Regen peitschte ihr ins Gesicht, Wind riss an ihrem Fell, Donner dröhnte in ihren Ohren, doch all das konnte Sturmpfote nicht beeindrucken. Sie war im Sturm geboren worden, und der Sturm war ein Teil von ihr. Sollte er doch die Hasen vom Feld jagen und die Jungen in ihre Nester. Sie war aus einem anderen Holz.
Sie war der Sturm.
Mit kräftigen Sprüngen preschte sie durch das Chaos, entlang der Felder, umgeben von dunklen Schatten, nichts über ihr als der dunkle Himmel pechschwarzer Wolken – weiter ohne Ziel, voran, ohne zurückzusehen. Den schwarzen Fluss entlang, in den kaltes Wasser fiel, quer über das Feld, wohin immer sie ihre Pfoten trieben. All die Energie, all die Kraft in ihren Pfoten trieben sie voran, immer weiter, ohne Ziel, nur voran. Ihre Tatzen trommelten über die Erde, in der Ferne zuckten Blitze, der Donner ließ die Luft erzittern, doch nicht Sturmpfote.
„Die Wolken ziehen sich über dem Himmel zusammen. Wie die galoppierenden Pfotenschritte unzähliger Schattenkatzen trommelt Regen zu Boden", hatte Federpfote gesagt, wie die galoppierenden Pfotenschritte unzähliger Schattenkatzen, lauter als alles, was sie jemals gehört hatte. Aber Sturmpfote hielt nicht an.
Irgendwohin musste all diese Wut, und wenn sie Schafsjunges nicht die Kehle zerreißen durfte, musste sie sich etwas anderes ausdenken. Und laufen. Laufen, laufen, und erst anhalten, wenn all diese Wut aus ihrem Körper war.
Wind schlug ihr entgegen, kalter, eisiger, heulender Wind, der in ihren Ohren pfiff, Kälte drang in ihren Pelz, Regen spritzte ihr ins Gesicht, jeder Tropfen wie ein kleiner Schlag ins Gesicht.
Aber das alles fühlte sie kaum. Das was, sie fühlte, war Freiheit.
Auf der freien Fläche des Feldes blieb sie stehen und sah in den Himmel. Ihr Fell wurde vom Wind hin und her gerissen, als die Böen sie von den Pfoten werfen wollten, der Regen auf ihren Pelz trommelte.
Der Geruch von etwas Großem lag in der Luft, hatte sie gesagt. Noch heute. Noch am Morgen. War das nicht seltsam? So lang her kam es ihr jetzt schon vor.
Das war der zweite Grund, warum sie hier war. Neben der Sicherheit von Schafsjunges.
Sie hatte dieses Gefühl. Gefühl war natürlich nichts, weshalb man sich mitten in ein furchtbares Gewitter stürzen sollte, aber es war wirklich da, und mit jeder Minute wuchs es nur heran, wurde stärker, bis es in ihrer Brust brannte, dass sie hätte schreien mögen. Nicht nur vor Wut. Es quälte sie, mehr als jeder Spruch von Schafsjunges es je hätte tun können. Mehr als irgendetwas sie je hätte quälen können.
Denn wenn Sturmpfote etwas nicht ertrug, dann war es, etwas nicht zu wissen. Schon immer, seit sie ein Junges gewesen war. Anders als Federpfote, anders als Stoppelpfote – ihnen konnte man von fliegenden Igeln erzählen und sie würden sagen, „ach ja?" und dann einfach weiterleben wie zuvor, ohne ... ohne...
Wie sie sie manchmal doch hasste! Aber noch schlimmer waren die Alten. Immer entschieden sie. Immer wussten sie alles. Und immer, immer, immer hatten sie recht und alles, was anders war oder neu oder auch nur interessant, war automatisch falsch und schlecht und furchtbar und sie sollte bloß nie wieder damit anfangen. Furchtbar! Wie alt konnte man nur werden?
Deshalb sahen sie nicht. Deshalb bemerkten sie nicht, was sie spürte. Sie fühlten es nicht.
Das, was in der Luft lag.
Plötzlich ergriff eine unendliche Erschöpfung ihre Glieder. Außer Atem blieb sie stehen, straffte die Schultern und schaute in den Himmel hinaus. Regentropfen fielen auf sie herab, immer aus einer anderen Richtung, alles änderte sich blitzschnell, Wind wirbelte herum, trug sie mit sich, nur die Wolken schienen nahezu gemächlich ihre Formen zu ändern.
Sie mussten wirklich unglaublich weit weg sein, die Wolken dort über ihr. Und dahinter noch lagen die Sterne. Unendlich weit entfernt, kaum noch zu sehen. In Wahrheit mussten sie riesig sein - wie riesig, konnte sie sich kaum ausmalen -, doch von hier aus waren sie nur winzige Punkte, so leicht zu verdecken von einer Wolke oder vom Licht der Sonne.
Und als sie so da stand, im Sturm, mitten im Sturm, als sie genau so da stand und in den wolkenschwarzen Himmel blickte, als sie so da stand, sah sie es.
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WarriorCats - Von der Wahrheit träumt man nicht (Band 1)
FanfictionEs scheint ein ganz normaler Morgen in der Blattgrüne zu sein, den der kleine Kater Regenjunges auf keinen Fall verpassen möchte und kurz darauf - versehentlich - sein Lager verlässt. Ein ganz normaler Tag, so wie es jeder andere, Mond um Mond, gewe...