11. Unerwarteter Abschied Teil III (POV Tsuki)

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Nach unserer Auseinandersetzung war nichts mehr wie vorher. Er hatte mir das Herz gebrochen, also versuchte ich, ihn zu ignorieren. Ich war immer noch stink sauer, konnte aber mittlerweile nicht mehr sagen auf wen. Ich bekam mit, wie er sich immer mehr von den Anderen zurück zog, wie er jedem aus dem Weg ging und lieber für sich alleine blieb. Gut, wenigstens ist er nicht mit dem Scheißkönig zusammen... Ich bekam auch mit, dass er jede Einladung, egal ob zum Feiern oder etwas anderm, abschlug. Auf den Fluren der Schule pfiffen ihm andere Jungs hinterher oder gaben abfällige Kommentare von sich. Ich hörte nie, was sie genau sagten, ich sah nur, wie er zusammenzuckte und dann schnell verschwand. Am liebsten wäre ich dazwischen gegangen und hätte diese Vollidioten verdroschen, aber ich hatte mir geschworen, über ihn hinweg zu kommen und ihn zu ignorieren. Nach einer bestimmten Zeit schien er alles hinter sich gelassen zu haben und er hatte gelernt, eine Fassade auf zubauen. Er lächelte wieder, ich konnte aber sagen, dass es nicht echt war. Er schlug auch wieder die Bälle, die vom König kamen, aber nicht so selbstverständlich wie zuvor. Er war nicht mehr er selbst. Jedes mal, wenn ich ihn dabei erwischte, wie er Yams und mich ansah, zuckte er zurück und Schmerz war in seinem Blick zu sehen. Ich konnte nicht sagen, woher dieser Schmerz kam. Aber ich wollte mich auch nicht mehr damit beschäftigen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen, ich wollte nicht, dass mir diese kleinen Veränderungen am ihm auffielen. Ich wollte einfach nur, dass er verschwand und ich endlich weiter machen konnte.

Am vorletzten Schultag war alles anders. Dort zeigte er zum ersten Mal seit langem den wahren Sho, aber mit einem Hauch von Traurgkeit. Er lachte wieder richtig, spielte Volleyball wie schon lange nicht mehr und schien glücklich. Es war wie ein Messerstich ins Herzen. Er ist also endgültig über alles hinweg, was ihn in der letzten Zeit beschäftigt hatte... Ich bin so neidisch... Denn ich bin nicht über dich hinweg... Ich gab mir die größte Mühe ihn zu ignorieren. Es war frustrierend. An diesem Abend ging ich, wie schon die letzten Wochen zuvor, wieder in die alte Sporthalle, um meinen Frust und meine Wut in die Boxsäcke zu treschen. Wieso nur kann ich ihn nicht vergessen... Ich ließ eine Salve an Faustschlägen auf den Boxsack prasseln. Wieso kann er nicht einfach verschwinden?... Als ich keine Kraft mehr hatte, ging ich noch frustrierter nach Hause, legte mich in mein Bett, nur um festzustellen, dass ich nicht schlafen konnte. Ich verfluchte innerlich Hinata und wälzte mich im Bett hin und her, bis ich endlich einschlief.

"Tsuki, können wir uns nachher im Park treffen? Ich möchte dir dringend etwas sagen.", fragte mich Yams aus heiterem Himmel. Ich war eigentlich garnicht in der Stimmung, mich jetzt auch noch mit ihm zu befassen, aber er war nunmal mein bester Freund. "Klar, Yams.", antwortete ich emotionslos. Was auch immer los war, ich hatte keine Lust darauf. Es war der letzte Schultag, und ich sehnte mir nur den letzten Glockenschlag herbei, um mich endlich in meinem Zimmer vergraben zu können. Irgendwas ist anders... Etwas stimmt nicht... Aber ich kam erst drauf, als uns Trainer Ukai in der Sporthalle versammelte. Er wirkte niedergeschlagen. Da traf es mich wie ein Faustschlag im Gesicht. Er war nicht da... Wieso ist mir das nicht vorher aufgefallen?... Ich blickte mich nochmal panisch um. Vielleicht hab ich ihn ja übersehen... Aber da drangen die Worte von Ukai zu mir durch. „Hinata ist gestern nach Brasilien aufgebrochen, wo er die nächsten zwei Jahre bleiben wird.", sagte er mit zitternder Stimme. Meine Welt hörte auf sich zu drehen. Mein Wunsch... Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen?... Aber... Eigentlich wollte ich das nicht... Tränen stiegen mir in die Augen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Yams versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Freut er sich etwa darüber?... Was zum Teufel?... Wieder durchbarch Ukai meine Gedanken. „Er hat mich darum gebeten, euch diese hier zu geben." Er hob ein Bündel mit Briefen hoch. „Ich werde euch einzeln aufrufen, dann kommt ihr vor und holt euch eure Briefe ab." Um mich von meinem Schock zu erholen, konzentrierte ich mich auf das komische Verhalten meines besten Freundes. Irgendwas ist doch da... Als sein Name aufgerufen wurde, stand er gelangweilt auf, setzte sich wieder neben mich und sah sich verstohlen um. Der Brief schien ihn kein bisschen zu intressieren. Er öffnete ihn und begann zu lesen. Er fing wieder an zu grinsen, dicht gefolgt von einem Ausdruck des puren Hasses. What the Fuck, Yams... Seine Hände zitterten, als müsse er sich von irgendetwas abhalten, warf dann den Brief in seine Tasche. "Und zu guter Letzt, Tsukishima." Ich hatte ganz vergessen, dass auch noch ein Brief auf mich wartete. Ich stand langsam auf, nahm den Brief entgegen und setzte mich abseits von allen in eine Ecke. Ich wollte ihn nicht öffnen. Ich will nicht wissen, was mir Sho zum Abschied sagen will. Wenn er mir jetzt sagt, dass ich mich zum Teufel scheren soll... Aber wenn er mir sagt, was passiert ist... Ich war hin und her gerissen, bis meine Neugier siegte und ich den Umschlag mit zitternden Händen öffnete. Ich holte das sachte gefaltene Papier raus und öffnete es. Ich sah seine feine Handschrift und musste bei der Überschrift schon meine Tränen zurück halten.

Liebster Tsukishima,

es tut mir leid, dass ich dir damals und auch heute noch nicht sagen kann, was geschehen ist. Nur so kann ich dich beschützen. Es ist in Ordnung, wenn sie mich beleidigen und auf mich losgehen, aber ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit dir nicht das Gleiche wiederfährt. Ich weiß, dass es jetzt wahrscheinlich zu spät ist, aber ich kann es nicht länger für mich behalten. Ich entschuldige mich schon einmal im voraus, denn ich weiß, dass für dich dadurch eine unangenehme Situation entstehen kann/wird. Ich wollte dir danken. Dafür, dass du mein erstes Mal unvergesslich gemacht hast, auch wenn es zugegebenermaßen alles andere als romantisch war und unter Einfluss von speziellen Mittelchen, aber ich konnte es wenigstens mit einem besonderen Menschen haben.

Ich hielt inne. Sein erstes Mal war mit mir?... Oh Shit...

Ich danke dir auch dafür, dass du der Einzige warst, der versucht hat, herauszufinden, was mit mir los war, auch wenn ich dir die Wahrheit vorenthalten habe. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten gelernt, dass, wenn man jemanden wirklich liebt, man diesen auch ziehen lassen muss. Ich habe dich ziehen lassen.

Wie, ziehen lassen?... Was meint er damit?...

Ich hoffe sehr für dich, dass dir Yamaguchi bald seine Gefühle gestehen wird und ihr zusammen glücklich werdet, denn nur, wenn du glücklich bist, kann ich es auch werden.

Wie jetzt, was jetzt... Was hat das Ganze mit Yams zu tun?... Seine Gefühle gestehen?... Welche.... Oh nein... Bitte sag mir nicht... Fuck...

Also bitte, denk nicht mehr zu viel an mich und lebe dein Leben.

Bis in unser nächstes Leben

Shoyo

Was meint er?... Ich las den Brief noch dreimal, bis ich endlich verstand, was er mir sagen wollte. Yams wird mir seine Gefühle gestehen?... Woher weiß er das?... Und was hat das mit gehen lassen zu tun?... Und da begriff ich, dass er weg war, wahrscheinlich für immer, aber auf jeden Fall für sehr lange Zeit. Traurigkeit überkam mich und ich wollte schrein und fluchen. Wie kann er einfach abhauen?... Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkt hatte, wie Yams nach mir rief, bis er mich an der Schulter packte. "Tsuki komm, Ukai hat gesagt wir können in den Unterricht gehen." Ich versteckte den Brief vor ihm und sah ihn unschuldig an. "Ok" Er half mir auf die Beine und so gingen wir in den Unterricht. Als er es nicht bemerkte, mopste ich ihm den Brief von Sho aus seiner offenen Tasche. Ich musste einfach wissen, was er ihm geschrieben hatte, denn seine Reaktion war einfach zu verdächtig. Ich konnte mich absolut nicht auf den Lehrer konzentrieren, also holte ich den Brief von Sho für Yams raus und begann zu lesen.

Lieber Yams,

Ich kann mir vorstellen, wie sehr du dich über diese Nachricht freuen wirst. Tu wenigstens so, als wärst du traurig darüber. Wenn die Anderen mitkriegen, wie sehr du dich freust, werden sie anfangen, Fragen zu stellen und die willst du nicht beantworten müssen. Ich muss dich leider um einen Gefallen bitten. Pass auf Tsuki auf. Und pass auf das restliche Team auf. Da ich nicht mehr da bin kannst du die Bilder auf deinem Handy von mir und ihm löschen. Ich habe mein Versprechen gehalten und niemandem etwas davon gesagt, aber bitte, lösch sie um Tsuki's Willen. Ich möchte nicht, dass er das durchmachen muss, was ich die letzten Monate ertragen musste. Das ist alles.

Shoyo

What the Hell??... Was für Bilder?... Ist es vielleicht das, wovor mich Sho schützen wollte?... Ich konnte es kaum erwarten, dass die Schule zu Ende ging und ich endlich erfahren würde, was hier vor sich ging. Auf dem Weg in den Park wurde ich immer wütender. Auf mich und vor allem auf Yams. Was gibt ihm das Recht, sich ein zumischen?... Ich setzte mich auf unsere Bank und wartete auf ihn. Ich ließ den Kopf hängen. Meine Wut wich dem Gefühl, hintergangen zu werden, und das auch noch von meinem besten Freund. Demjenigen, dem ich am meisten vertraute, demjenigen, der alles wusste. "Hey Tsuki, wartest du schon lang?",fraget er mich gut gelaunt. Ich musste all meine Kraft zusammen nehmen um sitzen zu bleiben. "Was ist das, Yams?", fragte ich überaus ruhig, ohne auf zusehen. Ich konnte ihn nicht ansehen, noch nicht. "Was meinst du?"; fragte er verwirrt. Er tat doch tatsächlich so, als hätte er keine Ahnung. "Das, zum Teufel nochmal!!", brüllte ich bedrohlich und hob Sho's Brief hoch. Er sah genauer hin. Als er ihn erkannte, hielt er den Atem an. Verschiedene Emotionen fuhren über sein Gesicht: Unglaube, Entsetzten, Wut, Hass und zu guter letzt Resignation.

Das Böse, aus dem Träume gemacht sindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt