Kapitel 11

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Arkus hielt mich mit seinen Armen fest umschlossen, sodass ich nicht stürzte. Sein Atem streifte mein Gesicht. Er roch nach Minze und Zimt.
Durch die Tränen, die sich in meinen Augen gesammelt hatten, erkannte ich seine Augen. Sie starrten in die Meinen, forschend und beschützend. Das bildete ich mir jedoch wahrscheinlich nur ein. Ich kannte diesen Mann seit ca. Fünf Sekunden, ich bezweifelte, das ich das, was ich dort vermutete zu sehen, auch der Realität entsprach.
Langsam liess er von mir ab, meinen Arm hielt er aber immer noch Fest. Ohne der Blickkontakt zu unterbrachen sagte er:

„Wir gehen jetzt dort rein und holen uns etwas zu trinken und zu essen. Dann gehen wir auf den Balkon. Du kannst nicht zulassen, das diese Bitches so über dich reden. Du bist stark. Scheiss auf sie, Okay?"
Verdutzt starrte ich ihn an.
Diese Ansage hatte mich überrascht aber dennoch etwas in mir bewirkt, auch wenn ich noch nicht genau wusste was.
Noch bevor ich entscheiden konnte, wie ich mich verhalten würde, ging die Tür zum Pausenraum auf. Das Gelächter der Frauen erstarb urplötzlich und ein unangenehmes Schweigen füllte den Raum aus. Arkus zog an meiner Hand, um mir zu signalisieren, dass ich eingetreten sollte.
Ich setzte einen Fuss vor den anderen und schritt in den Kaffeeraum. Wie in Trance betätigte ich den Schalter der Kaffeemaschine, holte mir einen Donut und verliess den Raum wieder. Ein grauer Schleier legte sich über meine Wahrnehmung, meine Ohren wurden dumpf, meine Sicht trüb. Ich war gerade dabei mich in mich selbst zurückzuziehen. Hatten die Frauen etwas gesagt, mich angestarrt oder getuschelt?
Ich wusste es nicht.
Kaum hatte ich die Küche verlassen, lief ich Arkus in die Arme. War er mir hinein gefolgt oder hatte er hier draussen auf mich gewartet? Die Dampfende Tasse Tee in seiner Hand beantwortete mir diese Frage. Arkus zog mich wie selbstverständlich, so als ob wir das täglich tun würden, durch ein Labyrinth aus Bürotischen und Stühlen, und führte mich schlussendlich in einen dunklen Korridor. Eine einzige Tür erstreckte sich am Ende des Flurs. Das aufleuchten eines grünen Lämpchens, mein Begleiter hatte anscheinend die Tür aufgeschlossen, signalisierte, dass sie geöffnet war und wir jetzt hindurchlaufen konnten. Das taten wir auch.
Kühler Wind traf auf mein Gesicht und umspielte meine Kleidung, meine Haare und wehte den Puderzucker von meinem Gebäck.
Ich tätigte einen Atemzug, klare Luft und das obwohl wir uns im Herzen Londons befanden, füllte meine Lunge aus. Sofort fühlte ich mich freier, mein Gesicht kühlte ab und ich hatte das Gefühl, dass die Anspannung die ich zuvor noch gespürt hatte von mir anfiel.
Ich drehte mich um meine eigene Achse. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf einem riesigen Balkon auf dem Dach des Firmengebäudes stand. Die Aussicht war zwar von meinem Schreibtisch schon phänomenal gewesen, doch von hier aus war sie einfach nur Atemberaubend.
Wir waren so hoch oben, dass ich einen Blick auf das Londoneye erhaschen konnte, zumindest dachte ich das.
Das Gefühl von Freiheit war selten so überwältigend wie jetzt gewesen. Ich lief zum Geländer, das uns davor abhalten sollte vom Dach zu fallen und setzte mich auf den Boden in einen Schneidersitz. Arkus leistete mir Gesellschaft, indem es sich in seiner teuren Anzugshose neben mir auf dem Boden bequem machte.
Stillschweigend sassen wir nebeneinander und genossen die Aussicht und unser heisses Getränk.

„Dankeschön", brach ich die Stille.
„Für was?", fragte er.
„Naja für vorhin", sagte ich etwas unbeholfen. Ich war es gewohnt immer die starke zu sein, und befand mich nicht oft in Situationen, in denen ich Schwäche zulassen konnte.
„Immer wieder gerne".
Mehr Worte tauschten wir nicht aus. Wir hatten irgendwie eine stille Übereinkunft getroffen, darüber das jetzt nicht mehr gesagt werden musste, und das war gut so.
Ich konnte nicht mit vielen Menschen Zeit verbringen, ohne das etwas gesagt wurde. Meistens hatte ich das Bedürfnis den leeren Raum zu füllen. Doch mit diesem Menschen, den ich seit gerade einmal einem Tag kannte, war das kein Problem. Wir hatten die selbe Wellenlänge.
Etwas sagte mir, das Arkus Yen nicht länger ein Fremder für mich bleiben würde.
Bei dem Gedanken daran wurde mir warm ums Herz.

Das Spiel mit dem FeuerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt