Kapitel 12. Im Nest

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»-warte doch! Sturmpfote, jetzt bleib doch stehen! Sturm-«

»-Dohlenpfote umgebracht. Dafür wird er-«

»-es ja nur gesagt haben. Sie ist eben etwas-«

»-Gipfelfall gefunden. Er war ganz-«

»-nicht einfach alle anderen auslöschen? Das würde so einiges-«

»-du, Schlitzohr? Wir haben überall nach dir-«

»-bei dir, Taubenpfote?«

Wie aus einem Traum gerissen schreckt sie auf, reißt die Augen auf. Ein paar mal muss sie blinzeln, ein-, zwei mal noch mit den Ohren zucken und die Nase rümpfen, dann ist sie wieder da – und entspannt sich, weil es nur Flauschfell ist. Flauschfell sucht immer etwas. Und mindestens genauso oft verläuft er sich. Auch in ihren Bau, wo es eigentlich nichts zu finden gibt, bis auf Taubenpfote natürlich.

»Was suchst du denn?« Langsam steht sie auf, schüttelt sich, fröstelt. Der Regen draußen dröhnt in ihrem Kopf, ausend Echos jedes Tropfens hallen in ihrem Schädel wieder und lassen die Welt um sie herum in einem einzigen Dröhnen und Prasseln untergehen. Es braucht ihre ganze Konzentration, sich nicht einfach von der Angst niederreißen zu lassen. Und es ist so unglaublich laut.

»Oh, gar nichts, eigentlich. Wollte nur nach dir schauen.« Der gefleckte Kater schnurrt. »Hunger auf Kaninchen? Du hast heute noch nichts gegessen. Warte, ich bring dir eins.«

»-weil der SternenClan die Pflanzen nicht vertrocknen-«

»-den schon? Was sagt ein Fink, wenn ihm etwas gelingt? „Hurra, es hat Fink-tio-«

»-so sensibel. Manchmal weiß ich auch nicht, wie ich das aushalten soll. Manchmal wünschte ich, ich hätte ein ganz normales Junges bekommen.«

Taubenpfote spitzt die Ohren. Drückt die Krallen in die kalte Erde und konzentriert sich so fest sie nur kann.

»-normal sein. Käferjunges hat richtig Talent im Kämpfen. Du müsstest sie mal kämpfen sehen. Die Kleine ist wirklich großartig.«

Käferjunges? Wirklich? Taubenpfotes Blick gleitet ins Leere.

»Ich weiß...«

»Und Wiesenjunges erst. Sie klettert wie ein Eichhörnchen. Es sind wirklich wunderbare Jungen. Es ... es liegt nicht an dir, dass...«

»Ach...«

»Ihr Vater war auch so. Still. In sich gekehrt. Seltsam.«

Taubenpfote beißt die Zähne zusammen. So spricht er also über Salbenlicht, wenn die anderen nicht zuhören. Über den besten Krieger der Welt. Den besten Kater der Felder und überhaupt, den besten Vater, den es je gegeben hatte. Ihr Schwanz zuckt hin und her.

»Ganz anders als du. Du bist ... anders.«

»Wieseltatze, das ist nicht der richtige...«

»Wieso? Jetzt kann sie es doch nicht hören!«

Bei diesen Worten schreckt sie zusammen, sträubt das Fell und verzieht das Gesicht, genau in dem Moment, in dem Flauschfell zurück in den Bau springt. Wäre es ein sensiblerer Kater, würde er vielleicht fragen, ob er gehen soll, aber Flauschfell ist Flauschfell, also legt er das tote Kaninchen vor ihr ab und nimmt den ersten Bissen.

»Das haben wir nur deinetwegen gefangen.« Er schmatzt etwas. Lauter, wenn er allein isst, er gibt sich ehrlich Mühe, aber Taubenpfote hört es so oder so. »Wegen deinem Tipp.«

»Meines Tipps«, murmelt sie, setzt sich ebenfalls wieder und reißt sich ein Stück Fleisch ab.

»Das war wirklich ein Fest. Erdbeernase hat sich von der einen Seite herangeschlichen, und Daunenpelz war am anderen Ende. Und dann ist-« Er hält inne. »Aber wahrscheinlich weißt du das ja.«

Sie lächelt matt. »Du kannst es gern erzählen. Ich habe es ja nur gehört. Nicht gesehen.«

»Also, Daunenpelz hat sich...«

Sie beugt sich vor und nimmt einen weiteren Happen, lauscht – doch da ist nichts mehr. Der Regen hat Wieseltatze verschluckt und ihre Mutter auch. Nur Wind bleibt. Und die Erinnerung. Und-

Wie konnte dieses FlussClan-Junge nur so tief in das DonnerClan-Territorium kommen? Ah, der Streit im BergClan hat sich geklärt. Jetzt bricht Gipfelfall auf – war er nicht schon auf der Hälfte des Weges gewesen? - und Ascheregen huscht durch die Felder.

Erschöpft, furchtbar erschöpft lässt sie sich fallen, seufzt einmal und schließt die Augen.

»Taubenpfote?«

Sie nickt und erhebt sich. »Es war wirklich sehr schön, mit dir essen, aber ich fürchte, jetzt muss ich los.« Flauschfell lässt die Schnurrhaare sinken. Also fügt sie hinzu: »Gipfelfall ist schon aufgebrochen. Vielleicht isst Schwanenfeder den Rest mit dir. Sie ist gerade aufgestanden.«

Und mit diesen Worten läuft sie davon. Weg vom Regen, weg von diesem Nest, weg von der trügerischen Wärme ihres Baus. Weg von den Erinnerungen, weg von Salbenlicht und vor allem weg von ihrer Mutter.

So weit das eben möglich ist.

WarriorCats - Von der Wahrheit träumt man nicht (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt