Gerade hatte sie ihm die Kehle aufschlitzen wollen und nun stand dort Castile im Eingang der Hölle. Sofort blickte Amira ihn an und sein Anblick versetzte ihr doch für einige Sekunden einen kleinen Schock. Sein rechter Flügel hing etwas runter und auch wenn man es auf den schwarzen federn nur schwer erkennen konnte, glaubte sie dort Blut zu erkennen. Er hatte drei lange Kratzer sowohl auf der Wange, als auch am Arm, doch sonst schien er, außer mit Dreck beschmutzt, unversehrt zu sein. Gut. Einen verletzten Engel konnte die junge Frau nun wirklich nicht brauchen.
"Sieh mal an ti vòlè, du hast ja doch was drauf" brummte Castile amüsiert und es war wohl das erste mal, dass er tatsächlich etwas beeindruckt schien. Nun ja, hier lagen mehrere Männer, jeder von ihnen war Tod und überall war ihr Blut verteilt. Das sprach wohl tatsächlich dafür, dass Amira etwas drauf hatte.
"Hast du daran gezweifelt Engelchen?" knurrte die junge Diebin zurück und blickte ihn kalt an. Vergessen hatte sie sicher nicht, was vor dieser... Schlangenfrau passiert war und so schnell würde Amira ihm das auch nicht verzeihen. Sie blieb also weiterhin angespannt, während sie das Messer etwas stärker an die Kehle des Jungen drückte. Nur zu Vorsicht.
Castile hob eine Augenbraue und wandte sich dann zu dem Jungen, der kreidebleich war. Er hatte wohl auch noch nie einen Engel gesehen und im Angesicht des möglichen Todes durch Amiras Klinge schien er zu glauben, dass Castile hier wäre um ihn persönlich in den Himmel zu bringen. Wenn er nur wüsste.
"Ich schätze mal, dass die Männer hier Söldner sind, richtig?" fragte er und blickte dabei sowohl den Jungen als auch Amira an. "W-wir, also... ähm" begann der Junge mit zittriger Stimme. "Sieh dir doch ihre Kleidung und die Waffen an. Natürlich sind sie Söldner. Irgendwer hat ein Kopfgeld auf uns aufgesetzt oder die lieben Herren dachten, dass sie ein kleines Mädchen im Wald überfallen könnten. Was war es kleiner?" gab sie bissig zurück. Oh ja, Amira war gerade alles andere als gut drauf, doch erstmal brauchte sie Informationen, danach könnte sie ihm noch eine Knallen.
"Entschuldige ti vòlè, wie konnte ich das vergessen" erwiderte Castile, seinen Blick wandte er jedoch nicht von Amira ab, selbst dann nicht, als der Junge zu sprechen begann. "J-Jemand hat 200 Sankrische Taler auf eure Köpfe a-ausgesetzt" stotterte er und sein Blick war noch immer auf den Engel vor ihm gerichtet, als wäre es ihm vollkommen egal, dass ein Messer an seiner Kehle war.
"Nur 200?" fragte Castile und musterte Amira. Er schien den gleichen Gedanken wie sie zu haben. 200 Sankrische Taler waren nicht so viel wert, wie man vielleicht dachte. Das Destrier Königreich war eher arm, was wohl auch der Grund war, weshalb es so viele Städte wie Zinambra gab. Der springende Punkt war aber, dass einerseits niemand wissen konnte, wohin sie unterwegs waren, denn eigentlich sollte niemand von diesem Auftrag wissen, außer... Hatte ihr Castile etwas nicht erzählt? Und andererseits würde man auf zwei Kämpfer wie die beiden mehr Kopfgeld aussetzten
Amira erwiderte den Blick völlig emotionslos und leer. So sah sie meistens aus, wenn sie getötet hatte, normalerweise sah dass jedoch niemand. Sonst wanderte die blondhaarige allein durch die Straßen Zinambras und wenn jemand diesen Blick zu sehen bekam, dann mied er meist ihren Weg. Nicht aber Castile. Er sah sie direkt an, mit seinen sturmgrauen Augen. Wie überraschend.
"Wer hat euch beauftragt?" fuhr Castile fort. Der Junge zögerte kurz, doch der Situation entsprechend gab er relativ schnell nach. "Eine Frau. Sie war circa 35, groß, blond... rattenscharf. Ihren Namen hat sie uns nicht gesagt, bloß, dass ihr leicht zu besiegen wärt und wir dafür eine Belohnung bekommen würden. Wir hatten keine Ahnung d-dass sie..." erst jetzt schien er zu begreifen, dass all seine Freunde tot waren. Armer Junge.
"Wo hat sie euch angesprochen" fragte er unaufhörlich weiter. Amira hörte einfach nur weiter zu und blieb still. "In einer Stadt etwa einen halben Tag von hier. Sie meinte, dass ihr gegen Abend durch dieses Gebirge kämt und wir euch hier auflauern könnten. Ich schwöre mehr weiß ich nicht" versuchte er zu erklären und die junge Diebin spürte, wie er etwas in sich zusammensackte. Er hatte wirklich Angst.
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A fallen angel
FantasyAmira verlor ihre Eltern schon früh, doch das hinderte sie nicht daran sich als gerissene Diebin durchs Leben zu schlagen. Als sie 19 Jahre alt ist, bekommt sie durch Zufall eine wichtige Information. Im Haus eines Adligen findet ein Fest statt, wa...