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Grinsend lief Aaron die Treppe hinunter. Übermütig nahm er immer zwei Stufen auf einmal. Als er in der Eingangshalle angekommen war, sah er sich kurz um. Heute hatte eine junge, noch recht neue Wache Tordienst.
„Hallo, Maximilian." winkte er ihm zu. Freundlich lächelnd erwiderte der Mann den Gruß. „Guten Abend, Prinz Aaron."
Kaum, dass Maximilian sich wieder umgedreht hatte, änderte Aaron die Richtung. Anstatt zu den Ställen zu laufen, stieg er die Treppen zur Küche hinab und stand wenig später vor Dimitri, der vor einem noch halb vollen Teller saß. 
Ungeduldig trat Aaron von einem Bein auf das Andere.
„Beeil dich, Dimitri. Ich muss dir was zeigen..." flüsterte er ihm zu, als gerade Keiner in der Nähe war.
Vorfreudig beendete Dimitri sein Essen. Er hatte kaum Zeit, seinen Teller weg zu räumen, da zog Aaron ihn schon mit sich mit.
„Jetzt komm schon..." murrte Aaron ungeduldig. „Wir haben nicht viel Zeit."
Immer weiter zog Dimitri seinen Freund mit sich mit und wenig später kamen sie bei den Ställen an.
„Komm weiter..." Ungeduldig zog Aaron Dimitri bis vor eine Box.
„Ich will dir mein Pferd zeigen." erklärte er und zog Dimitri in die Box. „Papa hat gesagt, dass du kein Pferd haben kannst..." erklärte er seinem Freund sichtlich unzufrieden. „Aber ich finde das ungerecht. Und wenn du schon kein eigenes Pferd haben darfst, sollst du wenigstens reiten dürfen." fuhr Aaron fast schon trotzig fort und nahm den Sattel von der Wand.
Mit etwas Mühe legte er ihn dem Pferd auf den Rücken und zog den Gurt fest.
Dimitri trat unsicher von einem Bein auf das Andere. Ihm war nicht ganz wohl bei der Sache.  Dennoch reizte ihn der Gedanke, es einmal auszuprobieren.
„Dürfen wir das denn? Nicht, dass wir Ärger kriegen? fragte er zögerlich.
Aaron zuckte die Schultern. „Es muss ja keiner erfahren..."
Dimitri schluckte. Aaron fuhr sich nachdenklich durch die Haare. Dann erhellte sich sein Blick auf einmal und er begann zu grinsen.
„Papa will doch immer, dass du mein Sklave bist..." erklärte er und richtete sich immer noch grinsend auf. „Ich befehle dir, das Reiten auszuprobieren." erklärte er dann übertrieben formell." Immer noch etwas skeptisch verneigte sich Dimitri vor seinem Freund.
Aaron klopfte ihm lachend auf die Schulter. „Jetzt kann mein Vater nichts mehr dagegen sagen. Wir machen nur, was er von uns erwartet."
Noch immer etwas skeptisch folgte Dimitri seinem Freund in den Hof. Aaron führte sein Pferd zu einer kleinen Treppe.
Andächtig blieb Dimitri vor dem Pferd stehen und strich sanft über das seidene Fell.
Aaron nickte ihm ungeduldig zu und Dimitri stieg erst die Treppe hinauf und von dort auf den Rücken des Pferdes.
„Du musst dich einfach nur festhalten." erklärte Aaron und befestigte die lange Leine am Halfter seines Pferdes.
Strahlend richtete sich Dimitri im Sattel auf und hielt sich fest. Aaron ging in die Mitte des Hofes und trieb das Pferd sacht an, wie er es bei Jakob gesehen hatte. Tatsächlich setzte sich das Tier gemächlich in Bewegung und ging brav im Kreis.
Ein paar Runden ließ er das Pferd laufen, bevor er sich an seinen Freund wandte. „Sollen wir schneller machen?"
Begeistert und strahlend nickte Dimitri.
Aaron versuchte, das Tier weiter anzutreiben, doch wollte es ihm nicht so recht gelingen. Irgendwie reagierte das Pferd nicht. Während Aaron's Miene immer konzentrierter wurde, wurden seine Versuche immer energischer.
Auf einmal schien das Pferd genug zu haben und stieg. Mit einem leisen, überraschten Schrei, klammerte sich Dimitri fester an den Sattelknauf und schaffte es tatsächlich, nicht herunterzufallen.
Im nächsten Moment fing das Tier jedoch an, zu buckeln und Dimitri flog in hohem Bogen über den Hals des Pferdes und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem harten Boden.
Dimitri stöhnte und für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Als er die Augen wieder öffnete, kniete Aaron mit besorgter Miene über ihm. „Ist alles in Ordnung?" fragte er ängstlich.
Dimitri biss sich auf die Lippe. Mit Tränen in den Augen schüttelte er den Kopf.
Zum ersten Mal war er fast schon froh über die Erziehung seines Vaters, ermöglichte sie ihm doch, nicht laut zu weinen.
Aaron schluckte. „Bleib sitzen. Ich bringe schnell das Pferd weg und dann helfe ich dir hoch.
Erleichtert atmete Dimitri auf, als sie im dritten Stock ankamen. Der Weg war mehr als nur beschwerlich gewesen. Alles tat ihm weh, doch beide Kinder waren sich einig, den Vorfall für sich zu behalten.
Vorsichtig öffnete Aaron die Türe zu Raphaels Wohnung. Dieses Mal atmeten beide Jungen erleichtert auf. Raphael war noch nicht zu Hause.
Schnell verschwand Dimitri in seiner Kammer. Aaron half ihm beim Umziehen, bevor er selbst zu seinem Vater ging.

Diese Nacht fand Dimitri keine Ruhe. Reglos lag er im Bett und hoffte vergeblich, dass der Schlaf käme. Jede noch so kleine Bewegung jagte neue Schmerzwellen durch seinen Körper.
Als der Morgen schließlich dämmerte, hatte er tiefe Ringe unter den Augen.
Dimitri unterdrückte ein Stöhnen, als er sein Hemd anzog. Es schmerzte so sehr, dass es ihm erneut die Tränen in die Augen trieb.
Rasch wischte er sie weg. Dafür hatte er jetzt keine Zeit, denn er musste nach nebenan, um Aaron beim Frühstück zu bedienen.
Linus wartete bereits mit dem Servierwagen vor den Gemächern des Königs. Als er Dimitri sah, wurde sein Blick besorgt. „Ist alles in Ordnung, Junge?" fragte er nach.
Dimitri nickte nur. „...schlecht geschlafen..." murmelte er nur.
Gemeinsam betraten sie die Wohnung des Königs. 

DimitriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt