Der fabelhafte Buchladen

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Sie verabredeten, dass Herr Roberts Sternenschweif am nächsten Morgen vorbeibringen würde. "So haben wir genug Zeit, um alles zu kaufen, was wir noch brauchen, damit sich Sternenschweif richtig wohlfühlt. Außerdem müssen wir noch die Koppel und den Stall in Ordnung bringen", sagte Frau Foster zu Laura. Auf dem Weg nach Hause machten die beiden in einem Reitgeschäft am Stadtrand halt. Bald türmten sich Bürsten, ein Erste-Hilfe-Koffer, ein Futtereimer und ein Halfter auf der Ladentheke. Der Stapel wuchs und wuchs, bis Laura endlich alles zusammen hatte, was sie brauchte. Als sie Sachen zum Auto trugen, bemerkte Laura eine kleine, verwunschene Buchhandlung, die zwischen dem Reitgeschäft und einem anderen Laden nur wenig Platz hatte. Ein altmodisches Schild mit schöner Schrift hing über dem Schaufenster: Frau Fontanas neue und gebrauchte Bücher. "Sieh nur, Mama", sagte Laura. "Sollen wir einen Blick hineinwerfen?", fragte ihre Mutter. Laura nickte begeistert. Ihre Mutter liebte Buchhandlungen ebenso wie sie und diese hier sah äußerst interessant aus. Wenn nicht sogar magisch. Sie gingen den Gehweg entlang. Durch das Glasfenster in der Eingangstür sah Laura einen mit Rosen gemusterten Teppich und unzählige Regale voller Bücher. Frau Foster öffnete die Tür. Ein Glöckchen erklang und sie traten ein. "Wow!" Laura war begeistert. Überall waren Bücher! Alte Bücher, neue Bücher, kleine Bücher, große Bücher. Und nicht nur in den Regalen: Etliche Bücherstapel türmten sich auch vor den Regalen und im Rest des Ladens. Ein großes Schild lud dazu ein, sich gemütlich hinzusetzen und in den Büchern zu schmökern. Es war die schönste und außergewöhnlichste Buchhandlung, die Laura jemals gesehen hatte. Plötzlich war ein leises Trippeln zu hören und ein kleiner, weißer Terrier mit einem schwarzen Fleck über dem Augen lief auf sie zu. "Schau nur, Mama!", rief Laura. Sie kniete sich hin und zur Begrüßung schleckte der Terrier ihre Hand. Frau Foster beugte sich hinunter und streichelte ihn. "Hallo, Kleiner", begrüßte sie den Hund. "Ist er nicht süß?", schwärmte Laura. "Ich sehe, Sie haben sich schon mit Walter bekannt gemacht." Laura und ihre Mutter blicken auf. Eine ältere Frau kam auf sie zu. Sie trug ein geblümtes Kleid und um die Schultern ein besticktes Tuch. Laura schnappte überrascht nach Luft. Das war doch die Frau, die sie heute Morgen auf der Aktion getroffen hatte! "Hallo, Laura", sagte die Frau und lächelte sie freundlich an. "Ihr kennt euch?", fragte Lauras Mutter verwundert. "Wir haben uns heute Morgen auf der Aktion kennengelernt." Die Frau streckte ihre Hand aus. "Ich bin Frau Fontana. Mir gehört die Buchhandlung." "Alice Foster", stellte sich Lauras Mutter vor und schüttelte die ausgestreckte Hand. "Wir sind gerade erst hierhergezogen. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns ein wenig umsehen?" "Aber natürlich nicht", erwiderte Frau Fontana. Sie lächelte Laura zu. "In dem Raum nebenan gibt es jede Menge Bücher, die dir bestimmt gefallen werden." Laura ließ ihre Mutter allein stöbern und lief in den nächsten Raum. Dort gab es unglaublich viele Kinderbücher. Auf dem Boden lagen viele weiche Sitzkissen und auf einem großen Tisch türmten sich die unterschiedlichsten Bücher. Laura schaute die Stapel rasch durch und entschied sich kurzerhand für ein Buch mit Ponygeschichten. Na logo. Sie machte es sich auf einem der Kissen bequem und begann zu lesen. Plötzlich hörte sie das Getrippel von Pfoten. Es war Walter. Er setzte sich neben sie, legte den Kopf schief und schaute sie an. Laura kraulte ihn hinter dem Ohr. "Er mag dich", stellte Frau Fontana fest. Laura fuhr hoch. Die Ladenbesitzerin schien plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Wieder lächelte sie Laura zu. "Welches Buch hast du dir ausgesucht?" Ein wenig schüchtern zeigte Laura ihr das Buch. "Ich dachte mir schon, dass dir das gefallen würde", sagte Frau Fontana. Ihre blauen Augen blickten Laura forschend an. "Hast du dein Pony heute Morgen denn gefunden?" "Oh ja, das habe ich!", rief Laura immer noch ganz aufgeregt. "Es heißt Sternenschweif und ist einfach wundervoll! Morgen kommt es schon zu uns." Frau Fontana starrte sie einen Moment mit einem geheimnisvollen Blick an, dann drehte sie sich schwungvoll herum. "Weißt du was", sagte sie über die Schulter. "Ich glaube, ich habe genau das richtige Buch für dich. Es ist hier oben." Laura beobachtete, wie Frau Fontana eine Trittleiter holte und hinaufstieg, um an das oberste Regal zu gelangen. "Da ist es ja." Frau Fontana zog ein verstaubtes dunkelrotes Buch hervor. Sie kletterte die Leiter wieder herunter und überreichte es Laura. Laura betrachtete das schwere Buch. Es war in Leder gebunden, sah edel aus. "Geschichte der Einhörner", las sie laut vor. Vorsichtig öffnete sie das Buch. Die Seiten fühlten sich ganz weich an und waren durch die Jahre schon gelblich verfärbt. Das Buch musste wirklich ziemlich alt sein. Es war ganz schön dick und es gab einige tolle Bilder darin: Einhörner, die über den Wolken galoppierten und auf saftigem Gras weideten. "Das sieht wunderschön aus." Laura betrachtete gebannt Seite für Seite. Frau Fontana nickte zustimmend. Beim nächsten Bild hielt Laura erstaunt inne. Kein Einhorn war darauf zu sehen. Nur ein kleines, graues Pony. "Das ist ein junges Einhorn", sagte Frau Fontana, die das Bild ebenfalls betrachtete. "Aber es hat doch gar kein Horn!" "Ja, weißt du, junge Einhörner haben noch kein Horn", erklärte Frau Fontana. "Das Horn erscheint erst, wenn jemand sie mit den richtigen Zauberworten zum ersten Mal verwandelt. Dann erhalten sie ihre magischen Kräfte und werden zu den Wesen, die wir Einhörner nennen." Laura schaute Frau Fontana erstaunt an. Das klang so, als würde Frau Fontana tatsächlich daran glauben, dass es Einhörner gab. "Aber Einhörner gibt es doch nicht wirklich, oder? Sie sind doch nur erfunden, genauso wie Feen, Drachen und Trolle." "Du glaubst also nicht, dass es Feen, Drachen und Trolle wirklich gibt?" Frau Fontana runzelte fragend die Stirn. "Auf keinen Fall." Laura grinste. "Und warum nicht?", fragte Frau Fontana. Als Laura in Frau Fontanas blaue Augen blickte, war sie sich gar nicht mehr so sicher. "Na ja, niemand hat sie jemals gesehen, oder?", stammelte sie. "Vielleicht, weil sie nicht gesehen werden wollen", erwiderte Frau Fontana. Sie schaute sich um, ob ihnen auch niemand zuhörte. Dann rückte sie noch ein bisschen näher zu Laura. "Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich habe tatsächlich ein Einhorn gesehen." Laura starrte sie entgeistert an. Frau Fontana schien ihre Gedanken zu erraten. "Keine Angst, Laura. Ich bin nicht verrückt. Alles, was man braucht, sind die Zauberworte, gesprochen von der richtigen Person, eine Handvoll ganz besonderer Blumen - und natürlich ein Einhorn." Plötzlich erklangen Schritte. "Bist du fertig?", rief Lauras Mutter. "Wir sollten uns jetzt wieder auf den Heimweg machen." Frau Fontana stand sofort auf. Laura hatte das Gefühl, als sei sie aus einem Traum geweckt worden. "Was ist denn das?", wollte ihre Mutter wissen, als sie das Buch sah. "Ein ... ein Buch über Einhörner", stammelte Laura und stand ebenfalls auf. Frau Foster nahm das Buch in die Hand und betrachtete es. "Dieses Buch ist bestimmt sehr teuer. Ich glaube nicht, dass wir uns das leisten können." Laura nickte. Eigentlich hatte sie das auch gar nicht erwartet. "Aber ich möchte, dass du es bekommst", sagte Frau Fontana sanft. Laura schaute sie überrascht an. Die Ladenbesitzerin lächelte. "Betrachte es einfach als Geschenk." "Aber Frau Fontana, das, können wir doch nicht annehmen", wandte Lauras Mutter ein. "Doch, das können Sie. Es ist ein ganz besonderes Buch und es braucht ein gutes Zuhause. Eine innere Stimme sagt mir, dass Laura gut darauf aufpassen wird." "Oh ja, das werde ich ganz bestimmt!", versprach Laura aufgeregt. "Vielen Dank, Frau Fontana." Vorsichtig ergriff sie das Buch mit beiden Händen und drückte es fest an sich. Was für ein wunderbares Willkommensgeschenk! 

Sternenschweif - Geheimnisvolle VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt