Das Gesicht war makellos. Er hatte einen markanten Kiefer und hohe Wangenknochen. Seine dunklen Haare fielen ihm ins Gesicht und Amira bemerkte einige schwarze Ohrringe. So schwarz, wie seine großen, mächtigen Flügel. Sie bestanden aus schwarzen, langen Federn, die aussahen, als würden sie einem Raben gehören. Mit diesen Flügeln könnte er sich in die Lüfte erheben, mächtiger und erhabener als jeder sterbliche. Ein Geschenk des Himmels, das es ihm erlaubte sie und jeden anderen Menschen einfach zu unterwerfen.
Am liebsten hätte Amira dieses Geschöpf des Himmels ewig angestarrt, doch da kam er auch schon auf sie zu. Blitzschnell und mit tödlicher Kraft drückte er sie gegen die Wand. Eine, mit Silberringen verzierte Hand drückte ihr die Luft zum Atmen ab, als die übermächtige Kreatur versuchte sie aus dem Weg zu räumen. Überrascht und durch den plötzlichen Luftmangel verängstigt, schnappte sie nach Luft. Was wollte dieser Mann? Dieser... Engel? Sie hatte Legenden von Kreaturen mit weißen Flügeln und goldenen Augen gehört. Kreaturen, die von einer höheren Macht erschaffen und auch Kinder des Lichts genannt wurden. Sie verfügten angeblich über große Macht, wie das Heilen von Wunden, erhellen der Nacht und andere Dinge, die sich sterbliche niemals vorstellen konnten.
"Ein schwacher Mensch im Gemach eines Adligen..." begann der dunkelhaarige Mann. Die Gemäuer drückten sich kalt gegen Amiras Rücken und mit einer Hand griff sie an sein Handgelenk. Es war eine instinktive Handlung, mit der sie irgendwie versuchte den Druck von ihrem Hals zu nehmen. Ein Druck, der zwar dafür sorgte, dass sie schlecht Luft bekam aber sie nicht umbringen würde. Das wusste sie. Es war nicht ihr erster Kampf und es würde garantiert nicht ihr letzter sein. Engel hin oder her.
"Was machst du hier?" fuhr die tiefe, sinnliche Stimme des Mannes fort. Sie klang wie ein sanfter Wind im Frühling und ein eiskalter Schneesturm zugleich. Rau wie Schleifpapier und dennoch sanft wie Wolken. "Was macht ein kleiner, bedeutungsloser Mensch hier? Wolltest du ihn ausrauben? Dir das Gold unter den Nagel reißen? Wie gierig ihr doch alle seid..." raunte er ihr mit solch einer Arroganz entgegen, dass sich neben der Panik, eine unfassbare Wut in ihr breit machte. Wie konnte er es nur wagen? Als wäre er etwas besseres, nur weil er was? Ein Engel war? Da hatte er sich aber gehörig getäuscht.
"Fahr zu Hölle" zischte sie ihm mit erstickter Stimme entgegen, bevor sie das Knie hochriss. Da er direkt vor ihr stand, traf sie genau zwischen die Beine. Als Reaktion darauf hörte sie ein schmerzerfülltes Keuchen. Scheinbar hatte sie genau dort getroffen, wo es weh tat. Also waren auch Engel nicht resistent gegen Schmerz. Gut zu wissen.
Nachdem der Druck auf ihrem Hals ein wenig nachgelassen hatte, konnte sie ihn mit einem kräftigen Schubs von sich stoßen, was ihn allerdings nur dazu brachte einen Schritt nach hinten zu taumeln. //Übermenschlich// fuhr es ihm sofort durch den Kopf, als er nicht ansatzweise beeindruckt von ihrem Wiederstand war. Wie als wäre sie nur eine kleine, unbedeutende Fliege, die ihn zwar nervte, doch keineswegs ein Hindernis darstellte.
Ihr Herz begann zu rasen, als sie das Adrenalin in ihren Adern spürte. Amira zögerte nicht lange und griff nach ihrem Dolch, welcher nach all den Jahren noch immer spitz war. Dafür hatte sie stehts gesorgt. Nun blitzte das silberne Metall in ihrer Hand auf und sorgte dafür, dass sie zumindest ansatzweise gleich auf waren. Es war nur eine geringe Chance aber immerhin besser als gar nichts.
Der Engel schien sich recht schnell beruhigt zu haben, denn nach einem Knurren, dass klang als wäre ziemlich angepisst, ging auch er in Kampfstellung. Seine rabenschwarzen Augen musterten sie und schienen nur darauf zu warten, dass sie ihn angriff. Wie ein Jäger, der seine Beute einfach zu sich kommen ließ. So leicht würde sie es ihm aber nicht machen.
Innerhalb von Sekunden reagierte ihr Körper und sie griff nach einer Lampe, die neben ihr stand. Keine geeignete Waffe gegen ein übermenschliches Wesen aber zur Ablenkung war es genug. In einer kraftvollen Bewegung schleuderte sie ihm die Lampe entgegen, welche er natürlich mit Leichtigkeit abfing. Die junge Frau wartete jedoch nicht auf seine Reaktion, sondern hechtete nach vorne, um ihm den Dolch zwischen die Rippen zu jagen. Natürlich blieb das bei dem Engel nicht unbemerkt und er konnte sie mit einem gezielten tritt in den Bauch von sich wegschleudern. Verdammt war der schnell. So schnell könnte sich ein Mensch nie bewegen, geschweige denn solche Reflexe besitzen.
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A fallen angel
FantasyAmira verlor ihre Eltern schon früh, doch das hinderte sie nicht daran sich als gerissene Diebin durchs Leben zu schlagen. Als sie 19 Jahre alt ist, bekommt sie durch Zufall eine wichtige Information. Im Haus eines Adligen findet ein Fest statt, wa...