Es war einmal ein kleines Dorf, weit abgelegen zwischen Feldern und Wäldern. Kaum eine fremde Seele ging dort ein oder aus. Besonders um die Weihnachtszeit herum traute sich niemand dorthin, denn es gab eine alte Legende, die besagte, dass alle Bewohner das Weihnachtsfest hassten und der Grumz in ihrer Mitte wohnen würde. Der Grumz war ein grausiges Wesen mit schwarzem Fell, Hörner und scharfen Zähnen und es hasste alles, was mit Weihnachten zu tun hatte Es hieß, es fräße Elfen und Engel zum Frühstück.
Eines schönen Wintertages im Dezember irrte ein junger Wanderer durch die Tannenwälder, er war auf der Suche nach einem schönen Ort zum Zeichnen. Die Zeichnung wollte er seiner kranken Großmutter zum Geschenk an Weihnachten machen, denn sie liebte seine Zeichnungen und Malereien so sehr und sie noch einmal aus tiefsten Herzen lächeln zu sehen, würde sein Herz erwärmen. Gedanklich stellte er sich vor, wie man aus all diesen Tannen wunderschöne Weihnachtsbäume machen könnte Dabei merkte er gar nicht, wie sehr er vom Weg abkam und sich immer mehr in der Dichte des Waldes verlief. Als er völlig die Orientierung verlor, drehte er sich ein paar Mal im Kreis und stolperte dabei über einen am Boden liegenden Ast. Er fluchte und rappelte sich wieder auf. Er klopfte sich den Schnee von der Hose und schnaufte tief durch. Was sollte er denn nun tun? Wie kam er wieder zurück? Er hatte weder Kompass noch Karte bei sich, bloß seine Zeichenutensilien. Da hörte er mit einmal aus der Ferne ein Knacken im Unterholz. Er lauschte, erneutes Knacken. Er rannte los, vorbei an Bäumen, Bäumen und noch mehr Bäumen. Es war, als würde ihm etwas hinterherhetzen. Aber immer wenn er sich umdrehte, war da nichts.
Er lief aus dem Wald hinaus, direkt auf ein schneebedecktes Feld. Der Wanderer kam zum Stehen, stütze die Hände auf die Knie und blickte hinter sich. Niemand folgte ihm hierher, er war allein. War dort überhaupt jemals etwas hinter ihm her? Er musste erst einmal wieder zu Atem kommen, die eisige Luft erschwerte es ihm umso mehr. Wo war er? Dieses Feld und alles, was er von hier aus sah, hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Links und rechts von ihm erstreckten sich weitere endlose Felder, aber am vorderen Ende seines Ackers schien eine Straße zu beginnen. Er ging direkt darauf zu, kletterte unter einem Zaun hindurch und endete tatsächlich auf einer rutschigen und beschneiten Straße. Es waren keine Fußspuren zu sehen. Dennoch ging er die Straße entlang, auf der sich nach und nach die ersten Hütten und Häuser zeigten. Da dämmerte es ihm, er ist in dem Dorf des Grumz. Er bekam Angst, wollte wieder umkehren. In einem Garten bellte ein Hund, der Wanderer erschrak, was den Hund nur noch mehr aufbrachte. Die Bewohner des Dorfes wurden auf ihn aufmerksam. Eine Tür öffnete sich schwerfällig, eine füllige Frau trat mit grimmigem Gesicht heraus. Wieder begann er zu rennen, diesmal kam er bis zum Marktplatz. Ausgerechnet der Ort, wo sich die meisten Menschen tummelten. Doch zu seiner großen Verwunderung gab es dort etwas, was er nie dort vermutet hätte; einen Weihnachtsmarkt. Hatte er sich doch geirrt und war in einem anderen Dorf gelandet? Aber da, an einem kleinen Stand, war ein gemaltes Bild des Grumz. Der Wanderer verstand die Welt nicht mehr. Eine junge Dame, etwas seines Alters, kam auf ihn zu. Sie war wunderschön, ein weißes Band hat sie um ihre braunen Haare gebunden und ihr graues Kleid, welches bis zu den Knöcheln ging, passte zu ihren Augen. Ihre Lippen waren zartrosa, solche hatte er noch nie vorher gesehen. Sie lächelte ihn an, als wäre er ein Freund.
„Sei gegrüßt", sprach sie zu ihm in fröhlicher Stimmfarbe, „Ein Fremder zu dieser Zeit in unserem Dorf ist eine Seltenheit."
„Ich...hab mich verlaufen", stammelte der Wanderer.
„Der Bengel macht sich doch gleich ins Hemd", grölt ein bärtiger Mann mit dickem Bauch.
„Schweig, Hans. Du weißt, wie die Siedler ihre grauenhaften Geschichten über uns erzählen. Aber, Fremder, du brauchst keine Angst vor uns zu haben. Den Grumz gibt es nicht, es sind nur boshafte Lügen, die über uns gesagt werden, weil wir so abgeschottet von euch leben. Eine alte Geschichte ohne einen Funken Wahrheit."
Misstrauisch schaute der Wanderer das Mädchen vor sich an. Konnte er ihr Glauben schenken? Warum sollten die Bewohner einen Weihnachtsmarkt veranstalten, wenn sie das Fest verabscheuten? Der Wanderer nickte.
„Ich danke für dein Vertrauen. Mein Name ist Ella, komm, ich zeige dir das wahre Dorf und wie weihnachtlich wir wirklich sind."
Sie reichte ihm ihre Hand und er nahm diese zögerlich.
So zogen sie gemeinsam durch die Ecken und Gassen und der Wanderer durfte alle ihre Bewohner von jung bis alt kennen lernen. Sie alle liebten das Weihnachtsfest, aber waren traurig darüber, dass nie einer von einem anderen Dorf oder der Stadt sie besuchen kam. Der Mythos war zu weitgreifend und sie alle hatten nun die Hoffnung, dass der Wanderer ihm ein Ende setzen könne. Er versprach selbstverständlich, allen seinen Leuten von seinem Besuch zu berichten. Er wurde herzlich behandelt und gab ihnen sein Wort, ganz bald wieder zurückzukommen und vielleicht ein paar Freunde mitzubringen. Vor allem Ella wollte er unbedingt wieder sehen, welche ihn sogar noch zurück zum Wald brachte und ihm den Weg zurück erklärte. Seine Zeichnung vergaß er dabei völlig und es war ihm für heute auch egal, als er seinen Heimweg antrat.
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It's Christmas Time || Adventskalender 2022
Short Story"It's the most wonderful time of the year" So heißt es in dem Lied von Andy Williams. Und da eben diese vor der Tür steht, gibt es hier jeden Tag ein neues Kapitel, eine neue kleine Weihnachtsgeschichte bis Heiligabend.