Der Zauberspruch

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Laura zitterte vor Aufregung, als sie die verblassten Worte las:

Silberstern, Silberstern,
hoch am Himmel, bist so fern.
Funkelst hell und voller Macht,
brichst den Bann noch heute Nacht.
Lass dies Pony grau und klein
endlich doch ein Einhorn sein.

Lauras Blick flog hinüber zu Sternenschweif. "Sieh nur, Sternenschweif. Wir haben den Zauberspruch gefunden!" Sternenschweif senkte den Kopf, gerade so, als hätte er das schon vorher gewusst. Entschlossen sprang Laura auf. Heute Abend musste sie es probieren. Sie hatte den Zauberspruch, die Blume, und ein Haar aus Sternenschweifs Mähne war kein Problem. Jetzt musste sie nur auf den Silberstern warten. Laura konnte es kaum erwarten Sie wünschte sich so sehr, dass der Zauber wirken würde. Am Abend fragte Laura ihren Vater, wann die Sonne untergehe. In ihrem Buch stand, dass der Silberstern nur für zehn Minuten nach Sonnenuntergang erstrahle und dass die Zauberworte in dieser Zeit ausgesprochen werden mussten. "So ungefähr in zwei Stunden denke ich", antwortete ihr Vater. "Warum willst du das denn wissen?" "Ach, nur so", wich Laura ihm aus. Eine Weile später gab es Abendbrot. Laura sah durch das Küchenfenster, wie die Sonne immer weiter Richtung Horizont wanderte und schon bald untergehen würde. Laura aß, so schnell sie konnte, ihren Teller leer. "Darf ich schon aufstehen?" Ihre Mutter blickte sie verwundert an. "Erst wenn alle fertig sind. Das weißt du doch, Laura." Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben. Sie beobachtete weiter die Sonne, die tiefer und tiefer sank. Oh nein! Sie würde den Sonnenuntergang verpassen! Warum aß ihr Vater nur so langsam? Endlich war auch er fertig. "Das war wirklich le... Hey, Laura wo willst du so schnell hin?" Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, sprang Laura auf. "Darf ich jetzt zu Sternenschweif gehen?", fragte sie ungeduldig. "Von mir aus. Raus mit dir." Laura rannte die Treppe hoch und holte die Blume, die noch in ihrem Zimmer lag. Dann schnappte sie sich ihre Jacke und lief, so schnell sie konnte, in die Sattelkammer. Sie nahm das Buch, das sie dort liegen lassen hatte, und rannte weiter zur Koppel. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Würde der Zauber wirklich funktionieren? Sternenschweif stand schon am Tor. Er wieherte, als er Laura kommen sah. Hoffentlich hatten sie noch genug Zeit. Laura führte ihn in die entlegenste Ecke der Koppel, die hinter Büschen verborgen lag. Sobald sie vom Haus aus nicht mehr zu sehen waren, zupfte Laura behutsam ein einzelnes Haar aus Sternenschweifs Mähne. Dann öffnete sie das Buch und nahm die violette Blüte aus ihrer Jackentasche. Die goldenen Punkte schienen im Licht der untergehenden Sonne zu leuchten. Laura schaute nach oben. Die Sonne versank gerade hinter dem Horizont. Sie kniff ihre Augen zusammen und suchte nach einem Stern. Sternenschweif wieherte ungeduldig. "Pssst, ganz ruhig, mein Kleiner." Laura tätschelte ihn beruhigend. Dann sah sie ihn an: Hoch über ihnen war ein strahlender Stern aufgegangen. Die Zeit für den Zauberspruch war gekommen! Laura holte tief Luft und zupfte Blütenblatt für Blütenblatt ab. Dabei sagte sie den Zauberspruch auf:

Silberstern, Silberstern
hoch am Himmel, bist so fern.
Funkelst hell und voller Macht,
brichst den Bann noch heute Nacht.
Lass dies Pony grau und klein
endlich doch ein Einhorn sein.

Nach dem letzten Wort hielt sie erwartungsvoll den Atem an. Doch nichts geschah. Laura sah auf die Blütenblätter in ihrer Hand und war enttäuscht. Also war alles doch nur ein Märchen! Es gab eben keine Einhörner! Als sie Sternenschweif anschaute, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Laura gab ihm einen Kuss auf die Nüstern. Sie schluckte mühsam und ließ die Blütenblätter auf den Boden fallen. Plötzlich flammte ein violetter Blitz auf. Er war so hell, dass Laura ihre Augen schließen musste. Als sie sie wieder öffnete, stockte ihr der Atem. Sternenschweif war verschwunden! 

Sternenschweif - Geheimnisvolle VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt