*achtzehn*

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*Trevor*

Wie schnell zwei Wochen vorbei gehen können. Seufzend drehe ich mich noch einmal und werfe einen Blick zurück. An der Ansicht hat sich nichts verändert, doch tief in mir hat dieser. Ort nun einen ganz besonderen Platz. So simple und einfach diese Flitterwochen waren, so einzigartig waren sie dennoch. Ein weiteres Seufzen entweicht mir, als ich den Arm um meinen Ehemann lege und einen leichten Kuss auf seine Wange hauche.
„Wir kommen wieder", flüstert Leo leise. Kurz nicke ich und steige schweren Herzens in das Auto ein. Im Spiegel beobachte ich das kleine Häuschen zwischen den Bäumen, bis es hinter der ersten Kurve verschwindet. Es fühlt sich so seltsam an, wieder zurück nach Hause zu fahren. In eine andere Realität. Dort wo Verantwortung und Verpflichtungen auf uns warten und der Alltagstrott uns einholen wird. Mit jedem Kilometer, den wir uns weiter entfernen, schwindet die Erholung.

„Lass uns im Oktober nochmal herkommen." Leo reißt mich aus meinen Gedanken. Stirnrunzelnd schaue ich zu ihm herüber.
„Da ist das Wetter so oll", entgegne ich.
„Das ist doch vollkommen egal." Schmunzelnd schüttle ich den Kopf, als ich den Gedanken dahinter verstehe. Vorsichtig lehne ich mich herüber und küsse seine Wange.
„Ich liebe dich."
„Ich weiß", lacht er und verschränkt unsere Hände, welche er auf der Mittelkonsole zwischen den Sitzen ablegt. Augenblicklich breitet sich wieder diese einzigartige Zufriedenheit in mir aus. Die Sicherheit, dass es die beste Idee meines Lebens war, diesen Mann zu heiraten, erfüllt mich zusätzlich.

Nach einem Urlaub nach Hause zukommen, ist ein noch so ein ganz spezielles Gefühl. Mir fallen auf einmal wieder die ganzen kleinen Dingen auf, die man im Alltag schnell übersieht. Die gerahmten Fotos von Leo und mir auf der Kommode im Flur. Chucky's Plüschente, die auf dem Sofa sitzt und auf sie wartet. Die bunte Decke die Oma für uns gestrickt hat. Die neuen Bilder, welche im Wohnzimmer zwischen den Fenster hängen. Obwohl ich nicht weiß, wer sie aufgehängt hat, muss ich lächeln und betrachte sie einen Moment. Hochzeitsbilder. Groß und sehr präsent hängt in der Mitte das Bild von der Zeremonie. Eins der wenigen Bilder, die ich von dem Tag bis jetzt zu Gesicht bekommen habe. Im kleinerem Format sind drumherum Schnappschüsse von der Party aufgehängt.
„Megan oder Mom?", frage ich Leo. Ich habe eine Vermutung, wer uns diese kleine Überraschung gemacht hat, doch ich bin mir nicht sicher.
„Elisha war zumindest hier und hat etwas Essen in den Kühlschrank gestellt", meint er und hält einen kleinen Zettel hoch, der unverkennbar Mom's kaum lesbare Handschrift trägt. Noch einmal betrachte ich die Collage. Ne. Mom war das nicht. Sie hat einen anderen Stil für Dekoration.
„Oder Lexi?"
„Sie hat uns lieb, aber ob sie uns so lieb hat?", kommentiere ich. Abwägend legt Leo den Kopf von einer Seite zur anderen. Plumpsend lässt er sich auf das Sofa fallen. An der Hand zieht er mich hinter her und legt den Arm um meine Schultern.
„Irgendwie müssen wir noch was als Abschluss machen", meint er.
„Besondere Einfälle?", frage ich.

Seltsamerweise herrscht in meinen Kopf Leere. Die ganzen guten Ideen für Dates sind in den Flitterwochen draufgegangen. Fast jeden Abend sind wir am Strand spazieren gewesen. Oft haben wir auf der Terrasse gelegen und die Sterne beobachtet. Etliche Vormittage haben wir im Bett verbracht. Noch öfter waren wir in den tollen Restaurants essen. Eine Kayak-Tour haben wir auch unternommen. Wir haben auch versucht, Kite-Surfen zu lernen, aber das ging wunderbar schief.

„Um uns wieder an die Stadt zu gewöhnen, könnten wir zu dem indischen Restaurant spazieren, das du immer ausprobieren wolltest. Danach stellen wir uns an eine Kreuzung und genießen den Lärm des Verkehrs", witzelt Leo mit einen frechen Grinsen.
„Oder wir laden einfach alle ein und setzen uns nach oben und bestellen irgendwo", schlage ich vor. Zustimmend nickt Leo und beginnt eine Nachricht an Jack zu tippen. Zeitgleich nehme ich mein Handy hervor und schicke parallel Nachrichten an Matty und Cal.

Unweigerlich schüttle ich den Kopf. Ich hätte darauf wetten sollen. Matty ist ein Mensch der die Kunst des Zuspätkommende genauso gut beherrscht wie ich. Außer. Außer es ist Essen im Spiel. Er ist der erste, der durch die Tür auf das Dach kommt und uns freudestrahlend begrüßt. Mir drückt er einen sehr feuchten Kuss auf die Wange, der mir ein angewidertes Geräusch entlockt, ehe er sich ein Bier nimmt und auf den erstbesten Stuhl fallen lässt.
„Ich weiß wirklich nicht, wie ich es mit ihm aushalte", seufzt Robin, als sie mich umarmt.
„Er hat andere Qualitäten", lache ich.
„Welche?"
„Ähm..." Das ist eine sehr gute Frage, die ich beim besten Willen nicht beantworten kann. Ich habe keine Ahnung, was meinen besten Freund liebenswert macht, trotzdem bereichert er mein Leben seit wir uns gegenseitig, im zarten Alter von drei Jahren, eine Schippe über den Kopf gezogen haben. Ich vermute, dass wir mit der Seite eine Art Symbiose entwickelt habe. Oder wir haben den selben Schaden und merken es nur wenn wir darauf aufmerksam gemacht werden, wie daneben der andere eigentlich ist.

Jack stolpert keine fünf Minuten später auf das Dach. Interessanterweise ist es ein ähnlicher Ablauf wie bei Matty. Mit dem Unterschied, dass Kelsey einen absolut verstrahlten Eindruck macht. Die Phase der rosaroten Brille. Wie niedlich. Einen Arm lege ich um ihre Schultern und grinse sie an.
„Und?"
„Was und? Hast du verlernt wie man ganze Sätze bildet?", ärgert sie mich umgehend. Mein Grinsen wird nur noch breiter.
„Und? Wie läuft's mit Jack?" Herausfordernd schaut sie mich einen Moment an.
„Das weißt du sehr genau."
„Ich? Ich weiß von nichts."
„Ach tu nicht so. Ich weiß sehr wohl, dass Jack jede Kleinigkeit mit Leo analysiert und diskutiert." Da hat sie vollkommen Recht. Und ich werde aus erster Hand mit den besten Infos versorgt.
„Aber das ist sooo einseitig. Lass mich an deiner Sicht der Dinge teilhaben. Ich brauche das Gesamtbild", lache ich, während ich mit den Wimpern klimpere. Seufzend schüttelt sie den Kopf. Doch ich erfahre alles, was ich wissen will.

Erschrocken schaue ich auf, als Leo sich hustend an seinem Bier verschluckt. Mit großen Augen schaue ich ihn an. Er deutet dabei mit dem Finger zur Tür. Kurz verschlucke ich mich an meiner eigenen Spucke.
„Wann ist das passiert?", fragt Matty total überfordert. Zu uns herüber kommt Cal. Mit einem Baby auf den Arm. Eine sehr müde aussehende Lexi folgt ihm. Ich muss ein paarmal blinzeln, um sicherzugehen, dass ich das auch wirklich richtig sehe.
„Fängt das schon wieder an, dass du uns nicht alles erzählst?" Ein böser Blick fliegt von meinem Bruder in meine Richtung. Das bekomme ich jedoch kaum mit, da ich immer noch das Kind anstarre.
„Das ist Daisy. Die Kleine von Freddy", erklärt Cal während er sich neben Leo auf die Hollywoodschaukel setzt und das kleine Mädchen sich auf den Schoß setzt. Sofort schlägt meine Stirn Falten.

Ich kenne Freddy noch aus der Schule. Er ist ein paar Jahre älter als wir. Seit einigen Jahren spielt er mit Cal in der Band. Abgesehen davon ist er ein Chaot, der kaum sein Leben auf die Reihe bekommt. Er ist einer dieser Menschen, den ich kaum einen Hund anvertrauen würde. Eigentlich ist alles, was sich nicht selbst versorgen kann, in seinen Händen absolut fehl am Platz. So ein Chaot ist Freddy. Zumindest war er es als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Das dürfte etwa eineinhalb Jahre her sein. Und so alt dürfte das Mädchen auch etwa sein.

„Freddy?"
„Warte. Wie in Freddy aus der Schule? Wie in Freddy aus der Band?", mischt sich Matty mit ein.
„Ja, ich weiß. Ich habe das damals auch gedacht", lacht Lexi.
„Aber Brooke hat ihn ganz gut ihm Griff", fügt sie an, als sich unsere Blicke nicht ändern.

Ganz höre ich jedoch nicht mehr zu. Meine Aufmerksamkeit liegt bei meinem süßen Ehemann. Daisy hat sich aus Cal's Armen befreit und turnt begeistert in Leo's Schoß herum. Dabei lächelt er vor sich hin. Ob wir das Gespräch über Kinder doch noch einmal führen müssen? Angeregt unterhält er sich dabei mit der Kleinen, wobei sie nur unverständliches Geplapper von sich gibt. Es sieht bezaubernd aus. Mir wird wohlig warm in der Brust.

Genau so habe ich mir den Abschluss für unsere Flitterwochen vorgestellt. So kann das wirkliche Leben als verheiratetes Paar beginnen. Mit diesem warmen Gefühl, das sich in mir einnistet und für eine grundsätzliche Zufriedenheit sorgt. Mit einem Lächeln auf den Lippen, während ich meinen Ehemann beobachte. Mit Schmerzen im Bauch vom Lachen über Witze, die großartige Freunde erzählen. So darf es gern bleiben. So kann ich das Leben genießen.

Doch mein Leben steht bereits lachend in der Ecke, um diese Vorstellung zunichte zu machen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 14, 2023 ⏰

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