Die geheime Lichtung

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Am nächsten Morgen machten sich Laura und Sternenschweif gleich nach dem Frühstück wieder auf den Weg in den Wald. Laura fühlte sich ein wenig einsam, als sie so allein unterwegs war. Ich wünschte, jemand würde mit mir ausreiten, dachte sie. Aber vielleicht würde sie ja neue Freunde finden, wenn die Schule wieder begann. Als sie die ersten Bäume erreichten, stellte Sternenschweif seine Ohren auf und zog an den Zügeln. "Ist ja schon gut", sagte Laura und ließ ihn traben. Sie waren zehn Minuten geritten, als Sternenschweif plötzlich stehen blieb. "Komm, mein Kleiner, geh weiter", trieb Laura ihn an. Aber Sternenschweif rührte sich nicht vom Fleck. Er schüttelte den Kopf und blickte ständig nach links. Plötzlich fiel Laura auf, dass sie genau an der Stelle von gestern angekommen waren, wo links vom Hauptweg der Seitenweg abzweigte. "Versprochen ist versprochen", sagte sie und lenkte Sternenschweif auf den Weg. Der Pfad war schmal und verschlungen, und die Bäume bildeten ein undurchdringliches Dach über den beiden. Kaum ein Sonnenstrahl drang hindurch. "Vielleicht sollten wir lieber umkehren", flüsterte sie Sternenschweif nach einer Weile zu. Aber das Pony zog eifrig an den Zügeln. Es wollte auf keinen Fall umkehren. Auf einmal wurde es in der Ferne heller. Es sah aus, als erreichten sie bald das Ende des Blättertunnels. Laura war gespannt, was sie dort erwartete. Sie ließ Sternenschweif weitertraben, und das Pony trug sie aus dem Wald hinaus auf eine grüne Lichtung. Über die gesamte Lichtung erstreckte sich eine sattgrüne, saftige Wiese, die mit kleinen, violetten Blumen übersät war. Darüber tänzelten gelbe Schmetterlinge im Sonnenlicht. Hier war es wunderschön. Sternenschweif betrat die Lichtung. Als Laura genauer hinschaute, erkannte sie, dass die Blumen wie kleine Sterne aussahen. Ein kleiner goldener Punkt schmückte die Spitze jedes Blütenblattes. Laura stutzte. Sie war sich ganz sicher, dass sie diese Blüten schon einmal gesehen hatte. Sternenschweif schnaubte leise und senkte seinen Kopf. Laura dachte, er wolle von den Blumen naschen. Aber dann bemerkte sie, dass er gar nicht fressen wollte, sondern nur an ihnen schnupperte. Laura wurde neugierig und stieg ab. Sie nahm die Zügel in die Hand und schaute sich die Blumen ganz genau an. Aufgeregt pflückte sie eine und steckte sie hinter ihr Ohr. Sternenschweif wieherte und stupste sie an, als ob er ihr etwas sagen wolle. Laura schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Sternenschweif ist doch nur ein Pony, ermahnte sie sich. Laura blickte sich um. Die Lichtung war so schön friedlich, dass sie gar nicht wieder fortwollte. Aber sie wusste genau, dass sie sich auf den Heimweg machen mussten. Also stieg sie wieder auf und ritt mit Sternenschweif in den Wald zurück. Als sie wieder auf den Hauptweg kamen, begrüßte sie das Zwitschern der Vögel in den Baumkronen. Laura trieb Sternenschweif an, und die beiden galoppierten nach Hause zurück. Kaum angekommen, lief Laura in das Arbeitszimmer ihres Vaters, in dem es viele Bücher über Pflanzen gab. Sie holte das größte aus dem Regal und nahm es mit in ihr Zimmer. Sie legte die wunderschöne Blüte, die sie sich hinter ihr Ohr gesteckt hatte, gedankenverloren auf den Nachttisch. Dann blätterte sie das Kapitel über Waldblumen durch. Sie entdeckte einige mit violetten Blüten. Doch keine sah so aus wie die, die sie gepflückt hatte. Laura suchte noch in zwei weiteren Büchern, jedoch ohne Erfolg. Enttäuscht schlug sie das letzte Buch zu und seufzte. "Ach, da bist du. Ich habe dich gesucht." Frau Foster betrat Lauras Zimmer. "Was machst du denn?" "Ach, ich habe nur gelesen", sagte sie schnell. Laura hatte das Gefühl, dass die Blume erst einmal ihr Geheimnis bleiben sollte. "Willst du mit in die Stadt kommen, ein paar Schulsachen besorgen, mein kleiner Bücherwurm?" Laura war sofort einverstanden. Sie lief in ihr Zimmer und suchte sich schnell eine saubere Jeans und einen Pullover heraus. Als ihr Blick auf die Blüte auf ihrem Nachttisch fiel, stockte ihr der Atem. Genau darunter lag das Einhornbuch. Die Seite mit den grasenden Einhörnern war immer noch aufgeschlagen. Während Laura in ihre Jeans schlüpfte, schaute sie das Bild an: die Einhörner, das saftige Gras, die violetten Blumen ... Die violetten Blumen! Ungläubig starrte Laura auf das Bild und dann auf die Blumen. Es war genau die gleich! Da bestand kein Zweifel! Das waren doch genau die gleichen Blumen, die sie heute Morgen auf der Lichtung im Wald gesehen hatte! 

Sternenschweif - Geheimnisvolle VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt