»Plant der FlussClan etwa eine Invasion?«
»-naja, wir wollen Daunenpelz doch nicht-«
»-und was sagt ein Aal zum – hey! Warte doch!«
Still ist es auch hier nicht – natürlich nicht –, doch wenigstens nicht mehr so ohrenbetäubend paralysierend einnehmend wie an den meisten anderen Orten. Es wird besser, je tiefer man sich in den Bau hineinwagt. In der Dunkelheit ruht der Frieden.
Die Stimmen werden gedämpfter, als sie sich durch den Eingang des Kaninchenlochs zwängt.
»-ihr ihn gefunden? Heute morgen war er doch noch da! Er kann noch nicht allzu weit weg sein ... oder? Tupfen-«
»-gefälligst zu, Fleckenfell: Ich habe keine Lust mit dir zu reden! Hast du das verstanden?!«
»-sehr enttäuscht, Igeljunges. Und jetzt-«
Ist es dunkel. Taubenpfote hält die Luft an, zuckt mit den Ohren – und atmet aus. Behutsam rollt sie sich auf dem Boden zusammen, legt den Kopf auf die Erde, starrt in die Dunkelheit des Kaninchenbaus und sucht nach etwas zu Sehen. Zu Hören. Zu Riechen, doch die Welt ist verstummt zu unverständlichem Gemurmel, das aus ihrem Innersten zu kommen scheint. Um sie herum vibriert die Luft von tiefem Brummen. Unverständlich. Leise. Ein wenig unheimlich, aber auf die beruhigende Art. Wie Gruselgeschichten in der Kinderstube.
»G-t-- F--- - -ieseltatze!«
»--as h-- --- ---ch- v-- --- - S-- -st -- ----«
Die kleine Kätzin schließt die Augen, schnurrt leise zu sich selbst, verdrängt die stumme Kälte ihres Unterschlupfes, die Stimmen, die Erde, den Lehm. Auch das ein oder andere Kaninchen hinter den Gängen, das sich verängstigt atmend auf den Boden drückt und mit großen Augen in die Schwärze starrt.
Doch von Taubenpfote hat es nichts zu befürchten. Heute nicht, sonst nicht, nie. Der Bau ist heilig. Er zeigt sich denen, die ihn brauchen, und verweigert sich denen, die ihn suchen. Ein Ort der Sicherheit, ein Schutz vor der Welt dort draußen, in der der Wind über die Felder fegt.
Eigentlich wollte sie gar nicht hierher kommen, ihre Pfoten trieben sie einfach hierher, und wie beim ersten mal, wie damals, als alles begann, öffnete sich der Gang, ließ sie hindurch und darin verschwinden. Ein Ort der Stille. Ein Ort des Friedens.
Ein Ort zum nachdenken. Denn zum Nachdenken gibt es vieles, viel zu viel für eine so kleine Kätzin. So viele Geschehnisse. Widersprüchliche Stimmen. Töne aus tiefer Ferne, die alles überdeckten.
Da ist diese DonnerClan-Kätzin mit dem Traum und der FlussClan-Kater, dem sie davon erzählte. Der Geruch in seinem Fell, wenn sie sich mit ihm traf. Der Klang in der Stimme. Manchmal hasst sie sich für das Lauschen. Und manchmal...
Da ist diese WindClan-Schülerin, die von Prophezeiungen sprach und vom SternenClan und von einem Jungen, das noch gar nicht wach gewesen war zu dieser Zeit, der Geruch von Schlaf in seinem Pelz, ruhige, tiefe Atemzüge aus der Kinderstube.
Da ist auch dieser BergClan-Kater mit den zwei Gesichtern und er sprach wirres Zeug, das sie verwirrte und irritierte, wann immer ein Klang seiner Worte an ihr Ohr gelang.
Und da ist Säuselwind, der sich mit Kirschrot unterhielt und dabei so glücklich wirkte, und manchmal hasste sie sich wirklich, wirklich für das Lauschen, aber was sollte sie tun, weghören ging nicht, es war nicht ihre Wahl, nicht in ihrer Macht, es einfach abzustellen, hätte sie es gekonnt, hätte sie es getan, wäre es ihr erspart geblieben, der Stich in ihr Herz, also-
Also ist da der FlussClan-Kater, er streift den Donnerweg ab in Richtung Norden, allein, mit der Nase im Wind und den Ohren lauschend. Sie hört seinen Atem, selbst hier. Sie kann ihn riechen. Sie kann ihm folgen, ohne bei ihm sein zu müssen.
Und kann an nichts anderes denken. Ihm einfach folgen und alles andere vergessen, wie sie früher den Adlern folgte und davor den Igeln und Hasen auf dem Feld. Doch sie waren so fremd. So hungrig. So scheu, dass es sie nicht wirklich abzulenken vermochte.
So vieles nachzudenken. Und das einzige, das in ihren Kopf passt, ist der Gedanke an Säuselwind. Und an Kirschrot und an ihr-
Maunzend vergräbt sie den Kopf in den Pfoten. Der Traum, von dem die Kriegerin erzählte. Das ist wichtig, daran muss sie denken, an nichts sonst. Was hat er zu bedeuten? Ein Berg, der erklommen werden muss – und das Verschwinden des Himmels? Was heißt das überhaupt? Wie kann der Himmel verschwinden? Und was hat das mit dem Traum im WindClan zu tun?
Säuselwind wüsste sicher, was es zu bedeuten hat. Ein eiskalter Schauer läuft ihr über den Rücken – das Prickeln hält an, die kalte Erde verstärkt das Gefühl nur. Ihr Herz flattert in ihrer Brust.
Dann bemerkt sie es erst. Die Zeit reicht nicht einmal mehr, sich das Fell zu glätten. Mit gesträubtem, kribbelndem Pelz und auf zitternden Pfoten stellt sie sich auf und erzittert.
»Hier bist du. Hab ich dich.« Mit endloser Eleganz landet der Krieger in ihrem Nest, verdeckt mit seinem Schatten auch den letzten Lichtstrahl. Augenblicklich herrscht vollkommene Stille – alle Geräusche sind verstummt, von hier bis zum Fluss, das Flüstern ist verblasst, das Rauschen versiegt.
Nur noch Säuselwind. Nichts als Säuselwind.
»D-du bist hier.«
Er lächelt. Sie kann es nicht sehen, aber fühlen kann sie es. Ihr Herz setzt einen Schlag aus, so warm wird ihr auf einmal. »Und du auch. Ich würde ja „was für ein Zufall!" sagen, hätte ich nicht nach dir gesucht.«
Zögernd schnurrt sie. Zögernd, aber aus tiefstem Inneren. Er hat nach ihr gesucht. Für einen Moment vergisst sie fast, dass er auch nach Kirschrot gesucht hatte.
»Ich weiß, du brauchst etwas Ruhe...« Die Unsicherheit in seiner Stimme lässt sie innehalten, lässt Hoffnung in ihrer Brust aufflammen. »Ich wollte nicht, dass du so allein bist. Es sind schwierige Zeiten, Schwanenfeder meinte, sie hätte einen Habicht gesehen ... und dass ein Sturm aufzieht, man sieht schon die Wolken – also, das heißt, ich habe mir etwas Sorgen gemacht und dich einfach wieder zurückholen.«
»Du musst dir keine Sorgen machen«, sagt sie und hasst sich in der nächsten Sekunde dafür.
Ein zaghafter Blick. Ein sehr zaghafter Blick in der Dunkelheit.
»A-aber ich komme mit.« Ihr Blick gleitet an ihm herab, zu Boden, ins Nichts. »Zurück.«
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WarriorCats - Von der Wahrheit träumt man nicht (Band 1)
Fiksi PenggemarEs scheint ein ganz normaler Morgen in der Blattgrüne zu sein, den der kleine Kater Regenjunges auf keinen Fall verpassen möchte und kurz darauf - versehentlich - sein Lager verlässt. Ein ganz normaler Tag, so wie es jeder andere, Mond um Mond, gewe...