Lauras magischer Freund

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Entsetzt drehte Laura sich im Kreis und suchte nach ihrem Pony. Plötzlich erblickte sie über sich in den Wolken ein schneeweißes Einhorn. Seine Hufe und sein Horn glänzten silbern, seine Mähne und sein langer Schweif wehten im Wind. "Sternenschweif, bist du das?" Laura konnte es kaum fassen. "Ja", erwiderte das Einhorn, "ich bin es wirklich. Es ist noch etwas ungewohnt für mich hier oben. Schließlich fliege ich zum ersten Mal in meinem Leben. Hoppla ..." Er steuerte etwas wackelig auf Laura zu und wäre beinahe an einem Ast hängen geblieben. Aber dann landete Sternenschweif sicher neben ihr. "Hallo!" Er ging auf Laura zu und schmiegte liebevoll seinen Kopf an ihre Schulter. Obwohl seine Lippen sich nicht bewegten, konnte Laura ihn klar und deutlich verstehen. "Du kannst ja sogar sprechen!", stellte sie erstaunt fest. "Aber nur, solange ich ein Einhorn bin", erklärte ihr Sternenschweif. "Ich kann einfach nicht glauben, dass du tatsächlich ein Einhorn bist!" Sternenschweif lachte vergnügt. "Ich bin aber wirklich eines. Ich war in meinem Ponykörper gefangen. Doch du hast mich befreit, und das bedeutet, dass du von nun an meine Einhorn-Freundin bist." "Deine Einhorn-Freundin?", fragte Laura ungläubig. "Genau. Jedes Einhorn ist auf der Suche nach seinem Einhorn-Freund, mit dem es gemeinsam stark sein und anderen helfen kann. Ich glaube, wir haben viele Abenteuer vor uns." Er klang, als würde er sich schon sehr darauf freuen. "Dann stimmt also alles, was in dem Buch steht?" Laura konnte es immer noch nicht glauben. "Jedes Wort." Sternenschweif schüttelte fröhlich seine lange Mähne. Dann kniete er vor ihr nieder. "Komm, steig auf meinen Rücken und lass uns versuchen, gemeinsam zu fliegen." Laura zögerte kurz. In der Zwischenzeit war die Sonne verschwunden und es war schnell dunkel geworden. Die Dunkelheit schützte Laura und Sternenschweif vor neugierigen Blicken. Gespannt und nur ein ganz klein bisschen ängstlich griff Laura in seine Mähne und stieg auf. "Und wenn ich runterfalle?", fragte sie. "Solange ich ein Einhorn bin, kannst du gar nicht herunterfallen. Meine Einhornkräfte schützen dich." Laura hielt sich zur Sicherheit doch lieber an seiner Mähne fest. "Hui, aufgepasst, jetzt geht es los!", rief Sternenschweif Laura zu. Seine Hufe flogen über das Gras. Kraftvoll schlug das Einhorn mit den Hinterbeinen aus und mit einem Satz stieg es hoch in die Luft. Laura wurde ziemlich durchgeschüttelt. Doch Sternenschweif beruhigte sie. "Keine Sorge. Ich muss nur noch mehr üben." Laura schaute nach unten. "Wow!" Sie konnte es einfach nicht glauben, dass sie tatsächlich durch die Luft ritt! Sternenschweif flog höher und höher, den Sternen entgegen, und Lauras Haare wehten im Wind. Seine Sprünge wurden immer gleichmäßiger. Langsam hatte er den Bogen raus. Laura war überglücklich. "Das ist einfach wundervoll!" Sie schaute wieder nach unten. Dort zogen die Wipfel der Bäume an ihnen vorüber. Plötzlich erblickte sie in der Dunkelheit eine Frau auf einem Weg im Wald. Ein kleiner weißer Terrier lief neben ihr her. "Das ist ja Frau Fontana!" Frau Fontana sah nach oben und winkte. "Hallo, ihr da oben!" Sternenschweif setzte zur Landung an und kam sanft neben ihr  auf dem weichen Gras auf. Rasch kletterte Laura von seinem Rücken. "Frau Fontana!" Sie war noch ganz atemlos. Frau Fontana lächelte: "Wie ich sehe, hast du einen neuen Freund gefunden." Laura nickte begeistert. "Vielen Dank, dass Sie mir das Buch gegeben haben!" "Es wurde Zeit, dass es einen neuen Besitzer bekam", entgegnete Frau Fontana bestimmt. "Aber du musst mir versprechen, dass das Geheimnis bei dir gut aufbewahrt ist. Die Macht eines Einhorns ist sehr groß. Schlechte Menschen könnten in Versuchung geraten, diese Macht für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Du darfst also mit niemandem darüber sprechen. Das verstehst du doch sicher?" Laura war ein bisschen enttäuscht. Sie hatte sich schon ausgemalt, wie erstaunt ihre Eltern sein würden, wenn sie ihnen alles erzählte. Doch ihr war klar, dass Frau Fontana recht hatte. "Ich verspreche es. Ich werde niemandem davon erzählen." "Das ist gut", lobte Frau Fontana. "Und jetzt", fuhr sie fort und schien dabei ein Stück Papier aus der Luft zu greifen, "gebe ich dir den Zauberspruch, mit dem du Sternenschweif wieder in ein Pony verwandeln kannst. Du musst ihn aufsagen, sobald ihr wieder zu Hause seid. So findet niemand heraus, das Sternenschweif ein Einhorn ist." Mit diesen Worten übergab Frau Fontana ihr das Papier. Darauf stand:

Strahlendes Einhorn, zauberhaft und voller Macht,
du leuchtest hell in dunkler Nacht.
Kein fremdes Aug' darf dich entdecken,
deine wahre Gestalt musst du verstecken.
Magisches Einhorn hier auf Erden,
sollst nun ein Pony wieder werden.

Laura hatte das Gefühl, als beginne nun ein neues Leben für sie. Ein magisches Leben! Sie schwang sich wieder auf Sternenschweifs Rücken und er galoppierte in die Luft. "Auf Wiedersehen, Frau Fontana!", rief Laura zum Abschied und hielt sich mit beiden Händen an Sternenschweifs Mähne fest. Frau Fontana sah zu ihr hinauf. "Nutze den Zauberspruch sorgsam, Laura!", rief sie ihr nach. Mit diesen Worten verschwanden sie und Walter zwischen den dunklen Bäumen. Sternenschweif und Laura flogen durch die Nacht. Laura war sich sicher, dass sie noch nie in ihrem Leben glücklicher gewesen war! Es gab so viel zu sehen. Sie flogen über Wälder und Flüsse und zu guter Letzt über die Berge, die hinter ihrem Haus aufragten. Schließlich kamen sie wieder an der Koppel an. Als sie zur Landung ansetzten, fielen Laura plötzlich ihre Eltern ein. "Hoffentlich hat daheim niemand etwas bemerkt", sagte sie erschrocken. "Keine Angst", beruhigte Sternenschweif sie. "So lange waren wir gar nicht fort." "Oh, Sternenschweif!" Laura konnte immer noch nicht richtig glauben, was heute Nacht passiert war. "Das ist alles so aufregend!" Sternenschweif nickte zustimmend. "Und das ist erst der Anfang." Er rieb seinen Kopf an ihrer Schulter. "Ich bin so glücklich, dass du meine Einhorn-Freundin bist." Laura umarmte ihn ganz fest. "Und ich bin so glücklich, dass du mein Einhorn bist. Wir bleiben beste Freunde. Für immer." Nachdem sie abgestiegen war, nahm Laura das Stück Papier aus der Hosentasche, das Frau Fontana ihr gegeben hatte. Langsam las sie den Zauberspruch darauf vor. Kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, flammte wieder der grellviolette Blitz auf und Laura musste die Augen schließen. Die Luft um die herum wurde kälter. Als sie die Augen vorsichtig wieder öffnete, stand Sternenschweif immer noch neben ihr. Aber nun war er kein Einhorn mehr, sondern wieder ein ganz normales kleines, graues Pony. Als Sternenschweif liebevoll an ihren Haaren schnupperte, hatte Laura auf einmal das Gefühl, dass Aufregung und Glück wie Brausepulver in ihrem Magen blubberten. "Gute Nacht", wisperte Laura und küsste Sternenschweif auf die Nase. Sie hob das Buch auf, das sie im Gras liegen lassen hatte, und rannte ins Haus zurück. Lauras Vater räumte gerade Geschirr in die Spülmaschine und ihre Mutter schenkte Max ein Glas Milch ein. "Wie geht es Sternenschweif?", erkundigte sie sich, als Laura in die Küche stürmte. "Dem geht es gut. Ich ... ich denke, ich gehe jetzt nach oben in mein Zimmer und lese noch ein bisschen", sagte Laura. Sie lief die Treppe hinauf und setzte sich auf die kleine Bank vor ihrem Fenster. Sternenschweif graste auf der Koppel. Er schien Lauras Blick zu spüren. Unvermittelt hob er den Kopf und wieherte. Ein glückliches Lächeln glitt über Lauras Gesicht. Ihr neues Pony war tatsächlich ein Einhorn. Eine aufregende Zeit lag vor ihr! 

Sternenschweif - Geheimnisvolle VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt