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Mit den Jahren wurden Aaron und Dimitri ernster, doch an ihrer Freundschaft änderte sich nichts.
Sie war nach wie vor geprägt von tiefer Verbundenheit, bedingungslosem Vertrauen und gegenseitigem Respekt.
Mit der Zeit hatte Aaron immer mehr Aufgaben von seinem Vater übernommen. Doch wann immer es seine Zeit erlaubte, verbrachte er diese mit Dimitri als seinem Freund.
Oft saßen sie einfach nur bei einem guten Rotwein beisammen. Doch auch wenn Aaron sich zu anderen Gelegenheiten gerne von Dimitri bedienen ließ und dieser ihr auch bereitwillig diente, gab es eine Sache, bei der Aaron stets darauf bestand, sie selber zu tun:
Wann immer er Lust auf einen guten Wein hatte, wählte er diesen selber aus, öffnete ihn selber und füllte ihn auch selber in den Dekanter um.
Diese Handlung ließ er sich von niemandem nehmen. Noch nicht einmal von seinem Besten Freund.
Manchmal aber, wenn Aaron mehr Zeit erübrigen konnte, unternahmen die Freunde gemeinsame Ausritte.

Dimitri war vor kurzem erst 30 geworden und um dies zu feiern, hatte sich Aaron in der Woche darauf einen Tag frei genommen.
Gemeinsam wollten sie den ganzen Tag unterwegs sein.
Gerade ritten sie auf einer weiten Ebene entlang. „Wer zuerst bei dem einzelnen Baum da vorne ist." meinte Aaron auf einmal grinsend und gab seinem Pferd die Sporen.
Lachend ließ Dimitri sein Pferd ebenfalls in einen scharfen Galopp fallen, doch Aaron war schon zu weit voraus.
Kurz nach Aaron kam Dimitri ebenfalls am Baum an. Nur kurz gönnten sie ihren Pferden eine Rast, bevor sie weiter in Richtung Wald ritten.
Plötzlich stockte Dimitri, gab seinem Pferd dann die Sporen und setzte sich vor Aaron, während er gleichzeitig dessen Zügel griff und ihn nach unten zog.
Im nächsten Augenblick keuchte Dimitri auf und stürzte vom Pferd.
In seinem Rücken, direkt unter dem Schulterblatt, steckte ein silberner Pfeil.
Schwer atmend blieb Dimitri liegen. Nur mühsam konnte er die Augen geöffnet halten.
Aaron sprang von seinem Pferd, ging hinter diesem in Deckung und zog Dimitri zu sich.
Erst dann suchten seine Augen den Waldrand ab.
Unter den ersten Bäumen konnte er einen Mann ausmachen, der schockiert in Richtung Dimitri starrte.
Aaron wusste, dass der Pfeil eigentlich ihm gegolten hatte. Dennoch stürmte er ohne weiter darüber nachzudenken in unmenschlicher Geschwindigkeit auf den Mann zu, der ihm wie gelähmt entgegen sah.
Nur Sekunden später warf er sich auf den Mann, warf ihn zu Boden und war im nächsten Moment über ihm.
Seine Hand wanderte an die Kehle des Mannes und er begann, zuzudrücken.
Erst, als er ein leises Stöhnen von seinem Freund hörte, kam Aaron wieder zur Besinnung. Am liebsten hätte er dem fremden Mann die Kehle heraus gerissen, doch der Mann hatte eine härtere Strafe verdient.
Aaron holte aus und schlug zu. Ein Knacken ertönte, als der Schlag dem Mann den Kiefer brach, gefolgt von einem Stöhnen, bevor der Schütze bewusstlos wurde.
Achtlos ließ Aaron den Mann fallen und rannte zu seinem Freund.
Dimitris Hemd war blutgetränkt. Aaron wusste, dass sein Freund zu viel Blut verlor. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. 
Ein leiser Pfiff rief die Pferde zu ihm, die sich ein Stück entfernt hatten.
Behutsam hob Aaron seinen Freund auf das eine Pferd und band ihn fest.
„Bleib wach, Dimitri. Du schaffst das." versuchte er seinen Freund zu ermutigen, doch dieser lächelte nur schwach. Er hatte die Sorge in der Stimme seines Freundes selbst gehört und wusste, wie es um ihn stand.
Doch Aaron ließ sich nicht beirren, schwang sich auf sein Pferd und griff die Zügel des anderen Pferdes.
In gestrecktem Galopp jagte er in Richtung Burg.
Immer wieder fluchte er. Warum waren sie nur so weit geritten...
Knappe 15 Minuten später hatte er die Burg endlich erreicht.
„Raphael...!" brüllte er und sprang aus dem Sattel, noch bevor die Pferde zum Stehen kamen.
Eilig eilten zwei Stallknechte herbei und Aaron warf ihnen achtlos die Zügel zu.
„Raphael...! Wo bleibst du!" schrie er erneut, sichtlich wütend und verzweifelt, während er Dimitri vom Pferd hob.
Als er sich mit seinem Freund auf den Armen umdrehte, kam Raphael gerade vor ihm zum stehen.
Entsetzt blickte der Vampir auf seinen menschlichen Ziehsohn. „Was ist geschehen, Prinz?" fragte er mit vor unterdrückter Wut zusammen gebissenen Zähnen.

In knappen Worten erklärte Aaron, was geschehen war, während Raphael ihm voraus in ein leerstehendes Büro ging.
Achtlos fegte er alles, was auf dem Tisch lag, auf den Boden.
„Leg ihn auf dem Bauch auf den Tisch." wies er Aaron an.
„Und dann hol deinen Vater. Dimitris Verletzung ist mehr als ernst."
Aaron schluckte schwer. Wenn Raphael ihn nicht einmal aufforderte, seine Tasche mitzubringen, musste die Verletzung wirklich ernst sein.
Mit einem Nicken verließ Aaron den Raum, während Raphael sich bereits über Dimitri beugte, um ihn genauer zu untersuchen.
Dimitri war kreidebleich. Sein Atem ging nur noch stoßweise. Immer wieder flackerten seine Augen leicht.
Vor der Türe ertönte ein lauter Schlag. Sofort bildete sich ein Riss in der Wand.
Aaron hatte vor Wut und Sorge gegen die Wand geschlagen. Doch kurz darauf stand er bereits im Büro seines Vaters.
Nur Sekunden später waren sie zurück neben Raphael.
Andros beugte sich über Dimitri, der auch für ihn mehr als nur ein Sklave war.
„Wie schlimm ist es?" wandte er sich nur äußerlich ruhig an Raphael.
Raphael schüttelte langsam den Kopf. „Ich kann nichts für ihn tun, mein König."
Erneut ertönte ein Krachen, als Aaron in seiner Wut einen Stuhl gegen die Wand warf, der dort splitternd zerbrach.
„Es gibt nur eines, was wir tun könnten..."
Setzte Raphael behutsam an.
Andros schüttelte vehement den Kopf. „Niemals, Raphael. Nicht ohne sein Einverständnis."
Raphael nickte betrübt. Wenn sein König dagegen war, würde er noch in der nächsten Stunde seinen Ziehsohn verlieren
„Dann könnt Ihr ihn nur noch von seinen Schmerzen erlösen, Hoheit."
Aaron schrie erstickt auf. „Nein, Vater...."
Andros trat hinter seinen Sohn und legte ihm die Hände auf die Schultern.
„Wir dürfen es nicht ohne sein Einverständnis tun, Aaron."
„Aber..."
„Nein, Aaron." unterbrach Andros betrübt seinen Sohn.
Dann nickte er Raphael zu und dieser trat zu Aaron und hielt ihn sanft, aber bestimmt, fest.
Andros beugte sich über Dimitri und drehte seinen Kopf zur Seite.
Sanft strich er dem jungen Mann über das Haar.
Er wollte gerade seine Zähne in Dimitris Hals vergraben, als dieser leise aufstöhnte.
„Herr..." erklang es schwach und kraftlos.
Sofort löste sich Andros wieder ein Stück.
„Dimitri...?"
Dimitri hustete leicht. „Ich...bin ein...einverstanden, Herr" brachte er dann mühsam hervor.
Andros lächelte sacht. „Dann entspann dich, mein Junge,"
Erneut beugte er sich über Dimitri. Und dieses Mal biss er wirklich zu. Behutsam begann er zu trinken - viel Blut durfte er ihm nicht nehmen, denn Dimitri hatte schon zu viel verloren.
Blind streckte Andros seine Hand aus und Raphael legte ihm seinen silbernen Dolch hinein.
Mit einer raschen Bewegung schnitt Andros sich in den Unterarm und hielt die blutende Wunde an Dimitris Mund.
„Trink, Dimitri." forderte er den Mann auf, der kaum noch bei Bewusstsein war.
Erst langsam, dann immer gieriger, begann Dimitri an dem Arm zu saugen.
Doch schließlich ließ das Saugen wieder nach und Dimitris Körper sackte in sich zusammen.
Andros richtete sich wieder auf und sah zu Raphael.
„Ich hoffe, es war nicht zu spät. Du kannst den Pfeil jetzt entfernen."

DimitriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt