der scannt ob ich irgendwelche Waffen dabei habe.
Als es bei mir laut auf piept, strecke ich meine Arme aus und lasse mich von einem Polizisten absuchen.

Als er nichts findet darf ich meine Sachen wieder anziehen und meine Tasche nehmen.
Ich warte noch ungeduldig auf meine Mom und Mark und dann gehen wir zum Gate. Je näher wir dem Eintritt kommen, desto unruhiger werde ich. Das Gefühl das ich habe - alles was ich kannte nun zurückzulassen - ist unbeschreiblich. Ich würde es nie zugeben, aber irgendwie habe ist Angst.

In dem großen weiß gehaltenen Saal lasse ich mich auf einem Stuhl vor einem Fenster nieder und schließe die Augen.

Es müsste jetzt ca. 12:40 Uhr sein. Unser Flug geht in zwanzig Minuten los. Ich öffne meine Augen wieder, als durch einen Lautsprecher mein Flug aufgerufen wird. Mark, Mom und ich gehen zu einer Stewardess und zeigen ihr dort unsere Tickets.

Durch ihre runde Brille schaut sie sich die Tickets, aus zu Schlitzen verengten Augen, an und bedeutet uns dann mit einem Nicken das Boarding zu betreten. Wir laufen durch den weißen Tunnel und in mir breitet sich das Gefühl aus, geradewegs in die Hölle zu marschieren.

Naja, nicht gerade die Hölle, aber es kommt dem schon sehr nah. Wenn ich das nur früher gewusst hätte...

Dangerous Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt