Amira wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war, doch sie vermutete, dass es ungefähr neun Uhr sein musste, da es ganz langsam dunkel wurde. Die Sonne senkte sich langsam hinter die Berge und in der Burg gingen immer mehr Lichter an, die vermutlich von kleinen Kerzen herrührten. Das Fest schien in vollem Gange zu sein, denn man hörte leise die fröhliche Musik der Musikanten, die vermutlich aus einer weitentfernten Stadt gekommen waren, nur, um gegen eine gute Bezahlung für einen Lord zu spielen. Das musste ein schönes Leben sein, wenn man die Welt bereisen konnte und den ganzen Tag lang musizieren konnte. Früher hatte sie sich danach gesehnt die Welt zu sehen und in fremde Länder zu reisen, doch nun war das nur noch eine kindische Wunschvorstellung, die vermutlich niemals in Erfüllung gehen würde.
"Ich hab keine Zeit für so etwas" ermahnte sie sich selbst und strich sich durch die hellen Haare. Die kleine Narbe auf ihrer Nase, die sie von einem brutalen Kampf vor vier Jahren hatte, juckte etwas. Ein Anzeichen dafür, dass bald etwas Aufregendes passieren würde. Es war wie eine Art Warnsignal für sie, wodurch sie immer vorbereitet war, auf große Ereignisse. Logischerweise dachte sie, dass das Jucken nur davon kam, dass sie heute einen großen Einbruch begehen würde. Was allerdings eigentlich der Grund für diese übernatürliche Warnung war, dass wusste sie noch nicht.
Ihr Blick schweifte noch einmal über die friedliche Landschaft und blieb dann an Thalia hängen. Sie liebte dieses Pferd aus ganzem Herzen und könnte sich niemals verzeihen, wenn ihr etwas passieren würde, weshalb sie nun auch zu ihr hinüber ging und sie an einem nahegelegenen Baum, der etwas versteckt lag, anband. Die Fuchsstute sah sie etwas verwirrt an und schnaubte empört, da sie nicht zu verstehen schien, warum sie nicht weiter grasen durfte. "Es tut mir leid süße aber ich kann nicht riskieren, dass dich jemand sieht und mitnimmt" versuchte Amira ihr zu erklären, als würde das Tier sie verstehen. Natürlich verstand Thalia nicht, was sie ihr sagte, weshalb sie erneut schnaubte, die Situation dann allerdings akzeptierte und den Kopf senkte, um etwas zu Grasen, was ihr durch das Halfter erschwert wurde.
"Wir sehen uns bald wieder" versprach Amira ihr mit liebevoller Stimme, als sie ihr noch ein letztes Mal über den Hals strich. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gefühl dabei sie einfach so hierzulassen, doch sie hatte keine andere Wahl. Um schnell flüchten zu können, brauchte sie Thalia nun mal und egal wo sie sie hinbrachte, sicherer wäre sie da sicher auch nicht. Nirgendwo war es wirklich sicher. Das hatte sie schon früh auf die harte Tour gelernt.
Mit schwerem Herzen und bewaffnet mit Dolch und Seil, machte sie sich auf den Weg zur Burg, die wie ein mächtiger König über die Landschaft herrschte. Ein König, den sie heute berauben würde. Wie viel Gold Lord Ramires wohl besaß? Er war durchaus einer der wohlhabenderen Adligen und bekannt dafür, dass er erfolgreich Handel in fremden Ländern trieb, was ihm viel Gold einbrachte. So viel, dass er das bisschen, was Amira ihm stehlen würde, vermutlich nicht mal bemerkte. Hoffentlich.
Die blondhaarige überquerte also die große Wiese, auf der Ramires Burg gebaut war und erreichte schon bald die Mauern des riesigen Landsitzes. Steinhart und undurchdringlich versperrten sie ihr den Weg zu ihrer Beute. Undurchdringlich aber nicht unüberwindbar. Als sie auf die Nacht gewartet hatte, machte sie sich einen Plan, wie sie in diese Burg hineinkam. Die Wachen wechselten alle 2 Stunden ihre Position, was in etwa 4 Minuten geschehen würde. Die meisten dieser Wachen waren jedoch längst betrunken, so dass sie deutlich länger von einem Punkt zum anderen brauchten, was ihr ein kleines Zeit Fenster gab, in dem sie die Mauer hochklettern konnte. Das lallende Gelächter von oberhalb der Mauer bestätigte ihr, dass die Wachen sicherlich nicht nah an den Rand der Mauer kommen würde, da sie sonst in ihrer Trunkenheit einfach hinunterfallen könnten. Kein Problem also einfach hochzuklettern.
Leichter gesagt als getan. Wie vermutet war die Mauer glatt und ließ nicht viel Spielraum fürs Klettern mit Hand und Fuß, doch dafür hatten sie ja das Seil. Etwa 2 Meter unter dem Rand, der gut 10 Meter Hohen Mauer, gab es einen kleinen Vorsprung, dessen Nutzen sie sich jedoch nicht erklären konnte. An diesem würde sie ihr Seil befestigen und daran hochklettern.
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A fallen angel
FantasyAmira verlor ihre Eltern schon früh, doch das hinderte sie nicht daran sich als gerissene Diebin durchs Leben zu schlagen. Als sie 19 Jahre alt ist, bekommt sie durch Zufall eine wichtige Information. Im Haus eines Adligen findet ein Fest statt, wa...