Gibt es echte Einhörner?

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Laura riss das Buch an sich. Ein total verrückter Gedanke durchfuhr sie: Hatte sie nicht gelesen, dass Einhörner, die in der Gestalt von Ponys gefangen waren, befreit werden konnten, wenn man den richtigen Zauberspruch aufsagte und dabei eine bestimmte Blüte in den Händen hielt? Was wäre, wenn die Blume, die sie im Wald gepflückt hatte, genau die wäre, die man für die Verwandlung brauchte? Aufgeregt blätterte Laura weiter. Endlich fand sie die Stelle, wo beschrieben wurde, wie solche Ponys in Einhörner verwandelt werden konnten. in der Mitte der Seite war eine kleine, violette Blume abgebildet, die genauso aussah wie die im Wald. Darunter stand: Die Mondblume: eine seltene, violett blühende Pflanze, die für den Verwandlungszauber benötigt wird. Laura stockte der Atem. Sie hatte die Blume gefunden! Die Blume, die den Einhörnern ihre magischen Kräfte zurückgeben konnte. Laura erinnerte sich, wie Sternenschweif an den Blumen auf der Lichtung geschnuppert hatte. Vielleicht war die Geschichte tatsächlich wahr. Und vielleicht, wer weiß, war Sternenschweif ein Einhorn, das befreit werden musste! Und sie könnte ihm seine wahre Gestalt als Einhorn schenken. Wenn sie den Zauberspruch fände, dann würde sie es ausprobieren. "Laura! Wo bleibst du denn?", rief ihre Mutter von unten. Laura wollte das Buch am liebsten gar nicht wieder aus der Hand legen. Bestimmt war der Zauberspruch irgendwo darin zu finden. "Laura?", rief ihre Mutter lauter. Zögernd klappte Laura das Buch zu. "Ich komme ja schon", antwortete sie mit einem letzten Blick auf die Blume. Eigentlich kaufte Laura gern Sachen für das neue Schuljahr ein. Aber nicht heute. Das Einzige, woran sie denken konnte, war, ob Sternenschweif wirklich ein Einhorn war. Nachdem sie alle Einkäufe erledigt hatten, hielt Frau Foster auf dem Nachhauseweg am Reitgeschäft an, um noch einige zusätzliche Futterschüsseln zu kaufen. Da kam Laura eine Idee. "Darf ich so lange in Frau Fontanas Buchladen gehen?", fragte sie. "Einverstanden. Ich komme dann in ein paar Minuten nach." Aufgeregt lief Laura los. Die Türglocke klingelte fröhlich, als sie den Buchladen betrat. Sie erblickte die Besitzerin im hinteren Teil der Buchhandlung. "Hallo, Frau Fontana!" Überrascht drehte sich die Buchhändlerin um. "Hallo, Laura! Schön, dich wiederzusehen. Was kann ich für dich tun?" Auf einmal fehlten Laura die Worte. Frau Fontana sah so normal aus, dass die Idee, sie zu fragen, ob sie den Einhornzauber kannte, ihr jetzt ausgesprochen dumm vorkam. "Ähm ... nun ja ... ich ...", stotterte Laura herum. "Hast du mittlerweile ein Einhorn gesehen?", fragte Frau Fontana sie verschwörerisch. Laura hörte auf zu stottern und starrte sie entgeistert an. "Deshalb bist du doch zu mir gekommen, nicht wahr? Um mit mir über Einhörner zu sprechen." Laura verschwendete keinen Gedanken daran, wie Frau Fontana das wissen konnte. "Ist die Geschichte wirklich wahr?", sprudelte es nur so aus ihr heraus. Die Ladenbesitzerin lächelte. "Sie ist wahr für die, die daran glauben." "Kennen Sie den Zauberspruch?" Jetzt traute sich Laura die Frage zu stellen, die ihr keine Ruhe mehr ließ. "Ich kenne ihn. Aber ich darf ihn dir nicht verraten. Jeder, der ein Einhorn verwandeln möchte, muss allein die richtigen Worte finden. Alles, was du dafür brauchst, hast du bereits." "Aber ..." Laura wollte ihr gerade widersprechen, als Walter plötzlich laut zu bellen anfing. Die Ladentür ging auf, und Lauras Mutter kam herein. "Hallo, Frau Fontana." "Hallo!", erwiderte die Besitzerin der Buchhandlung lächelnd. "Haben Sie sich schon ein wenig in Ihrem neuen Zuhause eingelebt?" Ihre Stimme klang auf einmal nicht mehr so geheimnisvoll. Ungeduldig wartete Laura, während sich die beiden Erwachsenen unterhielten. Wenn Frau Fontana den Zauberspruch wirklich kannte, warum sagte sie ihn ihr dann nicht einfach? Sie musste sie unbedingt noch einmal danach fragen. Aber solange ihre Mutter danebenstand, ging das natürlich nicht. Frau Fontanas Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf: Du hast bereits alles, was du dafür brauchst. Was hatte sie bloß damit gemeint? Als Laura abends im Bett lag, beschloss sie, das Buch, das Frau Fontana ihr geschenkt hatte, von der ersten bis zur letzten Seite lesen. Na, dann los! Sie erfuhr, dass die magischen Wesen nach dem großen Sturm beschlossen hatten, nicht wieder auf die Erde zurückzukehren, sondern in Arkadia zu bleiben. Drei goldene Einhörner herrschten über das magische Land. Durch einen Zauberspiegel konnten sie beobachten, was auf der Erde passierte. Gebannt las Laura jedes Wort. Manchmal kam es ihr so vor, als verändere sich das Geschriebene. Als sei plötzlich ein Bild verschwunden oder ein anderes hinzugekommen. Doch wie sehr sie auch suchte, den Zauberspruch konnte sie nicht finden. Als Laura am nächsten Morgen aufwachte, lag das Buch neben ihrem Bett auf dem Boden. Zwei Kapitel hatte sie nicht mehr geschafft. Am liebsten hätte sie gleich weitergelesen, aber es war schon sieben Uhr. Zeit, aufzustehen und Sternenschweif zu füttern. Sie konnte ja lesen, während er frühstückte. Laura nahm das Buch mit in die Sattelkammer. Dann holte sie Sternenschweif von der Koppel und brachte ihn in den Stall. Hastig machte sie sein Futter zurecht. Sie füllte die Futterkrippe und holte das Buch aus der Sattelkammer. Laura machte es sich auf einem umgedrehten Eimer neben dem fressenden Sternenschweif gemütlich und begann, die letzten beiden Kapitel zu lesen. Irgendwo musste der Zauberspruch doch zu finden sein! Plötzlich bemerkte Laura, dass Sternenschweif aufgehört hatte zu fressen und sie aufmerksam beobachtete. Er schnaubte einmal und kam dann zu ihr herüber. Sanft blies er auf das Buch in ihrem Schoß, und die Seiten schlugen um. "Oh nein, Sternenschweif! Jetzt hast du mir die Seite verblättert!" Aber noch bevor Laura zurückblättern konnte, schnaubte Sternenschweif noch einmal. "Was machst du denn da?" Verdutzt sah sie, wie Sternenschweif mit seinen Nüstern behutsam die letzte Seite des Buches berührte. Ein kleiner, feuchter Fleck blieb auf dem Papier zurück. Gerade als Laura seinen Kopf verdutzt wegschieben wollte, entdeckte sie, dass die letzte Seite mit dem Buchdeckel verklebt worden war. Eine Ecke der Seite war umgeknickt und flatterte etwas, als Sternenschweif wieder in das Buch blies. Vorsichtig zog Laura am Papier und löste die Seite ab. Sie traute ihren Augen kaum: Auf dem Buchdeckel standen fein säuberlich geschriebene Worte in verblasster Tinte. Das wird doch nicht ... Plötzlich begriff sie: Sie hatte den Zauberspruch gefunden!

Sternenschweif - Geheimnisvolle VerwandlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt