P R O L O G

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"Warum dauert das so lange? Der Junge blutet am Kopf!", rief ein Mann und hämmerte an der verschlossenen Tür. Das Kind weinte schon seit Stunden. "Was sagst du da? Wir waren zuerst hier!", beschwerte sich eine Frau und stand auf. "Beruhig dich, Kleiner. Das ist nichts, worüber man schreien müsste!", sagte ein genervter Mann zu dem verletzten Jungen. Der Junge sah ihn verdutzt an. "Setzen Sie sich einfach hin und warten Sie, bis Sie an der Reihe sind! Egal, wie viel Lärm Sie machen, hier gibt es nur einen Arzt", sagte ein anderer Mann, der in eine Zeitung vertieft war. "Ist dieser Arzt wirklich so gut?", fragte eine hoffnungsvolle Frau mit einem blassen Jungen im Arm, dem sie liebevoll über den Kopf streichelte. Eine andere antwortete: "Ja, ohne diesen Arzt würden viele Werwölfe, besonders die Kinder in der Nachbarschaft... sterben." Die Gespräche verstummten. Nur noch das fürchterliche Weinen der Kinder war zu hören.

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K A P I T E L / 0

Ich betrachtete meine blutverschmierten Hände mit Besorgnis. "Amaya, könntest du bitte die Leute draußen beruhigen? Ich kann mich so nicht konzentrieren", sagte ich durch die Mund- und Nasenmaske, die die Hälfte meines Gesichts verdeckte. Schweiß stand auf meiner Stirn, den ich versuchte wegzuwischen. Ich durfte diese Naht nicht verfehlen, was schwierig wegen meiner zitternden Hände war.

In Gedanken überprüfte ich die Wunde: Eine Stichverletzung im Oberschenkel, verursacht durch ein Messer. Die bisherigen Nähte waren ziemlich sauber gesetzt, aber es war zu einfach. Ich musste etwas vergessen haben... Mein zugedröhnter Kopf kam nicht drauf.

"Natürlich", antwortete Amaya und unterbrach somit meine Gedanken. Sie atmete tief durch und öffnete die Tür, dabei musste sie einen Mann zurückdrängen, der hoffnungsvoll versuchte einzutreten. "Bitte gehen Sie zurück und beruhigen Sie sich!", rief sie ihm zu, bevor sie die Tür wieder schloss und ich ungestört weiterarbeiten konnte.

Ich konnte nicht mehr. Auch wenn ich ein Werwolf war, merkte ich wie meine Kraft anfing zu schwinden. Mir war schwindelig. Doch ich setzte den letzten Stich präzise und hörte Amaya eine kurze Rede halten.

Alle diese Menschen waren draußen und hofften auf meine Hilfe, das trieb mich an, war aber auch ein immenser Druck. Ich durfte sie nicht enttäuschen. Nachdem ich den letzten Stich gesetzt hatte, schnitt ich den Faden ab und stützte mich am Regal ab. Der Mann mit der Schnittwunde war leicht sediert und hatte die Augen geschlossen.

Ich wusste, dass keiner dieser Männer, die mit solchen Verletzungen in diese kleine Klinik kamen gute Männer waren. Meine Patienten waren viele Kriminelle, die ich wenn ich sie so auf der Straße sehen würde, mit Sicherheit fürchten würde. "Entschuldigen Sie", hörte ich eine ältere Stimme vor der Tür sagen, und mein Kopf drehte sich kurz zur Tür.

"Sie sind noch nicht an der Reihe!", beschwerte sich eine unbekannte Frau aufgebracht. "Ich bin kein Patient", antwortete die Stimme bloß ruhig, was meine Neugierde weckte.

Ein Mann trat in den Raum, gefolgt von Amaya, die mich entschuldigend ansah. "Lovetta. Bist du es?", durchbrach der ältere Mann mit einem langen Stock, auf den er gestützt war, die Stille. Mein Gesichtsausdruck veränderte sich. Ich hatte den Mann zuvor noch nie gesehen. "Woher kennen Sie meinen Namen?", fragte ich daher misstrauisch.

"Ich war ein Freund deines Vaters", offenbarte er, und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Das konnte ich gerade gar nicht gebrauchen. "Bitte warten Sie draußen. Ich habe keine Zeit dafür", wies ich ihn ab. Doch der Mann rührte sich nicht. "Haben Sie mich nicht gehört? Gehen Sie raus", wiederholte ich, als er nicht ging. "Ich bin gerade dabei, eine Naht zu vollenden. Wenn diesem Patienten etwas passiert, tragen Sie die Verantwortung", fügte ich aufgebracht hinzu. Er lächelte nur und setzte sich auf einen Stuhl abseits. Verwirrt beobachtete ich ihn.

Die Werwolfs ÄrztinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt