007 - Kapitel 2.0

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K A P I T E L  Z W E I 

❄️

8. Dezember

Kayden legte den Bleistift auf die Theke und hielt einen Moment inne. Vor ihm der Kellnerblock, auf den er wild Nummern und Rechnungen notiert hatte. Konzentriert starrte er hinab, seine Augen zusammengekniffen, seine Brauen gerunzelt, während seine Lippen die einzelnen Zahlen formten. Demotiviert schaute er auf und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Der Herr wie üblich an dem Tisch neben der flackernden Lampe sitzend. Auch er blickte konzentriert hinab. Das Knarzen des Stuhles war bei jeder seiner Bewegungen unüberhörbar.

Nicht viel weiter saß ein junges Paar eng beieinander am Tisch. Immer wieder strich die Frau ihrem Begleiter über die Wange und säuselte ihm vermutlich unanständige Dinge ins Ohr. Kayden musste sich ein Augenrollen unterdrücken und wand den Blick ab. Er schaute zu einer Gruppe älterer Herren, die sich in eine Ecke verschanzt hatten, um eine Sportübertragung zu schauen. Ihre Krückstöcke hatten sie zu den alten Mänteln in die Garderobe gestellt.

Zu Zeiten seines Großvaters musste die Bar laut Erzählungen der Ort gewesen sein, an dem sich die ganze Nachbarschaft nach der Arbeit getroffen hatte, um sich dem Alkoholrausch hinzugeben und über Politik und Frauen zu reden. Doch diese Zeiten waren mit dem Tod seines Großvaters vorbei.

Mit der Übernahme der Bar durch seinen Vater ging es bergab. Eine Zeit, an die Kayden mit gemischten Gefühlen zurückdachte. Nun stand auch er dort, an der Theke, an der schon sein Vater und sein Großvater gestanden hatten. Kayden, mit seinen Mittzwanzigern in wie üblich ungebügeltem weißen Hemd und ungemachten Haaren. Was zur Hölle machte er hier eigentlich, fragte er sich und riss das Blatt vom Block. Es war nicht nur die Stadt, die er hasste. Nein, die Bar in der Mayfield Street gehörte mindestens genauso auf seine Liste ungeliebter Orte.

»Guten Abend!« Peter verabschiedete sich, wie er es jeden Abend tat und riss Kayden damit aus seinen Gedanken. Er schaute langsam auf und beobachtete, wie sich der Herr in Richtung Garderobe bewegte. Wieder einmal ging Peter mit getrübtem Blick und gesenktem Kopf. Auch heute schien er keinen Erfolg gehabt zu haben. Schwerfällig nahm er seinen Mantel und seinen Hut von der Garderobe, nickte Kayden zu und öffnete die Tür.

»Guten Abend!«, antwortete Kayden monoton. Wie lange sollte dieses traurige Spiel noch gehen?

Kayden schaute noch lange in Richtung Tür, auch wenn diese schon längst ins Schloss gefallen war.

*

Während der Herr mit trägen Schritten in den kalten Winternebel verschwand, trat von der anderen Straßenseite Alexey hervor. Mit dicken Winterstiefeln watete er durch die frische Schneedecke. Seine Hände hatte er tief in seinen Manteltaschen vergraben. Mit mürrischem Blick starrte er vor sich hin. Den Weg kannte er, ohne auch nur aufblicken zu müssen.

Er stapfte die Treppenstufen zur Tür hinauf und versuchte, mit dem Betreten der Bar auch die Erinnerung an den gestrigen Abend zurückzulassen. 

Einsame SeelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt