Auch, wenn Dimitri vorübergehend von seinen Aufgaben befreit war, war er stets an Aaron's Seite, den die ungewohnten Arbeiten sichtlich anstrengten.
So gut es Dimitri mit seinen Verletzungen möglich war, half er seinem Freund dennoch bei der Erledigung der Aufgaben.
Oft wurden sie dabei heimlich von Andros und Raphael beobachtet, die das Verhalten der Kinder mit Genugtuung beobachteten.
„Ich habe die richtige Entscheidung mit Dimitri getroffen." wandte sich Andros eines Abends an Raphael, als sie gemeinsam in der Bibliothek auf ein Glas Wein saßen. „Der Junge ist meinem Sohn bereits jetzt mehr als nur ergeben. Und das absolut freiwillig. Ich bin sicher, er wird Aaron stets ein treuer Freund und Diener sein. Es ehrt ihn, dass er Aaron unterstützt, obwohl ich ihn von den Arbeiten freigestellt habe. Und es war nötig, Aaron die Aufgaben zu übertragen. Er wird dadurch lernen, die Tätigkeiten der Sklaven wertzuschätzen.
Dennoch möchte ich dich um zwei Gefallen bitten."
„Ja, mein König?"
„Solange Dimitri verletzt ist, behalte die Beiden etwas genauer im Blick. Ich möchte Dimitri nicht verbieten, seinem Freund zu helfen, aber er soll sich dabei nicht übernehmen und dadurch die Heilung verzögern."
Raphael lächelte. „Natürlich, Hoheit. Und das Andere?"
Andros Blick wurde ernster. „Ich möchte, dass du Dimitris Vater im Gefängnis aufsuchst."
Raphael nickte nur und hörte sich an, welches Anliegen Andros genau verfolgte.
Schließlich nickte er erneut. „Ich werde gleich morgen aufbrechen." versprach er.Die Tage vergingen. Regelmäßig wechselte Raphael Dimitri, der für ihn inzwischen fast wie ein Sohn war, die Verbände.
Anfangs gab er ihm auch täglich von dem Schmerzmittel. Sobald es möglich war, reduzierte er die ohnehin geringe Dosis jedoch und hörte dann ganz auf, dem Jungen das Mittel zu geben um den jungen Körper nicht unnötig zu belasten.
Schließlich waren mehrere Wochen vergangen und Dimitri konnte sich wieder beinahe komplett schmerzfrei bewegen.
Verbände musste er schon lange keine mehr tragen, dennoch hatte der König von ihm noch nicht wieder gefordert, seinen Pflichten nachzukommen.
Andererseits erledigte er seit gut einer Woche ohnehin schon Hand in Hand mit Aaron die anfallenden Arbeiten.
Inzwischen war es bereits wieder deutlich kühler geworden. Der Herbst war ins Land gezogen und mit ihm die letzten milderen Tage.
In dünne Umhänge gehüllt spielten Aaron und Dimitri gerade im Garten, als Maximilian auf sie zutrat. „Ihr sollt beide in den Thronsaal kommen." erklärte er den Kindern.
Sofort unterbrachen die beiden ihr Spiel und machten sich auf den Weg.
Im Thronsaal wartete König Andros bereits.
Er stand an einem Tisch, der mit einem Tuch verdeckt war und blickte den Kindern lächelnd entgegen.
Respektvoll sank Dimitri erstmals wieder vor seinem Herren auf die Knie, was dieser mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis nahm.
„Steh auf, Dimitri." forderte er das Kind auf und winkte ihn an seine Seite.
Väterlich legte er ihm die Hand auf die inzwischen verheilte Schulter.
„Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass heute ein besonderer Tag für dich ist." wandte er sich mit einem Lächeln an das Kind.
„Alles Gute zum Geburtstag, Dimitri." fuhr er schmunzelnd fort und zog das Tuch vom Tisch.
Mit großen Augen blickte Dimitri zwischen dem König und dem Tisch hin und her.
Auf dem Tisch lagen einige Bücher, Stifte und eine kleine Schiefertafel. Auch neue, warme Kleidung lag dabei. Ganz in der Mitte stand ein kleines, geschnitztes Holzpferd, das der Junge nun andächtig in die Hand nahm.
Mit einem Strahlen im Gesicht sank er erneut vor dem König auf die Knie, das Holzpferd noch immer fest in der Hand. „Vielen Dank, Herr." bedankte er sich ehrfürchtig beim König, der ihn schmunzelnd ansah.
„Das echte Pferd steht übrigens draußen im Stall, gleich neben dem von Aaron."
Ungläubig hob Dimitri den Blick und Andros sah ihm deutlich an, dass Dimitri sich zurück halten musste, um nicht aufzuspringen.
Andros lachte leise auf und klopfte Dimitri freundlich auf die Schulter. „Na lauf schon...Jakob wartet schon auf Euch."
Strahlend stand Dimitri auf. Einen kurzen Moment zögerte er, dann trat er auf den König zu und umarmte ihn. „Vielen Dank." bedankte er sich erneut und Andros schloss den Jungen lächelnd in seine Arme.Die Jahre vergingen. Aus den beiden Kindern waren nach und nach Jugendliche geworden.
Die Freundschaft der beiden Jungen war noch intensiver geworden und sie machten fast keinen Schritt mehr ohne den Anderen.
Andros hatte Wort gehalten.
Was auch immer sein Sohn lernte, durfte Dimitri auch lernen. Egal, was es war. Dimitri sollte in jedem Bereich gebildet sein um seinen Sohn bestmöglich zu unterstützen, wenn Aaron eines Tages selbst den Thron übernahm.
Dadurch war Dimitri zu einem - für einen Menschen - versierten Kämpfer geworden, der sich regelmäßig mit Aaron Übungskämpfe lieferte und nur selten ernstere Verletzungen davon trug. Meist passierte dies lediglich, wenn in Aaron und Dimitri der jugendliche Übermut siegte. Geduldig versorgte Raphael jedes Mal alle kleineren und größeren Blessuren. Als Dimitri jedoch eines Tages mit einem tiefen, stark blutenden, Schnitt im Unterarm zu ihm kam, war er sichtlich verärgert.
„Du bist kein Vampir, Dimitri. Wenn ihr nicht langsam besonnener bei euren Kämpfen werdet, werde ich König Andros bitten, euch nur noch mit Übungsschwertern kämpfen zu lassen." fuhr er seinen Ziehsohn streng an.
Mit einem Seufzen wies er auf den Stuhl und holte seine Tasche. „Setz dich, Dimitri. Das muss ich nähen." Prüfend blickte er den Jungen an. „Brauchst du Noxanum?"
Dimitri schüttelte den Kopf. „Nein, Vater. Es geht auch so."
Raphael nickte. Als er die Dimitri wohl bekannte, klare Flüssigkeit auf dem Arm verteilte, sog Dimitri scharf die Luft ein, hielt aber trotz des Brennens still, auch als Raphael begann, die Wunde zu nähen.
Doch auch diese Verletzung konnte Dimitris Ehrgeiz nicht bremsen.
Gegenüber Silas, Aaron's jüngerem Bruder, schaffte er es sogar manchmal, die ein oder andere Runde zu bestehen.
Inzwischen waren sowohl Aaron, als auch Dimitri, routinierte und sichere Reiter geworden. Oftmals unternahmen die beiden als Freunde gemeinsame Ausritte. Lediglich bei weiteren oder längeren Ausritten wurden sie zu Aaron's Schutz von einer Wache begleitet.
Doch je älter die beiden wurden, desto weniger freie Zeit hatte Aaron, da sein Vater ihn bereits jetzt in die Aufgaben eines Königs einarbeitete.
In gleichem Maße nahmen Dimitris freie Zeiten ab, denn er war steht's an Aaron's Seite, um diesem als Sklave zu dienen, wie es seine Bestimmung war.
Spätestens jetzt machte sich Andros frühere Entscheidung auch bezahlt, denn wann immer er gemeinsam mit seinem Sohn andere Herrscher besuchte, konnte Dimitri seinen Herren zu Pferd begleiten.Schließlich feierte Aaron seinen 16. Geburtstag.
Den ganzen Tag hatte der König Dimitris Dienste ausnahmsweise für sich beansprucht.
Am Abend sollte es dann ein großes Bankett geben. „Bei der Feier hast du Dimitri wieder an deiner Seite. Aber jetzt brauche ich ihn."
König Andros hatte die benachbarten Herrscher zu einem Ball zu Ehren seines Sohnes eingeladen und so saß Aaron neben seinem Vater an der Spitze der Tafel.
Dimitri kniete demütig, aber dennoch stolz aufgerichtet neben ihm, um ihn zu bedienen.
Ruhig ließ Aaron den Blick über seine Gäste und ihre Sklaven gleiten.
Bei einigen von ihnen verzog er sichtlich das Gesicht und musste ein Knurren unterdrücken.
„Was habt Ihr, Herr?" fragte Dimitri leise und respektvoll nach.
„Mich ärgert, wie manche hier ihre Sklaven zu behandeln scheinen..." erklärte Aaron ebenso leise. „Sieh sie dir an."
Unauffällig ließ Dimitri seinen Blick durch den Raum gleiten.
Und in der Tat: sein Herr hatte Recht.
Während er selbst lediglich die eine blasse Narbe von dem Trainingsunfall trug, waren andere Sklaven von Narben und Striemen übersäht. Während er selbst frei von jeglicher Markierung stolz neben seinem Herren und Freund kniete, waren andere Sklaven in Ketten gelegt, mit Reifen oder Ringen markiert oder gar gebrandmarkt.
Dimitri schüttelte leicht den Kopf.
„Ihr habt Recht, Herr." bestätigte er dann. „Wobei ein Armreif zur Markierung durchaus etwas hermacht..." erwiderte Aaron nachdenklich.
Für einen kurzen Moment verwischten die Grenzen zwischen Sklave und Herr und die Freundschaft trat in den Vordergrund.
Dimitri hob den Blick und sah Aaron leicht grinsend an. „Aus Leder?"
Aaron nickte. „Aus Leder." bestätigte er.
So schnell der Moment gekommen war, so schnell war er auch wieder vergangen und erneut kniete Dimitri, der Sklave, neben Aaron, dem Herren."
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Dimitri
VampireEin kleiner Spin-off zu meiner Finya Geschichte. Einsam und allein stapft Dimitri als Kind durch den kalten Winterwald. Schon drohen die Kräfte ihn zu verlassen. Eine glückliche Fügung wird sein Leben für immer ändern und mit der Zeit wird er zu...