Kapitel 14: Schweigen

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Nachdem Hana fertig erzählt hat, ist es still in dem dunklen Zimmer. Sie atmet einmal tief durch, dann sieht sie zu Itachi hinüber, der noch immer neben ihr sitzt.
"Ich... Danke, dass du mir zugehört hast.", flüstert sie und steckt sich eine Strähne ihrer langen, nussbraunen Haare hinters Ohr.
Itachi weiß gar nicht, was er sagen soll.
Er hatte gar nicht gewusst, dass Hana so eine Vergangenheit hat.
Mit ihrem stets freundlichen Lächeln...
Er hatte es nicht einmal geahnt.
Ein drückendes Gefühl liegt auf seiner Brust und das Atmen fällt ihm etwas schwerer.
Ihre Familie, ihr ganzes Dorf ausgelöscht...
Das kommt ihm irgendwie bekannt vor. Auch er hat alle verloren, die er liebte. Doch bei Itachi war es anders gewesen...
Er hatte alle getötet...
Hana war, wie sein kleiner Bruder Sasuke, mehr oder weniger allein aufgewachsen.
Nur weil jemand alle getötet hat...
So wie Itachi.
Und hier sitzt er neben ihr, als wäre nie etwas passiert.
Als hätte er nie etwas getan.
Wenn Hana nur wüsste, was er getan hat...
Nein.
Sie darf es nicht erfahren! Er will nicht, dass sie ihn hasst.
Und obwohl sie etwas sehr Ähnliches wie Sasuke erlebt hat, isz sie nicht wie er.
Hana strebt nicht nach Macht, nicht nach Stärke, und ist nicht besessen von Rachegedanken.
Weil sie den Verantwortlichen nicht kennt?
Anstatt zu hassen, ist Hana ganz einfach nur traurig und einsam.
Am liebsten würde er sie trösten.
Sie in den Arm nehmen und ihr sagen, dass alles wieder gut wird, obwohl er genau weiß, dass diese Wunde in ihrem Herzen nicht so schnell heilen wird.
Itachi streckt vorsichtig ein Hand nach ihr aus und tippt ihr sanft gegen die Stirn.
Verwundert sieht das Mädchen ihn an und berührt mit ihren Fingerspitzen die Stelle in ihrem Gesicht.
"Das hast du schon mal gemacht. Was bedeutet das? Warum tust du das?"
Hmm...warum hat er das getan?
Das ist einfach etwas, das er sich angwohnt hat.
"Ich weiß nicht genau...ich mach es einfach..."
Ein sanftes Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht und sie nickt.

Hana hat ihm eine gute Nacht gewunschen und ist zurück ins Bett gegangen.
Doch Itachi kann einfach nicht mehr einschlafen.
Es hat ihr sichtlich gut getan, über ihre Vergangenheit zu reden. Auch, wenn es sie bestimmt einiges an Überwindung gekostet hat.
Aber sie hat ihm vertraut und es ihm erzählt...
Ihm.
Einem Clanmörder, einem Verbrecher...
Sie hat einiges durchgemacht.
Immer allein zu sein...
Von niemandem wirklich wahrgenommen zu werden...
Itachi kann sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was das für ein Kind bedeutet. Vor allem für einen so lieben, aufrichtigen Menschen wie Hana.
Aber sie wollte niemanden sorgen. Also hat sie einfach gelächelt und jeden Schmerz versteckt.
Immer.
Fast so wie er...
Itachi steht seufzend auf, öffnet das Fenster und geht nach draußen.
Die frische Nachtluft ist angenehm kühl, der dunkle Himmel wird von unzähligen Sternen erhellt und der Mond scheint hell und klar über seinem Kopf.
Er atmet einmal tief durch.
Ein Spaziergang ist schon immer das Beste gewesen, um nachzudenken.
Er steckt sich die Hände in seine Hosentaschen und geht langsam in den Wald hinein.

Wie lange er wohl schon unterwegs ist? Ziellos läuft Itachi durch die Schatten des dichten Waldes. An einer Lichtung bleibt er schließlich stehen und legt sich mit dem Rücken auf die Wiese. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt liegt er da und starrt gedankenverloren in die Sterne.
Vor ein paar Monaten noch dachte er, dass er einfach wieder trainieren konnte.
Einfach wieder stärker werden...
Und dann?
Dann wollte er sterben.
Er hat das noch gar nicht so richtig geplant.
Bis jetzt war Itachi's Leben zwar gefährlich aber jeder Schritt geplant gewesen.
Es war unter Kontrolle.
Auch als er sich Sasuke letztes Mal gestellt hatte ist alles nach Plan gelaufen...
Fast.
Er ist nicht gestorben.
Und seit diesem Moment hat Itachi zunehmend das Gefühl, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren. Ein Gefühl, dass für ihn neu und ein wenig erschreckend ist.
Er kann weder seine eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen, noch den nächsten Schritt planen. Einfach, weil er nicht weiß ob der nächste Schritt nach vorne oder zurück, nach links oder rechts führen wird.
Kaum hat er sich an eine Situation gewöhnt und sich überlegt, wie man damit umgeht kommt schon etwas anders.
Kaum hat er sich an Hana gewöhnt, an ihre Art und sich überlegt, wie er mit Fragen umgehen soll, erzählt sie ihm von ihrer Vergangenheit.
Von dem Tod aller, die sie kannte.
Von ihrer Einsamkeit und ihrem Schmerz.
Und wieder weiß Itachi nicht weiter.

Nur eines ist momentan sicher:
Hana darf nicht herausfinden wer er war.
Wer er immernoch ist.
Warum?
Eigentlich ist Itachi es gewöhnt von allen verachtet zu werden.
Von allen gehasst und gefürchtet.
Es ist ihm auch relativ egal.
Aber irgendwie ist es anders bei ihr.
Er will nicht, dass sie ihn so sieht.
Irgendetwas tief in Itachi weigert sich stark gegen diesen Gedanken.
Dieser Gedanke, bei dem ihm augenblicklich mulmig wird.
Nein...
Er wird ihr nicht von sich erzählen.

Gerade als Itachi diesen Entschluss gefasst hat, hört er ein Geräusch aus einem der Büsche. Schnell setzt er sich auf und schaut in die Richtung des Raschelns.

Eine zweite Chance (Itachi FF | #Itana) [Wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt