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Auch Andros blickte skeptisch zu seinem jüngsten Sklaven. Fragend wanderte sein Blick zu seinem Sohn, der seit gestern Abend erstaunlich ruhig war, doch auch dieser schwieg.
Schließlich nickte Andros den beiden Sklaven zu, dass sie beginnen konnten.
Langsam griff Dimitri nach Aaron's Teller. Doch noch bevor er diesen auf den Tisch stellen konnte, unterdrückte er ein Keuchen.
Der Teller entglitt seinen Fingern, fiel zu Boden und zerbrach dort. Erschrocken blickte Dimitri auf die Scherben und das Essen, bevor er seinen Blick ängstlich zu Andros wandte.
„Es...es tut mir Leid..." brachte er stotternd hervor und zog den Kopf ein. Zu tief war die Angst vor den Schlägen seines Vaters noch immer in ihm verwurzelt.
Doch diese kleine Bewegung trieb Dimitri erneut die Tränen in die Augen, doch noch immer schwieg er.
Leicht verstimmt winkte Andros den Jungen zu sich. Ihm war längst klar, dass etwas nicht stimmte und es ärgerte ihn, dass Dimitri, aber auch sein Sohn, nach wie vor schwiegen.
„Komm zu mir, Dimitri."
Zögernd trat Dimitri vor den König.
Als er jedoch auf die Knie sinken wollte, griff Andros an seine Schulter, um ihn davon abzuhalten.
Dimitri zuckte zusammen und konnte ein leises Aufschreien nicht mehr unterdrücken.
Nun wurde Andros  Blick wirklich streng und auch verärgert.
„Was ist hier los?" wandte er sich an beide Kinder, die jedoch nur betreten den Kopf senkten.
„Dimitri..." wandte sich Andros erneut an den Jungen, der mit schmerzverzerrtem Gesicht vor ihm stand. „...zieh dein Hemd aus." forderte er ihn auf.
Mit gesenktem Blick und eindeutig unter Schmerzen öffnete Dimitri sein Hemd und ließ es von seinen Schultern gleiten.
Andros sog scharf die Luft ein, als er den nackten Oberkörper des Jungen sah.
Die eine Schulter war tief blau verfärbt und auch der Brustkorb wies an der Seite eine solche Verfärbung auf.
„Was ist passiert." donnerte er nun wirklich verärgert los. Dimitri zuckte zusammen. Dieses Mal gelang es ihm nicht, die Tränen zurückzuhalten.
„Ich...bin...gefallen..." brachte Dimitri mühsam hervor.
„Gefallen also..."
Zögerlich wandte Dimitri seinen Blick zu Aaron, der ihn sichtlich betreten ansah.
Andros musterte einen Moment die beiden Kinder.
Es wäre ein leichtes, Dimitri zu befehlen, die ganze Wahrheit zu sagen. Doch rechnete er es dem Jungen durchaus an, dass er Aaron scheinbar zu schützen suchte.
Daher wandte er sich statt dessen an seinen Sohn.
„Hast du mir etwas zu sagen, mein Sohn?" fragte er ihn mit strenger Stimme.
Aaron schluckte schwer und sah seinen Vater dann aber an. „Es...ist meine Schuld, Vater." erwiderte er dann zögerlich.
„Was ist deine Schuld?"
„Ich habe Dimitri dazu überredet. Es war allein meine Idee."
„Was war deine Idee, Sohn?" hakte er ungeduldig nach.
Aaron straffte sich und sah seinen Vater dann aufrichtig an.
„Ich wollte, dass Dimitri auch reiten lernt." erklärte er. „Dimitri war skeptisch, also habe ich ihm...befohlen...das Reiten auszuprobieren." gab er dann zu.
Widerwillig musste Andros nun doch schmunzeln, als ihm Aaron's Beweggründe klar wurden. „Und du dachtest, dass ich nichts dagegen sagen kann, weil du dich wie ein Herr und Dimitri wie ein gehorsamer Sklave verhalten hat." stellte er fest.
Aaron nickte betreten. „Ja, Vater. Ich...wollte nicht, dass Dimitri sich verletzt. Aber auf einmal hat mein Pferd angefangen, ganz wild zu buckeln."
Andros nickte nur. „Und keiner von Euch hat es für nötig gehalten, mir Bescheid zu geben."
Dimitri ließ den Kopf hängen. „Ich...wollte nicht, dass Aaron Ärger bekommt, Herr." erwiderte er leise.
Andros seufzte und berührte Dimitri behutsam an der Schulter.
„Es ehrt dich, dass du ihn schützen willst, mein Junge. Aber wenn du so schwer verletzt bist, ist deine Gesundheit wichtiger." erklärte er beinahe väterlich. „Ich erwarte, dass du in Zukunft zu mir kommst, wenn du verletzt oder krank bist. Egal wer Schuld ist oder wen du schützen willst. Deine Schmerzen sind, denke ich, Strafe genug." fuhr er sichtlich strenger fort. „Aber jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich..."
Sein Blick wanderte zu Aaron. „Und sobald ich weiß, wie schwer Dimitris Verletzungen sind, wirst du eine entsprechende Strafe erhalten, mein Sohn. Du hast dich mehr als nur unverantwortlich verhalten. Spätestens nach dem Reitversuch hättest du zu mir kommen müssen. Und jetzt geh und such Raphael und bring ihn hier her."
Andros wartete, bis Aaron den Raum verlassen hatte und führte Dimitri zum Sofa. „Setz dich Junge."
Nur leicht nickte er  Linus zu und dieser verließ den Raum.

Einige Minuten später kehrte Aaron mit Raphael zurück.
Sichtlich betreten stellte Aaron sich neben seinen Freund.
Raphael trat vor Dimitri und auch er sog, wie zuvor Andros, scharf die Luft ein. Mit knappen Worten erklärte der König ihm, was passiert war.
Raphael brummte. „Jetzt ist mir auch klar, warum Dimitri gestern bereits im Bett lag, als ich zurück gekommen bin."
Er ging vor dem Kind in die Knie und sah ihm in die Augen.
„Ich sollte ihm erst etwas gegen die Schmerzen geben, bevor ich ihn untersuche, mein König."
Andros nickte nur. „Aaron wird dir zur Hand gehen, nicht wahr mein Junge?" erwiderte der König und sah seinen Sohn streng an.
Aaron nickte eifrig.
„Geh in meine Wohnung, Aaron. Im Regal steht eine dunkle Flasche mit einem grünen Etikett. Hol die Flasche und die Tasche, die im untersten Regal steht."
Aaron nickte gehorsam und stand kurz darauf wieder neben Raphael.
„Jetzt brauche ich noch einen Löffel."
Sofort sprang Aaron los und holte einen vom Tisch.
Behutsam füllte Raphael den Löffel mit dem Trank und hielt ihn Dimitri vor die Lippen.
„Ich weiß, es schmeckt furchtbar, aber es wird dir die Schmerzen nehmen, mein Junge."
Gehorsam schluckte Dimitri die Flüssigkeit und lehnte sich vorsichtig zurück.
Wenige Minuten später entspannten sich seine Gesichtszüge und Raphael begann mit seiner Untersuchung.

Nach einer Weile richtete er sich auf. Die Schulter und die Rippen sind geprellt. Schmerzhaft, aber nicht weiter tragisch." begann er Andros zu erklären.
„Allerdings hat der Junge sich das Schlüsselbein gebrochen. Ich werde ihm Verbände anlegen, aber es wird einige Wochen dauern, bis alles verheilt ist."
Andros nickte und blickte nachdenklich auf die beiden Freunde.
„Bis deine Verletzungen verheilt sind, bist du von deinen Pflichten entbunden. Du musst in dieser Zeit auch nicht vor mir knien."
Dimitri nickte langsam. „Danke, Herr."
Dann ließ Andros seinen Blick zu Aaron wandern.
„Also gut, Aaron." begann er. „Da Dimitri die nächste Zeit nicht arbeiten kann, wirst DU zur Strafe solange einige seiner Aufgaben erledigen. Und wir fangen gleich damit an." erklärte er ruhig. „Räum die Scherben weg und dann deck' den Tisch fertig."
„Ja, Vater." Aaron nickte betreten und kam dem Auftrag nach.

Am Nachmittag ließ Andros die beiden Jungen zu sich in sein Büro bringen.
„Setzt euch." forderte er sie auf und wies auf zwei schlichte Stühle.
„Ich habe über euer Verhalten nachgedacht." begann er ruhig und beide Kinder senkten betreten die Köpfe.
„Du hattest in gewisser Weise Recht, Aaron. Es IST ungerecht." fuhr er fort.
„Ich bin also nicht ganz unschuldig an der Situation. Euch beide verbindet mehr, als nur die Verbindung als Herr und Sklave." fuhr er ruhig fort.
„Dimitri wird immer dein Sklave bleiben, aber er wird auch dein Vertrauter sein, dein Ratgeber. Und als solcher braucht er eine entsprechende Ausbildung."
Schweigend musterte er die Kinder die ihn fragend ansahen. „Dimitri wird also nicht nur reiten lernen, er wird auch alles Andere lernen, was du lernst, Aaron."
Während Aaron seinen Vater strahlend ansah, lag Dimitris Blick ehrfürchtig auf dem König.
„Ich danke Euch, Herr." wandte er sich mit einer leicht steifen Verneigung an Andros.
„Dein Reitunterricht beginnt, sobald deine Verletzungen verheilt sind und auch erst dann wirst du wieder reiten dürfen, Aaron.
Den restlichen Unterricht starten wir nach Kyndanir, also nach dem Fest der Wintersonnenwende. Dann seid ihr beide alt genug dafür." erklärte er den Kindern.
„Und nur damit wir uns richtig verstehen, Aaron. Die Strafe, die ich heute morgen ausgesprochen habe, bleibt natürlich trotzdem bestehen."

DimitriWo Geschichten leben. Entdecke jetzt