Türchen 14

16 2 15
                                    

Wie ist es, der Sohn vom Weihnachtsmann zu sein? Vermutlich ist die Gegenfrage; Der Weihnachtsmann hat einen Sohn? Ja, mich. Spannend, oder? Meine Mutter kommt ja immerhin in Geschichten vor, aber ich? Kein Stück. Eigentlich soll ich eines Tages den Platz meines Vaters als Weihnachtsmann einnehmen. Aber sind wir doch mal ehrlich, das wird niemals passieren. Mein Vater ist weit über zweihundert Jahre alt, altern tut er schon nicht mehr, seit er den Heiligen Nikolaus abgelöst hat. Damals war ich noch gar nicht geboren, dennoch ist meine Geburt bereits sehr lange her. Mit siebzehn habe ich aufgehört zu altern und sind wir mal ganz ehrlich? Für die älteren Kinder und Jugendlichen wäre doch so ein junger Weihnachtsmann viel cooler. Aber davon will mein Vater nichts hören, ich durfte noch nie mit zur Bescherung mitfliegen. Noch nie. Die einzigen Momente, wo ich was von der Menschenwelt sehen durfte, waren die, wo ich mit den Elfen zusammen ein paar Besuche getätigt habe, wenn mit Kindern etwas nicht stimmte. Das wars.

„Das ist viel zu gefährlich, mein Sohn", hat mein Vater dann gesprochen, „Wenn der Unsichtbarkeitszauber nicht mehr wirkt und dich jemand sieht, das kann gefährlich werden."

Blablabla. Er hat doch bloß Angst, dass ich ihm die Show stehlen würde. Dabei habe ich das ja nicht einmal vor. Der Job als Weihnachtsmann ist ziemlich hart, auch wenn man das vielleicht nicht glauben mag. Ich lese mit ihm zusammen immer die Wunschzettel, was er da alles an Weihnachten den Kindern bringen muss an einem einzigen Tag. Aber wenn wir zu zweit wären, wäre es doch viel einfacher und ich würde eine Einarbeitung kriegen, damit er irgendwann doch in den Ruhestand gehen könnte. Ich merke selbst, wie lächerlich und unrealistisch das klingt. Also werde ich wohl weiter dazu gezwungen sein, mal hier und mal da auszuhelfen, damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt. Mal helfe ich den Elfen in der Werkstatt, pflege die Rentiere (außer Donner, diese Dreckssau beißt mich jedes Mal!) oder lese Wunschzettel. Zum Glück habe ich einen recht guten Draht zu den Elfen, auch wenn manche von ihnen denken, ich wäre arrogant, nur weil ich der Sohn des Weihnachtsmannes bin. Als wäre das irgendein Privileg, ich lach mich schlapp. Wenn ich könnte, würde ich mich zumindest für einige Zeit unter die Menschen mischen. Ich würde gerne wissen, wie sie ticken und wie so ein normales menschliches Leben aussieht. Aber nach maximal achtundvierzig Stunden würde mich meine Alterung einholen und ich wäre mausetot. Das möchte ich ehrlich gesagt auch nicht. Außerdem würde es doch sehr auffallen, dass ich mich mit all dem, womit sie leben, so gar nicht auskenne. Von den Wunschzetteln weiß ich, was ein Smartphone ist oder ein Tablet, wie man damit umgeht, weiß ich aber nicht. Einzig mit einer Spielekonsole könnte ich was anfangen, ich habe nämlich selbst eine. Sie ist nur nicht ganz in Ordnung, weshalb sie auch bei mir gelandet ist. Ein weiterer Zeitvertreib für mich, besonders in den nicht weihnachtlichen Monaten. Ich hasse sie, dann ist hier nämlich kaum was los und ich komme vor Langeweile beinahe um. Das will ja auch keiner. Hoffe ich.

Ich fühle mich schon in den Schatten gestellt. Ob sich das jemals ändern wird, weiß ich nicht. Wenn man doch wenigstens von meiner Existenz wüsste, damit wäre ich schon zufrieden. Meine Mutter versucht mich manchmal aufzuheitern, aber auch das bringt nicht viel. Mit meinem Vater kann ich sowieso nicht wirklich reden. Jetzt ist Weihnachtszeit, da ist er im totalen Stress. Ich werde weiter Elfentätigkeiten tun, ohne überhaupt eine Elfe zu sein. Ich bin keine Elfe, ich bin kein richtiger Mensch. Ich bin nur der unsichtbare Sohn im Schatten des Weihnachtsmannes. 

It's Christmas Time || Adventskalender 2022Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt