Türchen 1

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Adventskalender

Lin stand vor dem selbst gemachten Adventskalender ihrer Mutter.  Wie jedes Jahr hatte sie ihn mit allerlei Dingen gefüllt. Ja, aber dieses Jahr war dennoch etwas anders als sonst. Neben ihrem Adventskalender hing sonst immer der Kalender von Kai, Lins älterem Bruder. Aber ab diesem Jahr würde sein Kalender dort nicht mehr hängen. Kai hatte sich dazu entschieden zu studieren und war dafür in die eine andere Stadt gezogen. Auch wenn sie regelmäßig mit ihm telefonierte, so war es doch etwas anderes, ihn nicht mehr jeden Tag um sich zu haben. Sie sah das Säckchen mit der Nummer 1 an. Sollte sie es Öffnen? Irgendetwas sagte ihr, dass es so wäre, als würde sie etwas zerstören, wenn sie es tat. Deshalb drehte sie sich weg und zog sich ihre Schuhr an. Auch an diesem Donnerstag musste sie Arbeiten.
Es war ein anstrengender Tag. Lin hatte im letzten Schuljahr die Schule beendet und wollte nun etwas Geld verdienen, bevor es für sie weiter ging, auch wenn sich noch nicht genau wusste, was aus ihr werden würde.
Als Lin nach Hause kam ging sie, ohne dem Adventskalender eines Blickes zu würdigen in ihr Zimmer, um etwas ab zu schalten. Als sie nach langem aufsah, war es schon dunkel geworden.
Da klingelte das Handy, neben ihr auf dem Schreibtisch.
Sie ging, ohne auf das Display zu achten dran.
,,Hallo?", fragte sie deshalb in den Hörer. ,,Hey Schwesterlichen, na wie geht es dir?", kam es fröhlich aus dem Handy. ,,Oh hey Kai, alles gut.", meinte sie. Sie liebte ihren Bruder, auch wenn sie sich manchmal schlimmer wie Tom und Jerry verhielten. ,,Hey, kannst du die Kamera anmachen? Ich will dich sehen?", meinte Kai. ,,Klar.", meinte Lin und schaltete auf Viedeoanruf. Sofort stachen ihr die verstrubbelten Haare ihres Bruders in die Augen. ,,Ahh, hallo Sunshin.", meinte er mit einem breiten Grinsen. ,,Hey, alles klar?", meinte sie und versuchte ein Grinsen zu Stande zu bekommen. ,,Und, was war in deinem Kalender?", fragte er und er schien noch vorfreudiger als sonst schon zu sein. Lin zuckte lediglich mit den Schultern. Kai runzelte sie Stirn. ,,Also bei mir ist alles gut, aber du siehst nicht glücklich aus. Was ist los? Du liebst doch Weihnachten.", stellte er fest.  Lin legte ihre Stirn in Falten. Sonst war ihr Bruder doch auch nicht so scharfsinnig. Wieso musste ihm ausgerechnet heute auffallen, das es Lin nicht gut ging.
,,Na ja, es fühlt sich einfach komisch an.", meinte sie und zuckte erneut mit den Schultern. ,,Was fühlt sich komisch an?", bohrte Kai nach. ,,Na ja, vor dem Adventskalender alleine zu stehen, zu wissen, dass du so weit weg bist, einfach dich nicht hier zu haben.", meinte Lin und wurde gehen Ende hin immer leiser. ,,Du bist einfach zu niedlich Schwesterlichen.", meinte Kai und lachte. Da war wider ein Teil ihres Bruders, den sie so gar nicht vermisste. ,,Man Kai!", beschwerte sie sich.  ,,Schon gut, schon gut.", meinte er und sah seine Schwester durch den Bildschirm hindurch ernst an. ,,Lin, du weißt, dass es nicht immer so sein kann, wie in unserer Kindheit. Wir alle werden älter. Wir alle werden erwachsen und wir alle gründen irgendwann unsere eigenen Familien, haben dann unsere eigenen Traditionen und sehen uns dann noch weniger. Das gehört zum Erwachsen werden dazu.", meinte er ernst. ,,Ja, das ist mir auch klar.", meinte Lin und rollte ist den Augen. Dann sah sie ihren Bruder genau so durchdringend an, wie er sie. ,,Aber es fühlt sich trotzdem nicht richtig an. Es ist wie ein endgültiger Abschied.", meinte sie dann. ,,Ach Blödsinn. Geh mal runter.", meinte er. ,,Warum?", wollte Lin wissen. ,,Ach mach einfach.", meinte Kai und rollte aufgrund der Skepsis seiner Schwester nur mit den Augen. Das konnten beide wirklich gut. Lin fragte nicht weiter nach sondern Gängen einfach nach unten.
Vor dem Adventskalender blieb sie verwundert stehen. Anders als am Morgen hing nun ein zweiter dort. ,,Mum hat erzählt, dass du deinen noch nicht auf gemacht hat und ich komme jeden Freitag und bleibe bis Sonntags, um dich zu nerven. Dann mach ich meine meine Türchen auf. Also keine Angst, trotz der Entfernung bin ich immer noch dein Bruder und ich werde dir auch weiterhin auf die nerven gehen.", meinte er. ,,Ganz schön poetisch.", meinte Lin und strahlte ihren Bruder an. ,,Ja, ja, jetzt mach schon auf. Ich bin gespannt, was drin ist.", meinte er. Gespannt zog Lin das Päckchen aus dem Tütchen mit der eins. Dann wickelte sie das kleine, runde Päckchen aus. Heraus kam eine kleine Schneekugel, mit einem Häuschen, vor der eine vierköpfige Familie Stand. Ein Lächeln machte sich auf Maries Lippen breit. Es wirkte beinahe so, als hätten ihre Eltern schon etwas geahnt. Sie hielt die Kugel vor die Kamera. ,,Oh man, wie kitschig.", meinte Kai, grinste dann aber doch gerührt. ,,Hey Schwesterchen, ich hab dich Lieb.", meinte er dann doch etwas rührselig. ,,Ich dich auch.", meinte Lin. Kai räusperte sich. ,,Okay, na dann, ich ruf morgen noch mal an. Sollte es anfangen zu schneien, dann schick mir unbedingt Bilder.", meinte er. Dann hatte er such schon aufgelegt. Lin steckte ihr Handy mit einem Lächeln auf die Lippen weg.
Als sie die Schneekugel auf ihr Fensterbrett stellte sah sie durch das Fenster, deren Rolladen sie noch nicht geschlossen hatte und staunte nicht schlecht, als es draußen vor dem Fenster genau so schneite, wie in ihrer Schneekugel.
Sie machte ein Bild und schickte es ihrem Bruder.
Dazu schrieb sie:
Schnee auf Bestellung.

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