It's Christmas Time || Adventskalender 2022

Türchen 5

 Irgendwo dort draußen, da sitzt ein gebrechlicher Mann in seinem ledernen Sessel. Das Feuer im Kamin knistert, erwärmt die Stube auf sanfte Art. Auf seinen knochigen Knien hat er ein dickes Buch aufgeschlagen. Das Familienalbum – sein wertvollster Besitz. Er schaut die Bilder durch seine große Brille an. Manch einen darauf erkennt er gar nicht mehr. Seine Frau strahlt auf vielen Fotos das schönste Lächeln, doch muss er beinahe eine Träne verdrücken. In wenigen Tagen kommen seine Kinder, die schon längst Familien haben, wieder Heim. Dann wird die Welt für ihn wieder friedlich und fein.

Irgendwo dort draußen, da steht eine junge Studentin in ihrer ersten eigenen Wohnung. Hunderte Kilometer trennen sie von Daheim. Von ihrem letzten Geld, welches sie sich als Kellnerin in einem kleinen Restaurant verdiente, kaufte sie nicht nur das Zugticket für die Heimfahrt, sondern auch eine bunte Lichterkette, die ihre Ein-Zimmer-Wohnung zumindest etwas in weihnachtliche Stimmung bringen sollte.

Irgendwo dort draußen, da schmückt ein Vater mit seinen Kindern den Weihnachtsbaum. Kugeln, Lametta und oben auf einen goldenen Stern. Alles glitzert und glänzt. Es ist das zweite Weihnachten ohne seine Frau, von der er sich vor zweieinhalb Jahren nach langem Rosenkrieg trennte. Endlich sind sie als kleine Familie ohne die Mama angekommen, können zum ersten Mal glücklich feiern.

Irgendwo dort draußen, da spielt Musik in schönsten Tönen, die das Orchester auf dem Weihnachtsmarkt zu bieten hat. Menschen tummeln sich in Gruppen von Stand zu Stand, es wird gelacht und Glühwein getrunken. Ein Karussell dreht in der Mitte des Marktes seine Runden. Auf der Eisbahn laufen Jugendliche um die Wette. Die Besinnlichkeit ist an allen Ecken und zwischen den süßen Düften zu spüren.

Irgendwo dort draußen, da sucht ein kleines Mädchen zusammen mit ihrer Oma nach der schönsten Schneeflocke. Über Nacht hat es geschneit, das Kind genießt den Schnee in vollem Zügen. Während es so tollt, kümmern sich die Eltern drin im warmen Haus um die Geschenke, als würde jetzt in diesem Moment der Weihnachtsmann da sein. Alles läuft perfekt, alles ist besinnlich.

Irgendwo dort draußen, da leuchtet ein Weihnachtsbaum. In einem Wohnzimmer. In einem Heim. Vor einem Lebensmittelgeschäft. Auf einem Weihnachtsmarkt. Vielleicht auch ganz woanders. Ganz gleich, er leuchtet stark, wärmt Räume, Plätze, Gassen und das eigene Herz.

Irgendwo dort draußen, da duftet es nach Plätzchen, nach Gans, nach Kartoffelsalat, nach Raclette oder dem absoluten anderen Lieblingsweihnachtsgericht. Manch einer isst allein, andere zu zweit, wieder andere zu zehnt.

Irgendwo dort draußen, da wird gefeiert, geschwiegen, geweint, gebetet, gelacht, gesungen und getanzt. Alles in allem oder eines allein.

Irgendwo dort draußen, da braucht es keinen genauen Ort. Es ist völlig gleich, wo wir feiern, wie wir feiern, mit wem wir feiern. Wir feiern. Alle. Das Fest der Liebe, der Geborgenheit und vor allem eines: der Gemeinsamkeit.